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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 5/2016

Gut, besser, Bahn

Das Umweltbundesamt hat eine Studie zum klimaneutralen Güterverkehr veröffentlicht. Die Empfehlungen sind ambitionierter als die Pläne des Bundesverkehrsministeriums.

Foto: Uwe Miethe/Deutsche Bahn AGVom Containerterminal Burchardkai im Hamburger Hafen werden Güter direkt mit der Bahn abtransportiert.
Foto: www.siemens.com/presseNördlich von Berlin testet Siemens die Alltagstauglichkeit seiner Oberleitungs-Hybrid-Lkw. Sie können ein wichtiger Baustein des klimaneutralen Güterverkehrs werden.

Am 1. Juni 2016 haben die Schweizer den Gotthard-Basistunnel – den längsten Eisenbahntunnel der Welt – nach 17 Jahren Bauzeit eröffnet. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen aus Frankreich und Italien, François Hollande und Matteo Renzi, zur Einweihungsfahrt in die Schweiz reisten, zeigt die Bedeutung des Bauwerks. Als Teil der Strecke von Rotterdam nach Genua, die zwei der größten Häfen Europas verbindet, ist der 57 Kilometer lange Tunnel für den Güterverkehr besonders wichtig. Doch der Ausbau der deutschen Zulaufstrecke von Karlsruhe nach Basel wird nicht vor 2035 fertig. Das hat Symbolcharakter: Die Modernisierung des Güterverkehrs geht hierzulande nur schleppend voran.

Der Güterverkehr in Deutschland wächst rasant. Erfüllen sich die Prognosen des Umweltbundesamtes (UBA), wird es im Jahr 2050 75 Prozent mehr Güterverkehr geben als noch 2005. Dadurch steigt auch die Belastung für Mensch und Umwelt durch Treibhausgase, Schadstoffe und Lärm. Im Güterverkehr gilt es als schwierig, die Emissionen zu reduzieren. Während sich Elektroautos vor allem wegen der kurzen Reichweite der aktuellen Batterien nicht durchsetzen, sind lange Fahrten mit tonnenschweren Lkw mit batterieelektrischem Antrieb zurzeit undenkbar. Wie Gütertransporte umweltverträglich werden können, hat das UBA in der Studie „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050“ untersucht.

„Unsere Studien zeigen: Die Kernelemente für einen treibhausgasneutralen Güterverkehr sind die konsequente Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sowie eine Verkehrswende hin zu postfossilen Antrieben und Kraftstoffen – und zwar bei allen Verkehrsträgern“, sagt Martin Schmied, Abteilungsleiter für Verkehr, Lärm und Raumentwicklung beim UBA. Die Studie zeigt: Die Klimawirkung des inländischen Güterverkehrs kann um mehr als 80 Prozent reduziert werden.

Bahn frei für lange Güterzüge

Laut UBA kann der Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Güterverkehr bis 2030 um etwa fünf Prozentpunkte auf 23,4 Prozent wachsen – wenn die Politik entsprechende Anreize schafft. Die Experten des Amtes empfehlen eine Reform der Lkw-Maut: Sie soll auf allen Straßen gelten – bislang ist sie nur auf Autobahnen und wenigen Bundesstraßen fällig. Zudem soll die Abgabe auf leichte Transportfahrzeuge ausgeweitet werden und externe Kosten sollen eingepreist werden. Lkw, die große Mengen Schadstoffe in die Luft blasen oder durch ein sehr hohes Gewicht Straßenschäden verursachen, sollen besonders viel zahlen. So entsteht für Transportunternehmen ein ökonomischer Anreiz, Güter auf die Schiene zu verlagern und saubere, verbrauchsarme Fahrzeuge anzuschaffen. Der Bund soll die gesteigerten Einnahmen aus der Lkw-Maut in nachhaltige Güterverkehrsinfrastruktur – auch in die Schiene – investieren.

Einseitig bevorzugen will das UBA die Bahn allerdings nicht. Auch die Trassenpreise, die Bahnunternehmen für die Nutzung der Schienen zahlen, sollen stärker nach Umweltkriterien wie der Quelle des Bahnstroms oder den Lärmemissionen differenziert werden.

Weitere fünf Prozentpunkte des Güterverkehrs auf die Schiene zu verlagern klingt nach einer moderaten Steigerung. Da der Güterverkehr aber gleichzeitig wächst, würde die Verkehrsleistung auf der Schiene bis 2030 um etwa 70 Prozent im Vergleich zu heute wachsen. Daher ist ein Ausbau der Schieneninfrastruktur erforderlich. „Wir brauchen mehr Anlagen, um Güter vom Lkw auf die Bahn zu verladen, und es müssen Kapazitätsengpässe im Schienennetz – vor allem an den Knoten – reduziert werden“, fordert der VCD-Vorsitzende Michael Ziesak. Zudem plädiert der VCD dafür, das Schienennetz für längere Züge auszubauen. „Die Bahn muss geeignete Signalanlagen und längere Ausweichstellen bauen, um Züge auf einspurigen Strecken aneinander vorbeizuführen“, so Ziesak. Längere Züge haben mehr Transportkapazität, sind energieeffizienter und machen Transporte billiger. In Frankreich sollen 2018 bis zu 1,5 Kilometer lange Züge fahren.

