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Politik 6/2016

Schifffahrt bald weniger dreckig

Die Internationale Maritimorganisation hat die Standards für gesundheitsschädliche Schiffsabgase verschärft. Beim Klimaschutz geht es allerdings nicht voran.

Foto: Christian OeserSeit 2015 gelten auf Nord- und Ostsee scharfe Abgasstandards für Schiffe. International nähert man sich dem nun an.

Ähnlich behäbig wie die stählernen Riesen über die Weltmeere dieseln, gehen auch die Entscheidungsprozesse bei der UN-Schifffahrtsorganisation IMO voran. Acht Jahre hat es gedauert, die Grenzwerte für giftiges Schwefeloxid in den Schiffstreibstoffen zu verschärfen. Bis die Regelung gilt, werden zwölf Jahre vergangen sein.

Bei einer IMO-Versammlung Anfang Oktober in London einigten sich die 171 Mitgliedsstaaten darauf, den Schwefelgehalt in Treibstoffen ab 2020 zu reduzieren. Derzeit dürfen Schiffe – außerhalb von Umweltzonen wie Nord- und Ostsee – mit Schweröl fahren. Dieser schmutzige Treibstoff darf bis zu 3,5 Prozent Schwefeloxid (SOx) enthalten. Das ist 3500-mal mehr, als Diesel-Autos in der EU ausstoßen dürfen. Der neue weltweite Grenzwert liegt bei 0,5 Prozent SOx. Schwefeloxid kann zum Tod durch Atemwegserkrankungen führen. „Die neue Regelung wird zwischen 2020 und 2025 mindestens 200000 Leben retten. Das ist eine historische Entscheidung, und es war ein harter Kampf, sie durchzusetzen“, sagt Faig Abbasov, Schifffahrtsreferent bei Transport and Environment (T&E), dem europäischen Dachverband der Umwelt- und Verkehrsverbände.

Der Reederverband BIMCO hatte sich dafür eingesetzt, dass der Grenzwert erst 2025 verschärft wird. Das Argument: Es gäbe nicht ausreichend Marinediesel mit maximal 0,5 Prozent SOx-Gehalt. Eine IMO-Studie, die diese Knappheit an Marinediesel widerlegt, bezeichnete der stellvertretende BIMCO-Generalsekretär Lars Robert Pedersen als „fehlerhaft“.

Wenn Schiffe mit Marinediesel statt mit billigerem Schweröl fahren, steigen die Transportkosten für Waren. Umgerechnet auf die riesigen Mengen transportierter Güter ist der Anstieg jedoch gering – ein Paar Schuhe würde beispielsweise drei Euro-Cent mehr kosten.

Der neue SOx-Grenzwert liegt immer noch 500-mal höher als beim Diesel-Pkw. T&E fordert eine weitere Verschärfung und setzt sich für einen Grenzwert von 0,1 Prozent ein, wie er bereits auf Nord- und Ostsee gilt.

Kommt der Emissionshandel für Schiffe?

Während sich bei den Abgasgrenzwerten also etwas bewegt, spielt die IMO beim Klimaschutz auf Zeit: Aktuell gibt es lediglich einen Effizienzstandard für Schiffe, der stufenweise verschärft wird. Ambitioniert ist der im Vergleich zum technisch Machbaren aber nicht. Eine Studie des Forschungsinstituts CE Delft belegt, dass moderne Schiffe bereits die Standards für 2020 einhalten. Laut T&E vertagte die IMO die Entscheidung darüber, den Standard für 2025 bereits 2022 anzuwenden, auf Ende nächsten Jahres – obwohl die Mehrheit der Mitgliedstaaten für den Antrag votierte.

Die Entwicklung eines marktbasierten Instruments, um den CO2-Ausstoß in der Schifffahrt zu reduzieren, ­hatte die IMO 2011 unterbrochen. Eine solche Maßnahme – beispielsweise ein Emissionshandelssystem – könnte Unternehmen einen finanziellen Anreiz bieten, ihren Treibhausgasausstoß zu senken. Künftig sollen Reedereien den Spritverbrauch ihrer Schiffe erfassen und der IMO melden. Ab 2023 soll mit Hilfe dieser Daten neu über eine marktbasierte Maßnahme verhandelt werden. „Selbst wenn die IMO und ihre Mitglieder sich 2023 wundersamerweise auf eine globale Klimaschutzmaßnahme für die internationale Schifffahrt einigen – vor dem Hintergrund des Regierungswechsels in den USA eine Herausforderung – wird es danach noch Jahre dauern, bis das Instrument eingeführt ist“, so Abbasov von T&E. Die Schifffahrt dürfe keinen Freifahrtschein bekommen, während andere Sektoren ihre CO2-Emissionen senkten.

EU-Kommission und Parlament überlegen, die Schifffahrt von und zu europäischen Häfen in ihr Emissionshandelssystem einzubeziehen. Laut T&E könnte das die IMO veranlassen, schneller Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Denn dass die IMO jetzt den Treibstoffverbrauch von Schiffen erhebt, ist eine Reaktion darauf, dass zuvor die EU eine solche Datenbank eingeführt hat.

Benjamin Kühne

fairkehr 5/2023