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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 2/2017

Mehr Raum für Carsharing

Nach jahrelanger Verzögerung kommt endlich ein Gesetz, das Autoteilen fördert. Und das ist gut so, trotz Kritik an bestimmten Formen des Carsharings.

Foto: Bundesverband CarSharingWenige Tage vor der Bundestagswahl soll ein Gesetz in Kraft treten, das Carsharing-Unternehmen das Wirtschaften leichter macht.

Alexander Dobrindt ist der dritte Bundesverkehrsminister, der die Förderung von Carsharing lange verschlafen hat – doch wenige Tage vor der Bundestagswahl soll endlich ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten. Auch die deutschen Autokonzerne befürworten inzwischen eine Regelung, nachdem sie jahrelang auf der Bremse gestanden hatten: Daimler und BMW wollen sich auf dem neuen Geschäftsfeld breitmachen, bevor es US-Firmen wie Uber tun. Ihre Carsharing-Firmen Car2Go und DriveNow haben in Europa und den USA zusammen 20000 Autos auf den Straßen, zwölf Prozent davon fahren elektrisch.

Das neue Gesetz ist zwar unnötig kompliziert, weil die Länder weitere Regelungen verabschieden müssen. Doch dass es nun endlich eine juristische Grundlage gibt, um Parkplätze für geteilte Autos im öffentlichen Raum auszuweisen, ist ohne Zweifel ein Fortschritt. Bisher waren Kommunen gezwungen zu improvisieren, wenn sie eine Carsharing-Station einrichten wollten: Schließlich gilt im Straßenraum ein Bevorzugungsverbot, das aufs Grundgesetz verweist.

Für mehr Leben auf der Straße

Autoteilen boomt in Deutschland. Etwa 1,7 Millionen Kunden sind bei den rund 150 Anbietern registriert – ein Plus von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, meldet der Bundesverband Carsharing. Bewohner von fast 600 Städten und Gemeinden haben inzwischen Zugriff auf ein Auto, ohne es selbst besitzen zu müssen. Besonders rasant ist die Entwicklung bei sogenannten Free-floating-Systemen in Metropolen: Hierbei können die Kunden die Wagen nach der Nutzung irgendwo im Stadtgebiet wieder abstellen. Statistisch nutzen 172 unterschiedliche Menschen binnen eines Jahres gemeinsam solch ein Fahrzeug. Bei Pkw, die zu einer festen Station zurückgebracht werden müssen, sitzen dagegen 48 Fahrer abwechselnd hinterm Steuer. Das Nutzungsverhalten ist in beiden Fällen recht unterschiedlich. Bei Free-floating-Systemen endet der Trip in der Regel nach wenigen Kilometern, belegt eine Studie des Beratungsunternehmens Civity aus dem

Jahr 2014. Häufig nutzen die Fahrer den Wagen aus Bequemlichkeit, obwohl sie für die Strecke auch Bus, Bahn oder Fahrrad nehmen könnten. Dagegen werden Carsharing-Wagen mit festem Parkplatz meist für längere Strecken gebucht und dienen häufig für Ausflüge. Es ist nicht auszuschließen, dass im Free-floating-Bereich auch der eine oder andere Fuß- oder Radweg ersetzt wird.

Für den VCD überwiegen die Chancen: „Carsharing unterstützt Menschen bei der Entscheidung, das Auto abzuschaffen, und ist der Einstieg in eine zukunftsfähige Mobilität. Auch Free-floating-Carsharing hilft, ohne eigenes Auto gut zu leben“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, bei einer Anhörung im Bundestag. Carsharing mindere die Zahl der Autofahrten, der Umweltverbund profitiere und der CO2- und Abgasausstoß nehme deutlich ab. Carsharing-Firmen, die nicht den großen Autoherstellern gehören, sollten bei der Einführung von Elektroautos unterstützt werden, forderte Lottsiepen. Das Bundesumweltministerium will das Öko-Institut mit weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen beauftragen, um mehr Klarheit über die Umweltaspekte des Autoteilens zu bekommen.

Carsharing kann auch zu mehr Leben auf der Straße führen: Je nach Studie ersetzt ein geteiltes Auto acht bis 20 Privatwagen. Das spart Parkplätze – und der Straßenraum lässt sich menschenfreundlicher nutzen.  

Annette Jensen

www.vcd.org/themen/auto-umwelt/carsharing

fairkehr 5/2023