fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 3/2017

Im Schilderwald

Was macht mehr Spaß: ohne große Vorbereitung auf gut ausgeschilderten, komfortablen Wegen zu gehen – oder sich mit Karte, Kompass und GPS in der Wildnis zu orientieren? fairkehr-Autorin Regine Gwinner plädiert in diesem Artikel für Wege, auf denen sich niemand verirren kann. Was Kollegin Valeska Zepp auf unbeschilderten Wegen in Schottland erlebt hat, lesen Sie hier.

Foto: Nando Machado/shutterstock.comGute Markierung und lesbare Schilder bringen Wanderer ans Ziel.

Ignorance is the mother of adventure“, sagt Hägar, der Schreckliche. Mit dieser Aussage – „Unwissenheit ist der Beginn eines jeden Abenteuers“ – rechtfertigt der berühmte Comic-Wikinger seine planlosen Beutezüge und ausufernden Irrfahrten. So wie der furchtlose Wikinger mit seinen Mannen in See sticht, begebe ich mich auf Wanderungen: angetrieben von großartigen Ideen, unbelastet von geografischem Wissen, ohne Orientierungssinn, dafür offen für alle Abenteuer, die sich unterwegs bieten. Dass ich meist grandios scheitere und mich regelmäßig verirre, hindert mich nicht daran, es immer wieder zu versuchen. Denn meine Wanderungen verlaufen zwar in den seltensten Fällen so, wie es mir beim Losmarschieren vorschwebt. Aber ich erlebe doch meistens interessante Geschichten, treffe nette und hilfsbereite Menschen und entdecke Gegenden, die ich vorher nicht kannte – und hinterher nicht wiederfinden würde.

Wandern nach Karte und Führer ist nicht so meins – und das liegt nicht am fehlenden Einsatz. Ich kann mich viele Kilometer nach einer Wanderkarte orientieren, um irgendwann festzustellen, dass die schwarze Linie, der ich zu folgen meinte, gar nicht der Wanderweg ist, sondern die Hochspannungsleitung. Da ich das inzwischen weiß, hat der Blick auf die Karte für mich ein hohes Maß an Unverbindlichkeit. Das Gleiche gilt für Wegbeschreibungen in Wanderführern. Hat man einmal vor sich hingeträumt und die Abzweigung verpasst, helfen einem die schönsten Texte nicht mehr weiter. Da Umkehren für mich nur in lebensbedrohlichen Situationen in Frage kommt, bin ich in den meisten Fällen flotten Schritts ins Ungewisse unterwegs.

Wichtig: idiotensichere Schilder

Auch Versuche mit GPS-Geräten oder Handy-Navigations-Apps bringen mich selten ans Ziel. Bevor ich die Technik verstanden habe, bin ich schon so weit weg vom eigentlichen Weg, dass sich eine Neuorientierung anbietet. Hilfreich finde ich hin und wieder das Ortungssystem meines Handys, das mir, wenn ich mich total verfranst habe, wenigstens zeigt, wo ich mich gerade befinde. Eine Wette mit mir selbst, die meistens das Handy gewinnt.

Das Einzige, was Menschen wie mich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zum Ziel bringt, ist eine gute Wanderwege-Beschilderung und eine konsequente, idiotensichere Markierung. Wie beim Radfahren liebe ich auch beim Wandern Knotenpunktsysteme, die nicht nur die Richtung weisen, sondern einem immer auch zeigen, wo im System man sich gerade befindet.

Ich weiß, dass es da draußen Menschen gibt, die Wanderkarten lesen, einen Kompass handhaben und mit Navigationsgeräten umgehen können. Ich bewundere sie. Ihnen gehört die Welt. Sie können da wandern, wo Orientierungslose wie ich von der Bergwacht gerettet werden müssten. Sie können sich vorher überlegen, wo sie hinmöchten und was sie unterwegs sehen möchten. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass ihnen jemand eine Spur legt.

Ich schon. Und daher schätze ich Premiumwanderwege, ausgezeichnete Wanderwege, Traumpfade, Höhenwege, Rhein- und Moselsteige und all die anderen gut aufbereiteten Pfade – solange sie nicht im Kreis führen. Ich muss nicht immer wissen, wo ich bin. Wichtig für mein perfektes Wandererlebnis ist, dass ich mitten in der Natur sein kann, schöne Landschaften sehe, mich körperlich im richtigen Maße verausgabe, die eine oder andere Einkehrmöglichkeit finde und dass mich am Ende des Tages ein Bus oder ein Zug nach Hause bringt.

Regine Gwinner

fairkehr 5/2023