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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 6/2016

Wo drückt der Wanderschuh?

Wanderschuhe müssen in erster Linie perfekt sitzen und dem Terrain angemessen sein. Ein paar Hersteller haben auch nachhaltige, umweltfreundliche Produkte im Programm.

Foto: Safa/photocase.comKeine Wanderlust ohne solides Schuhwerk – am besten bequem, fair produziert, ohne giftige Inhaltsstoffe und langlebig.

Jeder Fuß ist anders – ein Wanderschuh, der bei dem einen perfekt sitzt, drückt und zwickt bei anderen. Da hilft nur eins: sich beraten lassen und verschiedene Modelle ausprobieren. An der Kasse landen sollte dann nicht das neueste, beliebteste oder am besten getestete Modell, sondern das bequemste.

Die erste Frage einer guten Kaufberatung lautet: Wie wollen Sie wandern? Für leichte Tageswanderungen mit kleinem Gepäck bei angenehmen Temperaturen braucht man anderes Schuhwerk als für mehrtägige Hüttenwanderungen oder hochalpine Gletschertouren.

Leder, Goretex – alles hat Tücken

Wer auf ökofaire Kleidung ohne Schadstoffe Wert legt, hat es bei Schuhen immer noch schwer. 2012 fand die Zeitschrift Ökotest in neun von zehn getesteten Modellen unterschiedlicher Firmen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Chrom. PAK kommen in Kunststoffen vor, zum Beispiel in der Sohle, Chrom stammt aus der Ledergerbung. Beide gelten als krebserregend. Viele Wanderschuhe haben auch atmungsaktive Membranen wie Goretex. In diesen stecken Perfluorcarbone (PFC), ebenfalls giftig und krebserregend. Sie verteilen sich über Feinstaub und den globalen Wasserkreislauf bis in die entlegendsten Gegenden der Welt, wie Greenpeace in einer Studie 2015 festgestellt hat. Weil sie nicht abgebaut werden können, reichern sie sich in der Natur und über die Nahrungskette in unseren Körpern an. Aber es tut sich was: „Der Trend geht bei Wanderschuhen zurück zu Lederfutter ohne Goretex – nicht unbedingt zum Umweltschutz, sondern wegen des angenehmeren Fußklimas. Da hat sich die Goretex-Membran als nicht besonders tauglich erwiesen“, sagt Matthias Ziegenbalg, der im unabhängigen Outdoorladen Steppenwolf in Bonn arbeitet. Durch und durch nachhaltige Wanderschuhe gibt es seiner Meinung nach noch nicht. Doch ein paar Firmen gehen in die richtige Richtung .

Zum Beispiel Meindl: Das Unternehmen fertigt seine Wanderschuhe noch größtenteils in Deutschland – im oberbayerischen Kirchanschöring. „Außerdem lassen sich die Wanderschuhe neu besohlen – das ist mittlerweile leider nicht mehr Standard“, sagt Ziegenbalg. Meindl hat eine neue Serie „Identity“. Bei diesen Modellen können Kunden das Leder bis zum Rind zurückverfolgen. In der Schuhzunge ist eine Nummer eingeprägt, die man auf der Internetseite identity-leder.de eingeben und den Produktionsprozess einsehen kann. Das zertifizierte „Terracare Zero“-Leder stammt aus der nordrhein-westfälischen Gerberei Joseph Heinen, die es CO2-neutral und schadstoffarm herstellt.

Gibts das auch bio und vegan?

Hanwag hat als erster Berg- und Trekkingschuh-Hersteller das „Terracare Zero“-Leder bezogen und verwendet es für etwa 20 Schuhmodelle. „Hanwag finde ich vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit: Sie haben hochwertige, langlebige Modelle – natürlich auch wiederbesohlbar“, sagt Wanderschuhexperte Ziegenbalg. Drei Modelle mit recyclebarer Sohle schustert Hanwag sogar aus Leder von Biorindern. „Das Leder ist ein Bioprodukt, aber die drei neuen Schuhe sind keine echten Ökoprodukte – noch nicht!“, schreibt das Unternehmen dazu im Nachhaltigkeitsstatement auf seiner Internetseite. „Zu viele Bestandteile und Verfahren in der Herstellung hochwertiger Bergstiefel gibt es noch nicht in ‚grün‘. Wir arbeiten intensiv an den nächsten Schritten.“

Bioleder garantiert zwar das Tierwohl. Das geht manchen Menschen aber nicht weit genug. Viele Veganer wollen in allen Bereichen ohne tierische Produkte leben. „Eine Kollegin von mir hat lange recherchiert, bis sie einen veganen Wanderschuh gefunden hat“, sagt Ziegenbalg. Das Problem ist dabei nicht Obermaterial oder Futter, sondern der Kleber. Kaum ein Hersteller macht Aussagen darüber, ob der verwendete Kleber ohne tierische Produkte hergestellt wurde. Das Modell „Inox“ von Lowa ist streng vegan, allerdings hat es eine Goretex-Membran und lässt sich nicht wiederbesohlen.

Die richtige Pflege

Stehen die Wanderschuhe im Schrank, kann jeder selbst etwas für den Umweltschutz tun: mit der richtigen Pflege. Bei Imprägniersprays sollte man unbedingt darauf achten, dass sie PFC-frei sind. „Wanderschuhe mit dem Obermaterial Leder bitte niemals ölen oder fetten, sondern wachsen“, rät Experte Christoph Ziegenbalg. Umweltfreundliche Pflegeprodukte bietet eine kleine Firma aus Neuss: Fibertec. Ihre Pflegeserie „Green Line“ ist PFC-frei und nach dem „bluesign“-Standard zertifiziert – einem Siegel für die nachhaltige Herstellung von Textilien.

Auch in Sachen Komfort kann man noch einiges selbst richten: „Mindestens so wichtig wie das passende Modell sind gute Wandersocken“, sagt Matthias Ziegenbalg. Den größten Fehler macht man mit Baumwollsocken – die sind nicht zum Wandern geeignet. Es sollten Wollsocken sein. Spezielle Wandersocken sind an den wichtigen Stellen gepolstert. Man sollte sie am besten in den Schuhen testen und die Polsterung nicht zu dick wählen, damit ausreichend Spielraum für die Zehen bleibt. Der Experte rät zu einem hohen Anteil an Merinowolle. Die sorge im Vergleich zur Schurwolle für ein noch angenehmeres Fußklima. Der führende Hersteller heißt „Smartwool“ aus den USA. Über Öko- und Sozialstandards oder die Haltung der Schafe findet man als Käufer nichts. Es bleibt viel zu tun.

Valeska Zepp

fairkehr 5/2023