Die Pläne des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) sind nicht diametral anders als die UBA-Empfehlungen oder die VCD-Forderungen, aber weniger ambitioniert. Auch das Ministerium möchte den kombinierten Verkehr – die Verlagerung von Gütertransporten auf Bahn und Binnenschiff – fördern und das Schienennetz für längere Züge ausbauen.

Ob das BMVI seine Ankündigung auch wahr macht, steht auf einem anderen Blatt. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) hat der Bund festgeschrieben, in welche Projekte für Verkehrsinfrastruktur er sein Geld in den kommenden anderthalb Jahrzehnten investieren möchte. Zwar wurden die Mittel für den Ausbau des Schienennetzes erhöht, der Straßenbau wird aber weiter bevorzugt. Die Deutsche Bahn hat zum Ausbau des Schienennetzes für 740 Meter lange Güterzüge 109 Maßnahmen zum BVWP angemeldet. Das Verkehrsministerium hat die Vorschläge der Bahn allerdings als „weiteren Bedarf“ eingestuft. Andere Bauprojekte haben Vorrang. „Das Geld wird nicht reichen. Der Ausbau der Verkehrsknoten und der Strecken für 740-Meter-Züge wird wahrscheinlich nicht erfolgen“, so Michael Ziesak.

Wenn ein Bahnprojekt in den BVWP aufgenommen wird, heißt das nicht, dass es auch schnell fertig wird. Der Ausbau der Hinterlandanbindung der Häfen Bremerhaven und Hamburg in Richtung Hannover ist im BVWP 2030 zwar vorgesehen, mit einem Baubeginn rechnet die Bahn aber erst in der ersten Hälfte des kommenden Jahrzehnts.

Elektrisch über Straßen rollen

Da man nicht alle Güter auf die Schiene verlagern kann und für den Transport von der Fabrikhalle zum Güterbahnhof auch in Zukunft Lastwagen einsetzen wird, muss der Straßengüterverkehr möglichst sauber werden. Chancen sieht das UBA in Oberleitungs-Hybrid-Lkws und strombasierten Kraftstoffen. Für Oberleitungs-Lkw werden auf den wichtigsten Autobahnen Stromleitungen über die rechte Spur gebaut. Die Lkw beziehen Strom – wie die Bahn – aus den Leitungen und fahren elektrisch. Wenn sie die Autobahn verlassen, nutzen sie einen Verbrennungsmotor.

Bei strombasierten Kraftstoffen werden mit elektrischer Energie flüssige (Power to Liquid) oder gasförmige Kraftstoffe (Power to Gas) produziert, die dann in Motoren verbrannt werden können. Diese Kraftstoffe bieten sich auch in der Schiff- und Luftfahrt an. Der Energieverlust bei der Transformation des Stroms in die Brennstoffe ist allerdings hoch. Daher kann die Technologie nur dann CO2-sparend eingesetzt werden, wenn es ausreichende Mengen sauberer Energie gibt. Momentan bieten sich Modellversuche an, in denen überschüssiger Strom genutzt wird, den Windkraftanlagen nachts produzieren.

Beim Straßengüterverkehr setzt das BMVI auf Erdgas und Diesel als Brückentechnologien. Auch die Ausweitung der Lkw-Maut hat das Ministerium vorangetrieben. Ab 2018 wird sie auf allen Bundesstraßen fällig. Allerdings zahlen nur Lkw ab 7,5 Tonnen. Leichte Nutzfahrzeuge, die 62 Prozent des Straßengüterverkehrs ausmachen, bleiben ausgenommen. Zudem läuft ein Feldversuch mit Gigalinern. Diese überlangen Fahrzeuge sind laut BMVI ökonomisch und ökologisch etwas effizienter als herkömmliche Lastwagen, da zwei Gigaliner drei normale Lkw ersetzen sollen. Aber sie haben auch einige Nachteile: Weder Tunnel, Kreisverkehre, Kreuzungen noch Bahnübergänge sind für die langen Fahrzeuge ausgelegt, und durch ihr hohes Gewicht verlängern sich ihre Bremswege. Dadurch steigt die Unfallgefahr. „Wenn das Bundesverkehrsministerium die Einführung von Gigalinern durchsetzt, werden Transporte auf der Straße noch billiger. Das ist schlecht für Mensch und Umwelt. Denn das Verkehrsaufkommen wird steigen und Transporte werden von der sauberen Bahn auf gefährliche Monstertrucks verlagert“, warnt Ziesak.

Insgesamt tut das Ministerium zu wenig für die Verkehrswende im Güterverkehr. Oder wie es Martin Schmied aus dem UBA formuliert: „Um Deutschlands Klimaziele zu erreichen, muss der Güterverkehr in Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null reduzieren. Das erreicht man nicht mit zwei, drei Maßnahmen.“ Abhilfe könnte eine ressortübergreifende Güterverkehrsstrategie schaffen, bei der sich die Vertreter aus den Ministerien für Verkehr, Umwelt und dem Wirtschafts- und Energieministerium absprechen. Denn in Zeiten von Klimawandel und Energiewende muss Güterverkehr mehr sein als Lasterfahren für das Wirtschaftswachstum.

Benjamin Kühne

fairkehr 5/2023