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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 5/2016

Höher, schneller, weiter

fairkehr erklärt, warum Transportfahrrädern die Zukunft gehört, und stellt Neuigkeiten vor.

Foto: HerstellerDie neuen Singlespeed-Räder mit E-Motor sind schnell, leicht und kaum noch als Elektrofahrrad erkennbar.

Im Jahr 2015 rollten über zwei Milli-onen Fahrräder mit Elektromotoren auf deutschen Radwegen. Dieses Jahr wird noch einmal eine halbe Million hinzukommen. Ein Boom, der die Hersteller zu vielen technischen Neuentwicklungen antreibt. Dabei haben sie vor allem die Motoren, die Steuerung und das Gewicht der Räder im Blick.

Wer über E-Bikes spricht, meint meist die Pedelecs, bei denen die Motorunterstützung bei 25 km/h abschaltet. Ihr Marktanteil liegt bei 95 Prozent. Der Rest entfällt auf die schnellere Version, das S-Pedelec mit Unterstützung bis 45 km/h.

Welcher Motor soll es sein?

Als Standard beim Antrieb hat sich der Mittelmotor durchgesetzt. Weit abgeschlagen auf Platz zwei liegen E-Bikes mit Hinterradmotoren. Die Vorderradmotoren gibt es nur noch bei sehr preiswerten Modellen und bei Spezialrädern.

Für den Mittelmotor sprechen seine kleine Baugröße, der Betrieb in einem energieeffizienten Drehzahlbereich, die günstige Schwerpunktlage im Fahrradrahmen und die freie Wahl der Gangschaltung: Sowohl Ketten- oder Nabenschaltung sind machbar. Bosch ist hier der unangefochtene Marktführer, momentan kommt kein Hersteller ohne dessen Antriebe aus. Allerdings wächst mit Panasonic, Brose, Shimano, Impulse und Yamaha Konkurrenz, die technisch auf Augenhöhe agiert. Der Schweizer Radhersteller Flyer nutzt beispielsweise Panasonic-Technik, Derby Cycle setzt auf Impulse. Neben technischen Details entscheidet der Service der Motorenhersteller über die Wahl des Antriebs. Denn die Werkstätten der Fahrradhändler können bei den E-Antrieben nur wenig selbst reparieren.

Foto: HerstellerHersteller Flyer setzt mit seiner T-Serie auf hohe Reichweiten für lange Touren.

Die Nachteile der Mittelmotoren: Das integrierte Getriebe macht sich mit ständigen Betriebsgeräuschen bemerkbar, und weil Muskel- und Motorkraft zusammen über Kette und die Zahnräder übertragen werden, verschleißen die deutlich schneller. Die Motorenhersteller reagieren darauf mit besseren Steuerungen: Die Motorkraft steigt sanfter an, Lastspitzen werden reduziert und bei Schaltvorgängen wird die Kraft reduziert oder kurz ausgesetzt. Parallel dazu gibt es spezielle E-Bike-Ketten, die den höheren Belastungen besser standhalten.

Hinterradmotoren punkten mit geringen Betriebsgeräuschen und weniger Verschleiß, weil sie in der Hinterradnabe das Hinterrad direkt antreiben. Ihre Unterstützung ist sehr direkt und kraftvoll. Allerdings können sie fast nur mit Kettenschaltungen kombiniert werden, wartungsarme Nabenschaltungen sind nicht möglich. Einzige Ausnahme sind die neuen Tretlagergetriebe von Pinion mit sechs, neun, zwölf oder 18 Gängen. Diese Lösung wird zunehmend angeboten.

Beim Bergauffahren mit langsamen Geschwindigkeiten und niedrigen Drehzahlen verbrauchen Hinterradmotoren viel Energie und werden schnell zu warm. Modernes Motormanagement schützt sie vor Schäden und Abschalten. Beim Fahren ohne Unterstützung oder oberhalb der Pedelec-Abschaltgrenze von 25 km/h ist im Gegensatz zum Mittelmotor ein leicht erhöhter Fahrwiderstand spürbar. Neue Wege gehen in diesem Bereich Go Swissdrive, aktuell der führende Hersteller von Hinterradmotoren, und der E-Bike-Hersteller Klever Mobility. Sie bieten eine minimale elektrische Unterstützung, die den erhöhten Fahrwiderstand ausgleicht.

E-Mountainbikes mit mehr Drehmoment

E-Mountainbikes erhöhen vor allem den Fahrspaß bergauf und bei Hindernissen. Dazu benötigen sie schon bei niedrigen Geschwindigkeiten kraftvolle Unterstützung. Außerdem muss die Motorunterstützung beim Druck aufs Pedal unmittelbar einsetzen. Auch wegen der besseren Schwerpunktlage setzt man bei ihnen auf Mittelmotoren. Hier gibt es ein Wettrüsten um die höchsten Drehmomente.

