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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2017

ÖBB-Nachtzüge haben Erfolg

Vor einem Jahr stellte die Deutsche Bahn ihr Nachtzuggeschäft ein. Die Österreichischen Bundesbahnen haben einige Strecken übernommen. Zeit für eine erste Bilanz.

Ein Blauer Nachtzug der ÖBB steht im Bahnhof. Auf dem Zug steht der Schriftzug „nightjet”.
„Nightjet“ heißt die Nachtzugflotte der ÖBB. Die Züge sind bekannt für guten Service.

Nicht rentabel. Das war die Begründung, mit der die Deutsche Bahn im Dezember 2016 ihr Nachtzuggeschäft einstellte. 30 Millionen Euro Verlust im Jahr machte die DB nach eigenen Angaben mit den rollenden Schlafwagen. Wie diese Zahl zustande kam und was alles in die Gewinn- und Verlustrechnung einbezogen wurde, dazu gab es keine verlässlichen Angaben. Inzwischen haben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einige Strecken übernommen und mit ihnen ihr Nachtzugangebot ausgebaut. Auch die ÖBB veröffentlicht keine detaillierten Bilanzen. Aber die Nachricht, die nach einem Jahr in die Medien kommuniziert wird, ist klar: Für die ÖBB lohnt sich das Nachtzuggeschäft. „Die Übernahme war ein mutiger Schritt”, so ÖBB-Pressesprecher Bernhard Rieder, „aber es war die richtige Entscheidung. Mit unseren Erlösen liegen wir leicht über dem Plan.”

Warum fährt die ÖBB mit den Nachtzügen besser als die Deutsche Bahn? Es gibt mehrere Gründe. Die Österreicher haben nicht das gesamte DB-Angebot übernommen, sondern konnten sich die Verbindungen heraussuchen, die sie für erfolgversprechend hielten. So ließen sich Synergien mit bereits bestehenden Verbindungen herstellen. Laut einer aktuellen Studie des Europäischen Parlaments zum Nachtzugverkehr in Europa profitiert die ÖBB auch von dem vergleichsweise knappen Angebot an Fernbussen und Kurzstreckenflügen in Österreich.

Gutes Angebot = viele Kunden

Dazu kommt: Die ÖBB hat nicht nur viel Erfahrung im Nachtzuggeschäft, sondern sieht es auch als einen wichtigen Teil ihrer Marke. Das schlägt sich in Qualität und Service nieder. „Die Qualität ist deutlich besser geworden“, sagt Bahnexperte Siegfried Klausmann vom Reisebüro Gleisnost in Freiburg, das sich auf Bahnreisen spezialisiert hat. „Früher sind die Schlafwagen öfter mal ausgefallen und man musste trotz Buchung in den engeren Liegewagen. Das passiert jetzt nicht mehr.” Die ÖBB zeigt: Nachtzüge können rentabel sein, wenn man ein gutes Produkt bietet. So sieht das auch Philipp Kosok, Referent für Bahnverkehr und ÖPNV beim VCD: „Die ÖBB beweist, dass man mit einem guten Angebot Kunden findet und auch Geld verdienen kann. Das ist sehr positiv.”

Keine Ost-West-Verbindungen

Das Angebot ist allerdings eingeschränkt. In Ost-West-Richtung fehlen Anschlüsse. Nach Paris oder Warschau kann man mit dem Nachtzug nicht mehr reisen, viele lange Verbindungen sind unmöglich geworden. „Nach Spanien oder Portugal kommt man oft nicht ohne Zwischenübernachtung”, sagt Klausmann. Deshalb würden viele Kunden auf das Flugzeug umsteigen.

Auch Philipp Kosok bemängelt, dass es kein echtes europäisches Nachtzugnetz gebe. Denkbar sei ein solches nur, wenn die Politik für einen fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsmitteln sorge. „Dazu müssen Subventionen für den Flug- und Straßenverkehr abgebaut werden. Zum Beispiel muss die Kero‑ sinsteuer kommen. Sonst wird es ein Nischengeschäft wie der Nachtzugverkehr schwer haben”, so Kosok. Die Bundesregierung hat signalisiert, die Trassenpreise für den Güterverkehr zu senken. Der VCD fordert das auch für den Personenverkehr, um Investitionen im Bahnfernverkehr zu erleichtern.

Die ÖBB will weiter in ihre „Nightjets” investieren. Zurzeit baut sie zwanzig IC-Sitzwagen zu Liegewagen um. 2021 will sie dreizehn neu gefertigte Nachtzüge auf die Schiene bringen. „Wir wollen Marktführer in West- und Mitteleuropa werden. Die ÖBB soll synonym für das Nachtzuggeschäft stehen“, sagt ÖBB-Sprecher Rieder. Magdeburg und Potsdam sollen demnächst als neue Stopps angefahren werden. Weitere Strecken sind allerdings nicht geplant.

Tim Albrecht

Die Nachtzug-Verbindungen der ÖBB in Deutschland

  • Berlin-Dresden-Wien
  • Düsseldorf-Köln-Frankfurt-Wien
  • Düsseldorf-Köln-München-Innsbruck
  • Hamburg-Berlin-Freiburg-Zürich
  • Hamburg-Hannover-München-Innsbruck
  • Hamburg-Hannover-Passau-Wien
  • München-Salzburg-Ljubljana-Zagreb
  • München-Salzburg-Opatija-Rijeka
  • München-Salzburg-Verona-Mailand
  • München-Salzburg-Florenz-Rom
  • München-Salzburg-Villach-Udine-Rom
  • München-Salzburg-Wien-Budapest

Das Nachtzugangebot der ÖBB: www.nightjet.com

fairkehr 5/2023