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Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 1/2018

Gebrauchtfahrradhändler im Interview

Noch grüner Radfahren

Johannes Roth repariert und verkauft in Bonn gebrauchte Fahrräder. Mit fairkehr spricht er über die ökologischen Vorteile von Gebrauchträdern und worauf Käufer achten sollten.

Johannes Roth verkauft in seinem Bonner Fahrradladen Klingeling gebrauchte Räder aller Art und betreibt eine Radwerkstatt.

fairkehr: Deinen Laden „Klingeling“ für gebrauchte Räder hast du vor mehr als zehn Jahren eröffnet. Wie kamst du darauf?
Johannes Roth: Damals stand ein Jobwechsel an und ich habe mich entschieden, einen Laden für gebrauchte Fahrräder mit Reparaturservice zu eröffnen, weil ich die ganze Fahrradgeschichte  spannend finde. In meinem Laden kann ich nicht nur die aktuellen Modelle des Jahres anbieten, sondern alles, was ich gut und schön finde. Ich bin nicht vertraglich an eine bestimmte Marke und eine jährliche Mindestabnahmemenge gebunden. Deshalb stehe ich unter einem deutlich geringeren finanziellen Druck. Gleichzeitig finde ich es wichtig und sinnvoll, Sachen zu reparieren und zu recyceln. Das ist mein Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Wie kommst du an die gebrauchten Räder?
Es vergeht eigentlich kein Tag, ohne dass uns ein Fahrrad zum Ankauf angeboten wird. Wir machen die Fahrräder wieder fit, indem wir eine Inspektion durchführen und reparieren, was nötig ist. So hat der neue Besitzer oder die neue Besitzerin erstmal Ruhe und muss nicht gleich wieder in die nächste Werkstatt, um die Kette oder die Bremsbeläge erneuern zu lassen. Wir haben ja auch eine Verantwortung gegenüber dem Kunden und geben ein Jahr Garantie.

Wer kauft deine Räder?
Das ist bunt gemischt. Wer ein Fahrrad für 50 Euro sucht, wird bei uns wahrscheinlich nicht fündig. Dafür können wir die Dienstleistung nicht bieten. Unsere Kunden schätzen den Service, und ein Rad kostet etwa 200 bis 350 Euro.

Kaufen Kunden gebrauchte Räder, weil sie günstiger sind, oder auch aus ökologischen Gründen?
Beides. Der Preis spielt natürlich die größere Rolle, aber ich höre auch immer öfter, dass der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle spielt. Und es kommen natürlich auch Kunden, weil sie bestimmte alte Modelle schick finden.

Musst du Trends bedienen?
Nein, wenn ich mitbekomme, dass die Nachfrage nach Rennrädern groß ist, halte ich danach Ausschau. Aber vor allem aus Eigeninteresse, denn Rennräder finde ich spannend. Aber ich springe nicht auf jeden Trend auf. E-Bikes verkaufe ich zum Beispiel nicht. Ich habe nichts dagegen. Aber die passen nicht zu meinem Konzept, das sollen andere machen.

Worauf sollte man beim Kauf eines gebrauchten Fahrrades achten?
Grundsätzlich finde ich bei jedem Fahrradkauf wichtig, dass die Kunden Probe fahren, das Rationale einfach mal ausschalten und beim Fahren darauf achten: Fühle ich mich wohl, passt die Größe, wie ist das Fahrgefühl? Und dann muss man natürlich auf die Technik achten. Laien können nicht immer gut einschätzen, in welchem Zustand die technische Ausstattung ist.

Die Begutachtung der Technik übernimmst du  quasi für deine Kunden.
Genau. Das ist auch der Grund, warum viele ein gebrauchtes Rad lieber bei mir kaufen als auf Fahrradmärkten, im Internet oder auf dem Flohmarkt. Gebrauchtfahrradhändler sind Ansprechpartner und bieten eine kleine Garantie. Ich will nicht einfach alte  Räder loswerden. Mir ist wichtig, dass die Kunden zufrieden sind und Spaß mit ihrem Rad haben.

Du betreibst auch eine Werkstatt – sind deine Ersatzteile ebenfalls gebraucht?
Nicht alle, ich muss auch neue kaufen. Bei Ketten, Zahnkränzen, Bremsbelägen, Zügen, Reifen und Schläuchen machen gebrauchte Teile keinen Sinn. Und die Technik ändert sich. Die heutigen Lichtanlagen sind sehr viel besser, weshalb es technisch sinnvoll ist eine neue zu montieren. Aber wir werben sehr dafür, Räder zu reparieren, und übernehmen auch knifflige Fälle wie Räder mit alter Technik. Natürlich gibt es Fälle, da rate ich den Kunden ab, Geld in die Reparatur zu stecken. Es gibt leider Räder, die sind so minderwertig produziert, dass sie neu schon Schrott sind.

Wie erkennt man minderwertige Räder?
Wenn man sich ein bisschen auskennt, kann man das anhand der Bauteile und der Verarbeitungsqualität sehen. Ansonsten sage ich grundsätzlich: nicht im Baumarkt kaufen.

Gibt es in der Fahrradindustrie einen Trend, ökologischer zu produzieren?
Das kann ich nicht bestätigen. Vereinzelt gibt es Firmen, die einen Teil ihrer Produkte lokaler produzieren, oder kleine Spezialhersteller, die nicht dem Preisdruck unterliegen und in ihrer Region fertigen lassen können. Ansonsten folgt die Fahrradindustrie den globalen Spielregeln. Das heißt, dass die Produkte nicht zu langlebig sind, damit sie wieder neu gekauft werden müssen, und dass sie möglichst günstig produziert werden, mit allen schlechten Nebenerscheinungen. Da könnte sicher einiges besser sein.

Sind da gebrauchte Räder die Lösung?
Naja, ökologisch betrachtet sind gebrauchte Räder sicherlich besser, aber nicht perfekt. Ich bin ja trotzdem darauf angewiesen, neues Zubehör zu kaufen. Ich hoffe, dass sich die Branche verbessert. Das Fahrrad gewinnt sehr an Stellenwert, es ist ein Life­styleartikel geworden, und Radfahrer geben viel Geld aus für schickes Zubehör. Vielleicht steigt auch die Bereitschaft, Geld für eine nachhaltigere Produktion auszugeben.

Interview: Valeska Zepp

fairkehr 1/2018