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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 5/2016

#Volkswagening

Foto: Marcus GlogerMichael Adler, Chefredakteur

Haben Sie auch den sommerlich warmen September genossen? Ist doch ganz angenehm, so ein bisschen Klimaerwärmung. Klimaforscher schauen eher entsetzt auf den globalen Temperaturanstieg der letzten Jahre. 2016 liegt inklusive September erneut und diesmal deutlich über dem bisherigen Rekordjahr 2015.

Rückblende: Mitte September vor einem Jahr machte die US-Umweltbehörde EPA den VW-Skandal öffentlich. Anfang Dezember letzten Jahres beschloss der Weltklimagipfel in Paris das Zwei-Grad-Ziel. Dieses gilt unter Wissenschaftlern als die größtmögliche Erwärmung, deren Folgen noch mit vertretbaren Mitteln beherrscht werden können. Ein Erfolg der Klimadiplomatie.

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Der Umgang mit dem VW-Skandal in der deutschen Politik erklärt in großen Teilen, warum Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit ihrem Klimaschutzplan 2050 trotz Rückenwind aus Paris bei ihren Kabinettskollegen heftigen Widerstand erfuhr. Kein konkretes Klimaziel für 2030 blieb erhalten, als ob man den Klimaschutz jahrzehntelang aufschieben könnte. Das Wirtschaftsministerium schützt die Kohleindustrie. Wirtschaftsminister Gabriel und Verkehrsminister Dobrindt schützen zusammen die deutsche Autoindustrie und Landwirtschaftsminister Schmidt schützt die deutsche Fleischindustrie. Hendricks wollte die Umwelt und das Klima schützen. Da sie aber keine mächtigen Industrien ins Feld führen kann, die zigtausende von Arbeitsplätzen an einem Standort stellen, wurde ihr Plan im Kabinett gestutzt.

Welches Modell von Wirtschaftspolitik dem zugrunde liegt, zeigt in einem Artikel die Süddeutsche Zeitung am 30. September. Titel: „Mad (sic!) in Germany“. Dieser handelt davon, wie Auswärtiges Amt, Kanzleramt und die Fachministerien fieberhaft daran arbeiteten, die Marke „Made in Germany“ nicht durch das arrogante Krisenmanagement des VW-Konzerns beschädigen zu lassen. Wenn die Dachmarke des ganzen Landes in Gefahr ist, distanziert man sich auch mal von Volkswagen. Ansonsten ist die Absprache zwischen Regierung und Autobranche eng. EU-Grenzwerte für Abgase werden zu wesentlichen Teilen in München, Sindelfingen und Wolfsburg festgelegt. Die Bundesregierung trägt sie dann nach Brüssel.

Im Social Web hat sich nach dem Bekanntwerden des VW-Betrugs schnell der Hashtag #volkswagening etabliert. Er steht seitdem für Manipulationen, die ein Unternehmen mit Hilfe von betrügerischen Methoden ethisch und ökologisch sauber dastehen lassen.

Die Bundesregierung muss aufpassen, dass dieser Begriff nicht bald auf ihre Klimaschutzpolitik angewendet wird. Nach außen verkauft sich die Bundesregierung immer noch als Klima- und Umweltmeister. Aber Klimaschutz passt nicht mit dreckigem Kohlestrom und manipulierten fossilen „Volkswagen“ zusammen.

Die Marke „Made in Germany“ braucht einen Relaunch, wie Werber es formulieren. Will sagen, der gute Klang muss mit neuen, zeitgemäßen Inhalten gefüllt werden. Durch Milliardeninvestitionen in den Klimaschutz werden neue Leitindustrien mit zigtausenden von Arbeitsplätzen entstehen. Mit der derzeitigen Regierungspolitik holen wir sie nicht nach Deutschland.

Michael Adler

fairkehr 5/2023