Mit ihren CX-Varianten bieten Bosch und Shimano spezielle Antriebe für das E-Mountainbike. Panasonic hat erstmals einen Elektroradantrieb mit Zweigang-Getriebe eingeführt. Die stärkeren Mountainbike-Antriebe sind für den normalen E-Biker allerdings nicht geeignet. Die unmittelbar einsetzende starke Unterstützung würde zu schnell beschleunigen und wäre deshalb gefährlich.

Das neue, smarte E-Bike ist leicht  

Das gute alte Fahrrad hat einen entscheidenden Vorteil: Es wiegt deutlich weniger als seine Geschwister mit Elektromotoren. Das Mehrgewicht des E-Antritts spielt beim Fahren zwar keine Rolle, aber spätestens beim Tragen merkt jeder den Gewichtsunterschied. Seit einiger Zeit gibt es einen neuen Trend, der sich am Rennrad und am Singlespeed ohne Gangschaltung orientiert: Das neue, smarte E-Bike soll kaum als Elektrorad erkennbar und sehr leicht sein.

Dafür müssen der Akku weniger Kapazität und der Motor weniger Kraft haben. Der Akku verschwindet unauffällig im Fahrradrahmen. Der Motor sitzt im Hinterrad und hat ein integriertes Getriebe, damit er klein und leicht bleibt. Ein Freilauf sorgt dafür, dass es keinen erhöhten Fahrwiderstand beim Fahren ohne Motorunterstützung gibt. Die Firmen Coboc, Freygeist und BH Bikes sind Vorreiter bei diesen leichten E-Bikes. Sie bieten zudem eine entsprechend sportliche Sitzhaltung.

In die gleiche Richtung zielen nachrüstbare Antriebe wie die von Sunstar, Pendix oder Relo. Sie leiten ihre Kraft über die Tretlagerwelle ein. Beim Copenhagen Wheel von Superpedestrian sitzen Motor, Akku und Steuerung im Hinterrad: Es wird einfach gegen das vorhandene ausgetauscht. Beim Nachrüsten geht die Produkthaftung für das neu entstandene E-Bike übrigens auf den Händler oder die Privatperson über, die den Umbau vornimmt.

Verschiedene Displayvarianten

Das Display hat längst mehr Funktionen als nur die Wahl des Unterstützungsgrades. Es ist zugleich Fahrradcomputer und immer häufiger Navigationsgerät. Bei elektrisch betätigter und bei automatischer Gangschaltung ist die Bedienung der Gangschaltung mit der Motorsteuerung verknüpft. Dann zeigt das Display den eingelegten Gang an. Automatische Schaltungen gibt es von Nuvinci mit der stufenlosen Harmony-Nabenschaltung, zusammen mit dem Antrieb von Bosch. Shimano bietet seit neuestem die elektrischen Naben- und Kettenschaltungen der Di2-Modelle zusammen mit dem E-Antrieb Steps an. Gleichzeitig existiert der gegenläufige Trend zum kleinen Display, das nur mit den wichtigsten Aufgaben ausgestattet ist – wie das Purion von Bosch. Bei anderen Antrieben übernimmt das eigene Smartphone auf einem Halter am Lenker die Funktion des Displays: Die Fahrer verbinden das Telefon per Bluetooth mit dem Antrieb.

Foto: HerstellerDisplays bieten viele Zusatzfunktionen wie die Navigation.

Steigende Akkukapazitäten

Wer ein E-Bike besitzt, ist im Durchschnitt häufiger unterwegs und fährt längere Strecken als Radfahrer ohne Elektromotor. Damit E-Biker seltener laden müssen, verbauen die Hersteller Akkus mit größeren Kapazitäten. Heute sind 400 bis 500 Wattstunden (Wh) Standard und 600 bis 700 Wh keine Seltenheit mehr. In der höchsten Unterstützungsstufe kommt man mit einem 500-Wh-Akku je nach Fahrergewicht, Topografie und Fahrweise etwa 50 Kilometer weit. Bosch bietet die Möglichkeit, den Motor aus zwei Akkus parallel zu speisen, so werden bis zu 1000 Wh erreicht. Bei längeren Touren ist dann kein Wechsel-Akku in der Packtasche mehr notwendig.

Ein Mehr an Kapazität bedeutet allerdings ein Mehr an Kosten. Der Akku ist das teuerste Teil am E-Bike. Er verschleißt durch das Aufladen und altert, selbst wenn er nicht genutzt wird. Wer einen neuen Akku kauft, muss je nach Kapazität mit Kosten zwischen 400 bis 900 Euro rechnen. Es bietet sich an, die am häufigsten gefahrenen Weglängen und danach die benötigte Akkugröße zu berechnen. Für Radler, die meist kürzere Strecken fahren,  reichen 400 Wh. Und falls der Akku doch mal leer sein sollte, kommt man immer noch mit eigener Muskelkraft nach Hause.

Zum Schluss noch ein Tipp für alle, die sich für Lithium-Ionen-Akkus entschieden haben: Sie sollten immer das Original-Ladegerät verwenden und ihren Akku nicht ständig leer fahren. Am besten ist es, nach jeder Fahrt neu aufzuladen. Das verlängert die Lebensdauer und spart noch einmal Geld.    

Peter Barzel

fairkehr 5/2023