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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

VCD aktiv 1/2016

Wander-Baustelle

Mit Erkundungstouren an einer Hamburger Großbaustelle hat sich der VCD Nord für Fußgänger und Radfahrer eingesetzt.

Foto: Anja Smetanin/VCDThomas Hübener vom VCD Nord (Mitte) bekommt den Aktivenpreis überreicht vom VCD-Bundesvorsitzenden Michael Ziesak und der Geschäftsführerin Carolin Ritter.

Die zwölf Wanderer hatten eine Mission. Zumindest einen Job. Sie marschierten an Kränen und rot-weißen Baustellenabsperrungen vorbei, hielten immer wieder an, beobachteten die Fahrbahn, betrachteten eine Kreuzung. Ab und zu knieten sie nieder, zogen einen Zollstock aus der Jackentasche und vermaßen den neuen Radstreifen. 1,35 Meter. Zu schmal gebaut! 

Die zwölf Männer, Frauen und Kinder wanderten Ende September 2014 sieben Kilometer an der Fuhlsbüttler Straße durch Hamburg, auf Einladung des VCD Nord. Ihr Ziel: die Umbauarbeiten, die im August 2014 an einer von Hamburgs längsten und meistbefahrenen Straßen  begonnen hatten, begutachten, diskutieren, Verbesserungsvorschläge machen.

Die Wandertour war Teil einer Aktion, mit der der VCD Nord die Bauarbeiten an der „Fuhle“ über viele Monate kritisch  begleitete und überprüfte, wie viel Platz der groß angelegte Umbau Fußgängern und Radfahrern lässt. Initiator war Thomas Hübener, seit 25 Jahren aktiv im VCD Nord und selbst in Fuhle-Nähe zu Hause. Der 52-Jährige sah den Umbau, der in erster Linie der Beschleunigung einer Metrobuslinie diente, aber auch die Zahl der Falschparker verringern und den Straßenraum neu verteilen sollte, als große Chance: für Anwohner, ÖV-Nutzer, Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger – und den VCD. „Nahezu der ganze Straßenverlauf wurde saniert, was bis dato in Hamburg einmalig war und für andere Projekte Modellcharakter haben könnte“, sagt Hübener.

Die Stadt besserte nach

An diesem Projekt zeigte der VCD, dass er sich für alle Verkehrsteilnehmer einsetzt, dass er Mobilität vernetzt denkt und dabei besonders die Rechte derjenigen im Blick hat, die weniger geschützt unterwegs sind: Radfahrer, Fußgänger, Mobilitätseingeschränkte.

An einer zweiten Baustellenwanderung Ende November nahmen 20 Anwohner,  Interessierte aus anderen Stadtteilen, Lokalpolitiker und Journalisten teil. Hübeners Fazit: „Der Austausch brachte neue Ideen, wie sich der Straßenraum noch menschenfreundlicher gestalten ließe. Die Auseinandersetzung mit den Fußgänger- und Radfahrerrechten war darüber hinaus für viele interessant.“ Im März 2015, als ein Großteil des Umbaus abgeschlossen war, konnten die Hamburger die Fortschritte aus der Lenkerperspektive analysieren: Gemeinsam mit dem ADFC organisierte der VCD Nord eine Baustellen-Radtour.

Auch mit Vertretern der zuständigen Landesbehörde, dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer  LSBG, wanderte der VCD Nord Anfang 2015 die Fuhle ab – und übermittelte Forderungen und Kritik persönlich, die er zuvor in Briefen an den LSBG formuliert hatte. Das Engagement von ADFC und VCD hat Wirkung gezeigt. „An zwei Stellen wurden die Radfahrstreifen verbreitert“, so Hübener. „Ladezonen mit Parkverbotsschildern wurden noch klarer markiert und werden nun besser akzeptiert, auf den neuen Radstreifen kontrolliert die Polizei häufiger auf Falschparker.“

Tempo 30 auf der Fuhle

Für seinen Einsatz erhielt der VCD Nord den zweiten Platz im VCD-Aktivenwettbewerb. „Der Landesverband hat beispielhaft aufgezeigt, wie Fußgängern und Radfahrern zu mehr Platz im Straßenraum  verholfen werden kann“, so VCD-Bundesvorsitzender und Jury-Mitglied Michael Ziesak. „Zu oft werden ihre Interessen vergessen, selbst wenn die Straßen modernisiert werden.“ Ziesak lobte darüber hinaus, dass das Projekt nicht nur professionell umgesetzt worden sei, sondern sich auch andernorts mit vertretbarem Aufwand gut realisieren lasse. Eine Motivation für andere VCD-Gruppen, sich zu engagieren.

Auch an der Fuhle ist noch nicht alles im grünen Bereich. Der VCD Nord kritisiert unter anderem, dass über lange Abschnitte Ampeln oder Zebrastreifen fehlen, dass die Radfahrstreifen an vielen Stellen zu schmal sind und dass Falschparker auf Streifen nicht konsequent abgeschleppt werden. Er fordert Tempo 30 auf der Fuhle – worauf die Polizei als zuständiges Organ der Innenbehörde bislang nicht reagiert hat. Thomas Hübener lässt sich nicht beirren: „Wir bleiben dran.“ Zu einer Abschlusswanderung wird der VCD Nord ebenfalls einladen.

Kirsten Lange

Weitere Infos gibt es hier

 

Der VCD-Aktivenwettbewerb

Foto: Marcus GlogerViele VCD-Gruppen setzen sich vor Ort beispielsweise für sichere Wege für Radfahrer ein.

Viele Landes- und Kreisverbände des VCD starten vor Ort tolle, erfolgreiche Aktionen, doch viel zu selten erfahren die anderen VCD-Gruppen davon. Um die guten Beispiele zu würdigen, das Engagement vor Ort anzuerkennen und bekannter zu machen, hat der VCD-Bundesverband vor sechs Jahren den Aktivenwettbewerb ins Leben gerufen. Bewerben können sich alle Landes-, Kreis- und Ortsverbände.

„Die Teilnehmerzahlen steigen jedes Jahr, das freut uns“, sagt VCD-Geschäftsführerin und Mitinitiatorin des VCD-Aktivenwettbewerbs Carolin Ritter. „Kampagnen, Aktionen, schöne Infostände, wegweisende Webseiten, informative Newsletter – die Gliederungen können sich mit all diesen Projekten bewerben“, so Ritter. „Entscheidend ist, dass wir sehen, wie die VCD-Gruppen ihr Publikum erreichen.“ Die guten Beispiele sollen Anreiz und Motivation sein für andere Aktive und den VCD-Mitgliedern zeigen: Das bewegt euer Verkehrsclub vor Ort.

Zu gewinnen gibt es Geld- und Sachpreise. Außerdem berichtet die fairkehr über die drei besten Projekte.

Auch dieses Jahr hat der VCD-Bundesverband wieder einen Aktivenwettbewerb ausgeschrieben. Bewerbungen bitte bis zum 23. August 2016 an den VCD-Bundesverband schicken: Wallstraße 58, 10969 Berlin oder an verband@vcd.org. Fragen beantwortet gern das Verbandsreferat.

fairkehr 5/2023