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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 6/2015

Zug ist Zukunft

Jeder Gast in Südtirol kommt mit der Mobilitätskarte ohne Auto durchs ganze Land und im Winter direkt zum Skilift. Die Sextner Dolomiten freuen sich über einen Bahnhof.

Foto: istockphoto.com/zodebala

Jahrzehntelang galten sie als Außenseiter. Als touristische Region hatten die Sextner Dolomiten, am östlichen Rand der von der UNESCO zum Welterbe erklärten Gipfel, den Anschluss an die Urlaubsorte der Nachbarschaft verloren. Die Pisten rund um Sexten rangieren bei Skifahrerinnen und Skifahrern auf den hinteren Plätzen. Mit dem Pustertal-Express soll nun alles anders werden.
Motor, Ideengeber und Sponsor der Destination ist Franz Senfter. Der 74-jährige Unternehmer aus Innichen hat mit der Herstellung von Südtiroler Speck ein weltweit agierendes Unternehmen aufgebaut und in seiner Heimat das Kunststück fertiggebracht, 420 ehemalige Liftbetreiber, Bauern, Hoteliers und Unternehmen als Aktionäre in der Sextner Dolomiten AG zu vereinen. Senfter, ihr Vorstand und Präsident, hat dafür gesorgt, dass der Pustertal-Express am Fuße der Sextner Dolomiten hält. Der moderne Zug verbindet im Halbstundentakt den Bahnhof Franzensfeste an der internationalen Brennerstrecke im italienischen Südtirol mit dem Bahnhof Lienz im österreichischen Osttirol.

In Vierschach, dem 500-Seelen-Dorf, hat sich die Sextnern Aktiengesellschaft am Bau des neuen Bahnhofs mit 50 Prozent der Kosten beteiligt. „Ein echtes Joint Venture“, sagt Senfter, „von dem alle etwas haben: die Bahngesellschaft, die Touristen und wir Einheimischen.“ Direkt vor dem Bahnhof haben die Aktionäre eine moderne Skistation hingebaut. Im Servicecenter „Punka“, der tatsächlich wie ein Bunker aussieht, geht der Lift auf den Berg. Direkt davor endet eine Piste. Die Gäste können dort Ski und Ausrüstung leihen und kaufen oder in ein riesiges Restaurant einkehren. Die Einwohner von Vierschach haben im Untergeschoss einen kleinen Lebensmittelladen durchgesetzt.

40 Minuten Fahrtzeit weiter testen sie schon seit letztem Winter die Verbindung von Zug und Lift. In Percha am Kronplatz können sommers wie winters Ausflügler direkt am Bahnsteig in eine Gondel umsteigen, die sie hinauf zum Gipfel bringt. „Hier brauche ich nie anzustehen, wenn ich auf den Berg will“, sagt Andrea del Fari. Der Direktor vom Skiverbund Kronplatz meidet die vollen Parkplätze rund um den Skiberg und steigt lieber am Bahnsteig in die Bergbahn ein. „Unsere Gäste sollen möglichst einfach, schnell und bequem ins Skigebiet gelangen.“ Vom Kronplatz aus fährt der neue Ski-Pustertal-Express in knapp 40 Minuten in das Skigebiet Sextner Dolomiten. Und umgekehrt.

Mobilcard gegen schlechte Luft

Die Dolomiten, imposante Berge vor Tausenden von Jahren aus Dolomitgestein geformt, sind Sehnsuchtsziel abertausender Touristen aus aller Welt. Doch die Kehrseite ihrer Beliebtheit ist der viele Verkehr. Die meisten Gäste fahren nach wir vor mit dem Auto in den Urlaub und dann täglich vom Hotel zur Liftstation. „An manchen Tagen ist die Luft in unseren Tälern so schlecht wie in der Innenstadt von Mailand“, sagt Alfred Prenn, Marketing-Direktor der Sextner Dolomiten. „Es musste dringend etwas geschehen.“

Foto: Stefan SchwenkeVom Zug direkt in die Gondel umsteigen und dann auf die Piste.

