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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 5/2016

Nachfrage nach grüner Logistik wächst

Katharina Tomoff, Nachhaltigkeitsverantwortliche bei der Deutschen Post DHL Group, über die Chancen, die Klimafolgen des weltweiten Frachtverkehrs zu begrenzen.

Foto: DPDHLKatharina Tomoff ist Leiterin des globalen Umweltschutzprogramms GoGreen bei der Deutschen Post DHL Group.

fairkehr: Frau Tomoff, bis 2050 produziert der weltgrößte Logistiker Deutsche Post DHL Group keine Treibhausgase mehr – wie realistisch ist diese Vorstellung?
Katharina Tomoff: Die Vorstellung ist nicht besonders realistisch, aber erstrebenswert. Wir würden das gern schaffen und haben uns deshalb gerade damit beschäftigt. Doch bei dem, was technisch momentan verfügbar ist, existiert noch eine riesige Lücke zwischen Realität und Wunsch.

Was müsste passieren?
Bei uns sind die Emissionen durch den Flugverkehr mit Abstand am höchsten. In dem Bereich brauchen wir Alternativen: E-Flugzeuge, was noch futuristisch ist, oder nachhaltige Biokraftstoffe, die in Mengen verfügbar sind, die wirklich das Kerosin ersetzen können – ohne dass man in eine „Lebensmittel versus Tank“-Debatte kommt oder in Malaysia nur noch Palmölplantagen stehen statt Urwald. Es bräuchte beispielsweise Methoden, mit denen man aus CO2 Biokraftstoffe herstellen kann.

Das wird noch dauern.
Wir haben große Teile unserer Flugzeugflotte erneuert, außerdem sind unsere Flugzeuge überdurchschnittlich gut ausgelastet. Geschätzt kann man dadurch etwa 30 Prozent Reduktion holen, durch sauberere Kraftstoffe vielleicht noch einmal ein Drittel. Aber um wirklich auf null CO2 zu kommen, fehlen technische Innovationen.

Die Deutsche Post DHL will ihre gesamten CO2-Emissionen um 30 Prozent bis 2020 reduzieren. Wo stehen Sie heute, knapp zehn Jahre nach der Einführung des Nachhaltigkeitsprogramms GoGreen?
Wir sind jetzt bei 25 Prozent und sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel bis 2020 schaffen.

Wie gehen Sie das an?
Wir haben das Leitmotiv „Burn less, burn clean“. Das heißt, wir versuchen erst einmal weniger zu emittieren, beispielsweise durch Routenoptimierung – und in einem zweiten Schritt alternative Antriebe und Treibstoffe zu fördern. Für unsere Kunden gestalten wir die Lieferketten so um, dass sie aus CO2- und Energiekosten-Gesichtspunkten optimiert sind. Was die Bereiche betrifft, in denen wir mit Subunternehmern zusammenarbeiten – beispielsweise bei einem Teil der Luftfracht und der kompletten Seefracht – so werden diese unter anderem anhand grüner Kriterien ausgewählt.

Es würde auch CO2 sparen, Luftfracht mit der Bahn transportieren zu lassen.

Zeitkritische Luftfracht werden wir nie vollständig auf die Schiene bekommen. Was aber gut funktioniert und was wir auch anbieten, sind Kombiprodukte. Manchmal muss die Fracht aus Hongkong nicht innerhalb von zwei Tagen in New York sein – sechs Wochen mit dem Schiff wären allerdings zu lang. In unseren Kombiprodukten teilen wir intelligent auf, welcher Teil geflogen wird und welche Strecken mit dem Schiff, mit der Bahn und auf der Straße zurückgelegt werden.

Ist die Nachfrage Ihrer Frachtkunden, die Lieferketten umweltfreundlicher gestalten zu lassen, in den letzten Jahren mehr geworden?

Ja – und zum Teil auch dezidierter.

