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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 3/2016

Feierabend. Abenteuer!

Kommt mal raus aus eurem Alltagstrott! Wer dem Aufruf des Abenteurers Alastair Humphreys folgt und nach der Arbeit mit Schlafsack und Isomatte für eine Nacht in den Wald wandert, erlebt sein persönliches Mikroabenteuer. Wir haben es ausprobiert.

Foto: Ina Echternach/www.polaroid-fotografie.deFeierabend, Sonnenschein: Ab in den Wald, um bei einer Nacht draußen den Kopf freizubekommen.

Mit dem Ruderboot über den Atlantik, zu Fuß durch Indien, mit dem Fahrrad um die Welt: Abenteurer und Autor Alastair Humphreys kommt viel herum und nimmt dafür Strapazen in Kauf. Ein Überlebenskünstler und Outdoor-Veteran. Was der erlebt, ist für uns unerreichbar.

Das sieht der Brite völlig anders. Er meint: Jeder kann sein persönliches Abenteuer in der Natur erleben. Keine Zeit, kein Geld, keine Fitness – für Humphreys keine Argumente. Seit etwa zwei Jahren wirbt der 39-Jährige für sein Konzept der „Microadventures“, der kleinen Abenteuer „nah an Zuhause, günstig, einfach, kurz und trotzdem eindrücklich“. Mikroabenteuer, so findet Humphreys, haben im Kern all das, was auch große Abenteuer ausmacht: die Herausforderung, den Spaß, die Aufregung, den Ausbruch aus dem Alltag. Nachdem der Brite als ein neues Projekt ein Jahr lang seine Heimat erkundet hatte, begann er, für die Abenteuer direkt vor der Haustür zu werben und seine Mitmenschen mit seiner Begeisterung für kleine Fluchten anzustecken.

Abenteuer von 5 bis 9

Humphreys nennt seine kleinen Abenteuer auch „5 to 9 adventures“, in Anspielung auf all die Bürojobs, die uns von neun bis fünf an den Schreibtisch fesseln. Das aufregende Leben beginnt direkt danach. Niemand hat eine Ausrede, nicht daran teilzuhaben. Das Konzept ist einfach: Rucksack oder wasserfeste Fahrradtasche mit warmer Wechselkleidung, Regenschutz, Schlafsack, Isomatte, Biwaksack, Taschenlampe und Zahnbürste mit ins Büro nehmen. Niemand muss teure Ausrüstung kaufen, aber dieses Campingzubehör sollte vorhanden sein. Nach Feierabend ins Abenteuer starten, mit Bus und Bahn, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die Nacht draußen an einem schönen Ort verbringen und morgens um neun pünktlich wieder im Büro sitzen.

Auf seinem Blog alastairhumphreys.com und in seinem Buch „Microadventures“ gibt der Brite Ausrüstungstipps, erklärt, wie Mikroabenteurer einen Schlafplatz für die Nacht finden, und macht deutlich, warum eine Nacht im Freien Freiheit bedeutet. Unter den Sternen zu schlafen, bei Sonnenaufgang aufzuwachen und den ersten Kaffee mit Blick über ein Tal zu trinken oder womöglich morgens in einem Fluss zu schwimmen, bleibt viel länger im Gedächtnis als jede Hotelübernachtung.

Keine Geister, aber Gassi-Geher

Es gibt allerdings ein paar Regeln zu beachten. Wildes Campen ist in Deutschland nicht erlaubt. Das heißt: kein Zelt irgendwo im Nirgendwo aufschlagen. Erlaubt ist es, mit Schlaf- und Biwaksack zu „lagern“, ein Begriff mit viel Interpretationsspielraum. Humphreys Tipp: Mikroabenteurer sollten im Hellen eine komfortable Schlafstelle suchen, etwas abseits des Weges, hinter einem Erdwall oder Bäumen. in der Dämmerung können sie dort ihr Nachtlager aufschlagen. Tabu ist das Übernachten auf Privatgelände. Es empfiehlt sich, nicht direkt neben dem Försterhaus oder einem Hochsitz den Schlafsack auszurollen. Und selbstverständlich wird kein Müll zurückgelassen.

Wer Angst vor dem Draußenschlafen hat, dem entgegnet Humphreys: Gespenster gibt es in Europa nicht. Höchstens Wanderer, Radler oder Spaziergänger, die abends oder morgens ihren Hund Gassi führen. Dann gilt, was sich bei jeder Begegnung mit Menschen bewährt: lächeln, grüßen und gegebenenfalls seine sieben Sachen einsammeln, sollte doch ein Forstbeamter darum bitten. Es gibt also keine Ausreden. Das Mikroabenteuer kann beginnen.

Kirsten Lange

Blog mit allen wichtigen Infos, Videos und Abenteuergeschichten: www.alastairhumphreys.com

Die Bücher zum Abenteuer

Anleitung für kleine Abenteuer vom großen Abenteurer: Der Brite Alastair Humphreys beschreibt seine eigenen kleinen Fluchten aus dem Alltag und macht sie für angehende Mikroabenteurer nacherlebbar. Er gibt Tipps zur Ausrüstung, Ortssuche und Übernachtung im Freien. Mit vielen schönen Bildern, die Lust aufs Draußensein machen.

Alastair Humphreys: Microadventures. Local Discoveries for Great Escapes. HarperCollins 2014 (englisch), 256 Seiten, ab 20 Euro (buch.de)

Der norwegische Journalist, Autor und Familienvater Torbjørn Ekelund zieht zwölf Monate lang jeweils für eine Nacht in die Wälder der Nordmarka, immer an die gleiche Stelle. Mal wandert er allein, mal mit Freunden, mal mit seinem kleinen Sohn. Er findet nach der Arbeit Ruhe und Abgeschiedenheit, beobachtet die Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten und erfährt viel über das Leben in der Natur.

Torbjørn Ekelund: Im Wald. Kleine Fluchten fürs ganze Jahr. Piper Verlag 2016, 266 Seiten, 18 Euro

fairkehr 5/2023