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Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2015

Um Handels willen

TTIP und CETA: Der Protest gegen die Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada nimmt in Deutschland neue Dimensionen an. Auch für den Klimaschutz sind die Abkommen Gift.

Foto: Jakob HuberEin breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und gemeinnützigen Organisationen – darunter der VCD – hatte zur Demonstration gegen TTIP und CETA in Berlin aufgerufen.

Es war die größte Demonstration in Deutschland, seit die Menschen 2003 gegen den Irakkrieg auf die Straße gingen. 250 000 Menschen haben laut Veranstalter am 10. Oktober 2015 in Berlin gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA protestiert. Die Demonstranten befürchten, dass durch die Abkommen Standards im Verbraucherschutz abgesenkt werden, gentechnisch veränderte Lebensmittel und Hormonfleisch auf den EU-Markt kommen oder die Wasserversorgung in die Hände profithungriger Investoren gerät. Wenn die Bundesregierung an TTIP und CETA festhält, missachtet sie die Ängste dieser Menschen. Und ganz nebenbei sabotiert sie ihre eigenen Ziele beim Klimaschutz.

TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Das weniger bekannte CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist ein ähnlicher Vertrag zwischen der EU und Kanada. CETA ist bereits fertig verhandelt und könnte 2016 ratifiziert werden. In beiden Fällen wollen die Partner Handelshemmnisse wie Zölle abbauen und unterschiedliche technische Standards sowie Standards im Verbraucher- und Umweltschutz angleichen. Sie wollen, dass Importwaren billiger werden, Konsum, transatlantischer Handel und Wirtschaft wachsen. Das soll Jobs schaffen.

Welthandel schadet dem Klima

Doch ungebremstes Wirtschaftswachstum kann nicht mit Klimaschutz in Einklang gebracht werden. Laut Weltklimarat müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen bis Mitte des Jahrhunderts um 40 bis 70 Prozent senken, wenn wir die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen wollen. Die Bundesregierung will die deutschen Emissionen bis 2050 von 953 Megatonnen auf maximal 250 Megatonnen senken. Um die Emissionen des Güterverkehrs zu verringern, müssen Transportwege kürzer werden und nicht länger. Beispielsweise dadurch, dass wir wieder mehr regionale Produkte kaufen. Transatlantische Handelsabkommen, die den Konsum von Waren aus Übersee anheizen, bewirken das Gegenteil.

Die kanadische Provinz Québec hat 2012 dass umstrittene Fracking verboten, bei dem Erdgas und -öl mit Hilfe von Chemikalien aus unterirdischen Gesteinsschichten gelöst werden. Daraufhin hat ein Rohstoff-Unternehmen das Land auf 170 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Wenn TTIP oder CETA kommen, könnten Deutschland vergleichbare Prozesse drohen. Vor Schiedsgerichten könnten Investoren gegen neue Gesetze zum Klima-, Umwelt- oder Verbraucherschutz klagen. Das würde Klimaschutz noch schwieriger machen.

Das Centre for Economic Policy Research hat im Auftrag der EU-Kommission versucht, den Effekt von TTIP zu berechnen: Die Wirtschaft der EU würde bis 2027 um zusätzliche 0,48 Prozent wachsen – nicht jährlich sondern, insgesamt. Mehr Jobs würde das Abkommen nicht bringen. TTIP kreiert also nur Handel um des Handels willen.

Die Bundesrepublik sollte den Freihandelszonen mit den USA und Kanada nicht beitreten: Wenn der Exportweltmeister auf Wachstum des Außenhandels verzichtet, um das Klima zu schonen, wäre das ein starkes Zeichen. Und ganz nebenbei könnte die Politik zeigen, dass sie die Ängste der Bevölkerung vor TTIP und CETA ernst nimmt.

Benjamin Kühne

fairkehr 5/2023