fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 2/2016

Radfahrer und Vegetarier aller Länder

Foto: Marcus GlogerMichael Adler, Chefredakteur

Polen stand noch nie in dem Ruf, Eldorado für Vegetarier zu sein. Wer allerdings einen Fahrradurlaub in unserem Nachbarland plant, sollte sich inzwischen auch überlegen, ob er dort noch willkommen ist. Der polnische Außenminister Witold Waszcykowski erklärte in der Bild-Zeitung, welchen Lebensstil er ablehnt: „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.“

Alles auf den Index also, was nicht katholisch und konservativ ist? Die nationalkonservative polnische Regierung bedroht gerade die abendländische Kultur, indem sie die unabhängige Presse abschafft und die Rechte des Verfassungsgerichts derart beschneidet, dass Kritiker den Rechtsstaat gefährdet sehen. Was treibt die Polen, die Ungarn und auch die rechtspopulistische AfD in Deutschland an, wenn sie derart vehement gegen einen modernen, individuellen Lebensstil vorgehen?

Rechte Parteien erheben den Anspruch, aufzuräumen mit dem liberalen, ökologischen, multikulturellen Gesellschaftsmodell. Frauen, Vegetarier und Radfahrer werden in ihre Schranken verwiesen und Klimaschutz und Energiewende als Panikmache diffamiert. Dagegen stellen sie einfache Wahrheiten, Religiosität und die vermeintliche Verteidigung des ordentlichen kleinen Mannes. Parteien, die über Wahlen an die Macht kommen, müssen noch längst nicht demokratisch sein. Rechtspopulismus will mehr, als rassistisch gegen Flüchtlinge zu agitieren.

Im Programmentwurf der AfD heißt es: „Die Klimaschutzpolitik beruht auf untauglichen Computermodellen des IPCC („Weltklimarat“). Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.“ Daher kann man laut AfD auch kaum genug davon haben: „IPCC und deutsche Regierung unterschlagen jedoch die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.“

Unter der Überschrift „Gängelung der Autofahrer beenden“ heißt es im Wahlprogramm der baden-württembergischen AfD: „Geschwindigkeitsbegrenzungen wegen Umweltschutz und Luftreinhaltung sind, da mittlerweile fast alle Fahrzeuge Euro 2 und höher erfüllen, sinnlos und stellen eine bloße Gängelung dar.“

Im Kern lehnen rechte Regierungen und Parteien die offene Gesellschaft ab, die Regierungshandeln transparent macht, die Entscheidungen im gesellschaftlichen Diskurs trifft, die Gewaltenteilung und Rechtsstaat verteidigt, die wissenschaftliche Erkenntnisse zur Grundlage ihrer Entscheidungen macht, die die freie Meinungsäußerung und Menschenrechte hochhält.

Wehret den Anfängen, kann ich nur rufen. Es geht um eine Positionierung gegen dumpfen Rassismus. Aber es geht noch um mehr. Folgen Sie nicht den rechten Vereinfachern. Vertreten Sie eine aufgeklärte Position in der Mobilität und beim Klimaschutz. Leben Sie vegetarisch, wenn Sie mögen, und fahren Sie Rad. Sonst ist das nicht mehr mein Europa.

Michael Adler

fairkehr 5/2023