Dazu haben sich die Verkehrsstrategen die „Mobilcard Südtirol“ einfallen lassen. Jeder Feriengast, der in Südtirol übernachtet, bekommt sie überreicht und kann damit alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen. Weil ein solches Mobilitätskonzept aber nicht umsonst sein kann, haben die Südtiroler die Kosten fürs Bus- und Bahnfahren auf den Übernachtungspreis umgelegt. Auf 50 Cent pro Gast und Nacht beziffert Prenn den Preis für diese umweltfreundliche Maßnahme. Die Mobilitätskarte ist ein echtes Solidaritätsticket, das jeden Übernachtungsgast an der Finanzierung der ÖV-Mobilität beteiligt.

Umdenken der Einheimischen

Rückgrat des Verkehrskonzeptes ist der neue Zug. In Betrieb genommen hatte die Strecke vom Brennerpass nach Wien der österreichische Kaiser im Jahr 1885. Südtirol gehörte damals noch zu Österreich. Im Jahr 2000 hat der italienische Autobauer Fiat die Strecke elektrifiziert, um darauf seine gefertigten Autos zu transportieren. Auch das ist Geschichte. Fiat braucht diesen Transportweg nicht mehr. „Für uns ist die elektrische Linie ein großes Glücksfall“, sagt Präsident Senfter.

„Der Bau des Bahnhofes in Vierschach-Helm ist ein wichtiger Schritt für den Ausbau des Personennahverkehrs im Pustertal“, erklärt Florian Mussner, Landesrat für Mobilität in Südtirol. „Mit diesem Angebot wollen wir unsere Gäste vermehrt auf die Schiene bringen. Hier braucht man kein Auto“, sagt auch Tourismuschef Prenn. Skifahrer können nicht nur andere Gebiete besuchen, sondern zur Abwechslung mal die Bretter im Keller lassen und mit Bahn und Bussen kostenlos durchs ganze Land fahren: eines der sechs Reinhold-Messner-Museen anschauen, zum Eisessen und Shoppen nach Cortina fahren oder dem Mumienmann Ötzi in Bozen einen Besuch abstatten.

15 Prozent der Gäste im Tal sind bereits vom Auto auf den Zug umgestiegen, schätzt Prenn. Jetzt müssten es nur noch die Einheimischen lernen. „Es braucht ein Umdenken der lokalen Bevölkerung“, sagt auch Andrea del Fari, „die Einheimischen müssen die Vorteile einfach selbst kennenlernen, um sie den Gästen empfehlen zu können.“ An diesem Januarnachmittag sitzen neben Skifahrern hauptsächlich Schülerinnen und Schüler auf dem Heimweg im Zug.

Auch Helga Happacher Aichner, Wirtin des Hotels Kreuzbergpass, setzt große Hoffnungen in den Anschluss an die Pustertalbahn: „Wir waren isoliert, rücken aber wieder ins Zentrum.“ Vom Skigebiet Rotwand-Helm führt ein idyllischer „Skiweg UNESCO“ zu ihrem Hotel am Pass: Zwanzig Minuten gemütliches Panoramagleiten durch verschneiten Wald, entlang der Felsen. Wer weiter will, kommt mit dem Bus „nach Italien“, wie die Südtiroler sagen, wenn sie nach Padola in die Provinz Belluno fahren. Der Bus bringt die Ausflügler in regelmäßigem Takt vom Pass ins Tal. Dort haben sie Anschluss an den Zug.

Die aufgewertete Pustertallinie und die Mobilcard Südtirol zeigen, dass Mobilität weg vom Auto machbar ist. Besser wäre es noch, den Gästen gleich bei der Buchung ihrer Unterkunft die Mobilitätskarte zuzuschicken. Damit hätten Besucher den Anreiz, gleich von zuhause aus mit der Bahn anzureisen.

Uta Linnert

Alles zum Urlaub im Sexten

  • Anreise Mit dem Zug über München und Innsbruck, weiter über den Brennerpass nach Franzensfeste. Dort umsteigen in den Pustertal Express mit Halt in Innichen und Virschau. www.bahn.de;www.mobilcard.info/de
  • Skigebiet Die Sexner Dolomiten gehören zum Verbund „Dolomiti Superski”. Der Tagesskipass kostet für die Region 48 Euro, für den gesamten Verbund je nach Saison zwischen 43 und 54 Euro. www.dolomitisuperski.com
  • Unterkunft Zum Beispiel im Hotel „Bad Moos” direkt am Skilift mit guter Südtiroler Küche und großem Spa- und Wellnessangebot, www.badmoos.it/de
  • Allgemeine Informationen unter
    www.hochpustertal.info/de/sexten.html

fairkehr 5/2023