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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 6/2016

Um die Ecke wandern

„Wir müssten uns regelmäßig zum Wandern treffen. Am besten direkt vor der Haustür. Egal in welcher Jahreszeit“: Aus dieser Idee vor zehn Jahren ist ein Wanderprinzip entstanden.

Foto: Peter Eckert/iStockphoto.comFachwerkhäuser an Bächen und Flüssen, wie hier an der Wupper, prägen noch immer das Bergische Land.
Foto: eurotravel/iStockphoto.com
Foto: MCS-Photography/iStockphoto.comDer Wupperweg führt 125 Kilometer am Fluss entlang, vorbei an der höchsten
Eisenbahnbrücke Deutschlands, der Müngstener Brücke, 107 Meter über der Wupper.

So sieht‘s aus

Unser Glück war der faszinierend einfache Startplan. Sonst wäre die Initiative zu einem regelmäßigen Wandertreff vielleicht auch in meinem Freundeskreis im Stapel „gut gedacht, aber unvollendet“ gelandet. Der Plan, entstanden vor zehn Jahren im Bergischen Land: Wir bewältigen Fernwanderwege nicht am Stück, sondern legen etwa alle sechs Wochen eine Tagestour zurück, Start jeweils am Endpunkt der vorigen Etappe. Das müsste machbar sein. Als Erstes wählten wir den Wupperweg. Der führt 125 Kilometer entlang des Flusses, der bei uns im Bergischen eine echte Berühmtheit ist. Die Strecke vom Quellgebiet bis zur Mündung war für uns alle trotzdem ein Aufbruch ins Unbekannte. Wir starteten im Sommer. Bei Schneetreiben kreuzten wir den Fluss in Solingen. Im darauffolgenden Jahr stießen wir zum Schluss am Rheinufer mit Sekt auf den Fluss, seine Landschaften und natürlich auch auf unsere gute Idee an.

Das ist die Planung

Seither organisieren wir jedes Jahr zehn Tagestouren. Manchmal kommen nur fünf Freunde mit, ein anderes Mal sind es 15 Mitläufer. Am Ende des Jahres planen wir die Strecke fürs Folgejahr. Die Kerntruppe hat sich seit dem ersten Mal kaum verändert. Manchmal sind neue Freunde mitgewandert, einige von ihnen sind dann dabeigeblieben. Draußen sein, die Landschaft erleben und das Wetter spüren, gute Gespräche führen – das alles macht immer noch Spaß. In letzter Zeit finden sich überraschend viele 60-Jährige unter uns, während des Laufens sind wir eben alle älter geworden.

Besonderer Genuss

Strecken von zwölf Kilometern Länge erscheinen meiner Gruppe ideal. Da musste ich, weitwandergeübt und leistungsbetont, erst einmal schlucken. Statt mit Ehrgeiz nach oben zu streben, schlendern wir langsam bergan. An Bänken oder Baumstämmen mit Panoramablick wird auch im Winter schon nach einer Stunde unterwegs die erste Pause ausgerufen. Dann werden die Butterbrote ausgepackt, Kekse und Nussmischungen herumgereicht. Ein echter Erfolg ist der Wandertag, wenn wir am Ende ein Café finden, das hausgemachten Kuchen anpreist. Trotzdem sind wir kein Trupp von Weicheiern! Ob Hitze, Nässe oder Kälte: Am Wandertermin kneift niemand. Mehr als einmal sind wir stundenlang bei Regen gut gelaunt über die Wege gestapft. Wir erfreuten uns an zuberhaften Schneelandschaften oder an dem kalten Wind der Herbststürme.

Die kleinen Attraktionen

Seit dem Start der Wanderinitiative habe ich überraschend viele idyllische Bachtäler, Talsperren und Waldgebiete im Bergischen Land kennengelernt. Auch das Altdeutsche Schwarzbunte Niederungsrind sieht man dort immer noch häufig – in anderen Regionen ist der Bestand dieser langlebigen, genügsamen Hausrind-Rasse gefährdet. Die schwarzbunten Kühe geben schlicht weniger Milch als ihre schwarzweißen Holstein-Rind-Kolleginnen. Wir haben den 70 Kilometer langen Klingenpfad rund um Solingen absolviert, dessen Name an die seit dem Mittelalter in ganz Europa gerühmte Solinger Schneidwarenindustrie erinnert. Dabei entdeckten wir die historische Gesenkschmiede Hendrichs aus dem Jahr 1896 – heute ein Museum, in dem der alte Schmiedehammer noch immer mit Getöse Scherenrohlinge schlägt. Dass es in Leichlingen ein großes Obstanbaugebiet gibt, weiß ich erst, seit jemand den Leichlinger Obstweg als Tourenziel vorschlug, der über den Lebensraum Obstwiese und alte Sorten informiert und an Hofläden, einer Imkerei und einer Pilzzucht vorbeiführt. Ebenfalls empfehlenswert: der Böll-Weg bei Much. Hier lebte der Schriftsteller mit seiner Frau am Ende des Zweiten Weltkriegs. Wenn es passt, lernen wir beim Laufen gern dazu.

Immer wieder sonntags

Unlängst drohte unsere schöne Initiative einzuschlafen. Na klar, man ahnt es. Es sind immer dieselben, die organisieren. Selbst die Engagiertesten werden irgendwann müde. Dann fiel einem Freund eine neue, schön lange Streckenwanderung in der Gegend ein. Seitdem trifft man uns bevorzugt an einem Sonntag auf dem Bergischen Weg. Startpunkt war Essen. Ich freue mich schon, wenn wir demnächst in Gräfraths historischem bergischen Ortskern vor dampfenden Kaffeetassen sitzen. 2018 planen wir ganz entspannt den Zieleinlauf in Königswinter bei Bonn. Dort soll der Grill angeschmissen und kühles Kölsch gereicht werden.

Elke Hoffmann

So funktioniert‘s

  • Bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit laufen. Wandertermine ein Jahr im Voraus festlegen und in den Kalender eintragen
  • Tourenleiter für die Termine finden, die kurz vorher über Treff- und Endpunkt der Wanderung informieren
  • Streckentouren oder Rundwege in erreichbarer Nähe recherchieren
  • Wanderstrecke in genussfreundliche Häppchen aufteilen. Idealerweise im Café enden
  • Viele VCD-Gruppen vor Ort bieten Wandertouren an, nachfragen lohnt sich

fairkehr 5/2023