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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

VCD aktiv 3/2016

Dem Lärm auf der Spur

Mit einem „Sound Walk“ macht der VCD Bremen am „Tag gegen Lärm“ auf falsche Stadt- und Verkehrsplanung aufmerksam.

Foto: VCD BremenMit einem „Sound Walk“ macht der VCD Bremen am „Tag gegen Lärm“ auf falsche Stadt- und Verkehrsplanung aufmerksam.

Ein heruntergekommener Wohnblock an einer viel befahrenen Hochstraße in der Bremer Bahnhofsvorstadt. Nur noch wenige Menschen leben hinter vergilbten Gardinen. Die Hochhäuser in der Nachbarschaft stehen leer. Das Lärmmessgerät des Akustiktechnikers zeigt 83 Dezibel an. Dann die Überraschung, als der 30-köpfige Wandertrupp um eine Ecke biegt: Süße, gemütliche Reihenhäuser, der Krach der siebenspurigen Hochstraße und der Bahntrasse ist kaum zu hören.

„Es sind kleinräumige Strukturen, die beeinflussen, ob es vor dem Haus laut ist oder nicht“, stellt Jürgen Brodbeck fest. Der 49-jährige Mitarbeiter in der Geschäftsstelle des VCD Bremen organisiert zum jährlichen internationalen Tag gegen Lärm einen „Sound Walk“: Einen kostenlosen Lärmspaziergang, der durch Bremens lauteste, verbauteste Viertel führt und darauf aufmerksam macht, dass eine menschengerechte Stadt auch bedeutet, dass ihre Bewohner in Ruhe leben können. Denn: Lärm macht krank.

Dauerbeschallung führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder Depressionen. 2014 organisierte der Bremer VCD erstmals einen urbanen Spaziergang, der auf die Folgen verfehlter Verkehrs- und Stadtplanung in den 60er Jahren aufmerksam machte. Gefördert vom Arbeitsring Lärm (ALD) der Deutschen Gesellschaft für Akustik, holte der VCD das Autonome Architektur Atelier ins Boot: einen Architekten und einen Raumplanungs-Ingenieur, die alternative Stadtführungen an wenig bekannten Orten anbieten. Gemeinsam mit einem Akustiktechniker vom ALD führen die beiden seitdem um die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Schienen vorbei, durch Hochstraßen hindurch, in fluglärmgeplagte Viertel.

Im vergangenen Jahr gewann der VCD Bremen mit seiner Aktion den dritten Preis beim VCD-Aktivenwettbewerb (siehe auch fairkehr 2/2016). „Allein durch Straßenlärm wird mehr als die Hälfte der Bevölkerung jeden Tag belästigt. Der VCD Bremen zeigt mit den Lärmspaziergängen auf, dass vielerorts noch mehr geschehen muss, um Menschen zu schützen“, so VCD-Bundesvorsitzender und Jurymitglied Michael Ziesak. Der VCD Bremen macht auf seinen Spaziergängen klar, dass schöner wohnen sehr viel mit umweltfreundlicher Mobilität zu tun hat. „Wir brauchen Entschleunigung“, sagt Brodbeck. „So macht Tempo 30 die Straßen nicht nur sicherer, sondern auch ruhiger. Eine Stadt der kurzen Wege, in der die Menschen mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, ist auch eine leisere Stadt.“

Traum von der Hochstraße

Das Ideal einer lebenswerten Stadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert. So zeugt die Bremer Bahnhofsvorstadt vom Traum einer autogerechten Stadt. Ende der 60er Jahre galt das Wohnen an der damals neuen Hochstraße als hip. Es gibt Fußwege und Balkone mit Blick über die sieben Spuren. Damals fuhren auch nur wenige Autos.

Dieses Jahr hat ein Stadtteilparlament den VCD unterstützt. Jürgen Brodbeck überzeugte den Beirat des flughafennahen Viertels Neustadt, durch das der Lärmspaziergang führte, den „Sound Walk“ zu zwei Dritteln zu finanzieren.

Um neue Routen auszuarbeiten, studieren die „Sound Walker“ Lärmschutzgutachten und -karten der Stadtviertel. Sie schauen, wo es richtig laut ist, damit sie den Menschen beim Spaziergang die Wirkung des Lärms deutlich machen können. Mit Flyern, per E-Mail, über Facebook und durch Medienberichte bewirbt der VCD Bremen seine Aktion. „Macht es uns doch nach!“, ermuntert Brodbeck weitere VCD-Gruppen. Die meisten Kommunen und Kreise haben Lärmschutzkataster und damit eine Planungsgrundlage.     

Kirsten Lange

www.vcd.org/vorort/bremen/aktivitaeten

fairkehr 5/2023