Hat das ökonomische oder ökologische Gründe?
Beides. Es gibt Kunden, die sehen in erster Linie die finanziellen Vorteile oder sie brauchen die Einsparungen für ihre eigenen CO2-Ziele. Anderen wiederum ist es wirklich wichtig, dass sie ihre CO2-Einsparungen auch darstellen können, sie werben damit. Das gilt vor allem für Unternehmen, die Verbrauchsgüter produzieren. Sie möchten ihren Kunden sagen können: Wir haben – als Beispiel – das Kleidungsstück grün transportiert.

Nicht nur für Luft- und Seefracht, auch für Straßentransporte müssen Sie auf Subunternehmer zurückgreifen. Wie stellen Sie sicher, dass die klimaschonend unterwegs sind?
In Asien haben wir mit verschiedenen Kunden, Subunternehmern und auch Wettbewerbern ein unabhängiges Siegel etabliert: Green Freight Asia, das für den Straßentransport gilt. In Europa sind wir da noch dran. Wir geben noch nicht auf.

Wie funktioniert das Siegel?

Es ist ein unternehmensneutrales vierstufiges Label für die Logistik, ähnlich bildhaft wie die Energieeffizienzkennzeichnung für Elektrogeräte. Die CO2-Emissionen werden nach einem einheitlichen Standard berechnet und die Unternehmen werden je nach ihrem Umweltengagement klassifiziert:  Wer Mindestkriterien erfüllt, erhält ein Siegel mit einem grünen Blatt, vier Blätter kennzeichnen einen Nachhaltigkeits-Vorreiter.

Profitieren von Green Freight alle Beteiligten?
Durch das Siegel ist es sowohl uns Logistikern als auch unseren Frachtkunden erstmals möglich, auszuwählen und zu sagen: Ich nehme nur noch Green-Freight-zertifizierte Subunternehmer. Der Subunternehmer auf der anderen Seite weiß, wie er sich einordnen kann, und wenn er gut ist, wird das belohnt. Außerdem bringt das System vor allem kleinen und mittleren Unternehmern Vorteile, die sich kein eigenes Carbon-Accounting-System leisten können.

Welche Hebel müssen Sie ziehen, damit Sie in Europa so etwas etablieren könnten?
Das ist im Prinzip eine Industrie-Initiative. Allerdings dürfte man nicht länger darauf warten, dass der andere den ersten Schritt macht: Wir würden ja handeln, wenn die Politik würde, und die Politik würde, wenn die Wirtschaft würde, und die Kunden würden, wenn die Unternehmen würden. Da kann man nur sagen: Die größten europäischen Logistiker, fünf Kunden, ein paar Subunternehmer, eine NGO, ein neutraler Berater, vielleicht jemand von der EU – lasst uns zusammenkommen und das auf die Beine stellen. Das versuchen wir jedenfalls.

Zum Schluss dürfen Sie ein bisschen träumen: Wie wünschen Sie sich den Güterverkehr im Jahr 2050?
Ich hoffe, dass wir nicht mehr nur eine lineare Wertschöpfung haben, in der Kunden etwas kaufen und dann wegwerfen. Sondern dass es eine Kreislaufwirtschaft gibt, die wir als Logistiker ermöglichen, zum Beispiel indem wir wissen, wann wo etwas gebraucht wird, und das liefern können. Unsere Rolle könnte da sehr groß sein. Unsere E-Fahrzeuge gibt es überall auf der Welt. In allen Städten werden Post und Waren komplett CO2-frei zugestellt, durch unsere E-Fahrzeuge, unsere Pedelecs, Fahrräder und Fußgänger. Kunden könnten sicher sein: Wenn sie Deutsche Post DHL Group wählen, ist das eine Null-Emissions-Logistik.

Interview: Kirsten Lange,
Valeska Zepp

Mehr Infos über das Umweltschutzprogramm GoGreen
Mehr über das Green-Freight-Siegel: www.greenfreightasia.org

fairkehr 5/2023