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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 4/2017

Kuhhandel mit Autobahnen

Die SPD rühmt sich, die Privatisierung von Autobahnen verhindert zu haben. Teuer wird es für die Steuerzahler dennoch.

Foto: istockfoto/rhowDie SPD rühmt sich, die Privatisierung von Autobahnen verhindert zu haben. Teuer wird es für die Steuerzahler dennoch.

Deutschland bekommt eine zentrale Autobahn-Gesellschaft: Künftig sind nicht mehr die Länder für den Bau zuständig. Damit sie auf ihren Einfluss verzichten, legt der Bund viel Geld auf den Tisch: 2020 zahlt er zunächst 9,75 Milliarden Euro – in den Folgejahren sogar noch mehr – um den Länderfinanzausgleich neu zu regeln und das ewige Gezerre zwischen armen und reichen Ländern zu beenden. Die Entscheidungen gehören zu einem riesigen Gesetzespaket, das Bundestag und Bundesrat Anfang Juni verabschiedet haben.

Angeblich geht es bei der Autobahngesellschaft darum, die Abläufe effektiver zu gestalten – ein Ziel, das auch der VCD unterstützt. Tatsächlich aber spricht vieles dafür, dass der Bund vor allem ein größeres Investitionsfeld für private Anleger schaffen will. Die SPD rühmt sich zwar lautstark, eine Privatisierung der Autobahnen und der als GmbH organisierten Verwaltung verhindert zu haben. „Das ist ungefähr ein so großer Erfolg wie ein Verbot von Ufos“, höhnt Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. Schließlich gibt es bisher nirgendwo auf der Welt ein privates Autobahnnetz, und auch am Kauf der Autobahnverwaltung haben Privatinvestoren kein Interesse. Vielmehr wollen sie sich an öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) beteiligen. Dabei verdienen sie entweder als Erbauer und Betreiber viel Geld, indem sie Maut- und Leasinggebühren von den Nutzern und vor allem vom Staat kassieren. Oder sie treten als Finanziers von Autobahnprojekten auf. Das geht über ÖPP-Kredite oder Genussscheine, bei denen die Investoren nur zahlen, aber kein Stimmrecht haben. Auch für die Öffentlichkeit unsichtbare stille Beteiligungen sind denkbar.

Schlechte Geschäfte

Für die Investoren ist das in jedem Fall eine supersichere Sache: Der vereinbarte Gewinn ist garantiert, weil der Staat nicht pleitegeht. Für die Steuerzahlenden ist so etwas hingegen teuer. Der Bundesrechnungshof hat 2014 sechs ÖPP-Straßenbauprojekte untersucht und festgestellt, dass die private Beteiligung die Kosten um 1,9 Milliarden Euro in die Höhe getrieben hat.

Als Rechtfertigung für solch schlechte Geschäfte dient die Schuldenbremse: Der Bund muss seit 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Damit das klappt, sind ÖPP-Projekte günstig, denn diese Form der Kreditaufnahme muss im Bundeshaushalt nicht ausgewiesen werden. Das ließe sich zwar ändern. Frankreich hat das vor sechs Jahren gemacht: Die Zahl der ÖPP-Projekte sackte auf

20 Prozent des vorherigen Volumens ab. Diese Chance aber lässt die Bundesregierung verstreichen. „Der Druck der Versicherungen und Banken wächst, in Zeiten einer Nullverzinsung Geld sicher anlegen zu können“, erklärt Geld Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD.

Viele Renten- und Lebensversicherer stecken in der Klemme. Sie bekommen zurzeit fast keine Zinsen, haben ihren Altkunden aber jährliche Renditen von mehreren Prozent versprochen. Sich an Autobahnen zu beteiligen, erscheint als sicherer und gewinnträchtiger Ausweg. Auch die Bundesregierung hat daran Interesse – sie will nicht riskieren, dass sie demnächst offiziell Versicherungskonzerne mit Steuergeldern retten muss.

Annette Jensen

fairkehr 5/2023