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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 6/2015

Weniger Erdöl, mehr Frieden

Foto: Marcus Glogerfairkehr-Chefredakteur Michael Adler

Ist das Flüchtlingsthema ein Thema für den VCD? Verursacht Verkehr Kriege? Die katastrophalen Zustände im Nahen und Mittleren Osten haben sehr viel mit unserem ölabhängigen Lebensstil zu tun. Die ölsüchtigen Länder des Westens bringen Diktatoren an die Macht und stürzen sie mit Kriegen, sie rüsten islamistische Kämpfer mit Waffen aus, wenn diese Machthaber bekämpfen, die der Westen auch loswerden will. Seit mehr als 100 Jahren stecken Europäer und US-Amerikaner ihre Claims im arabischen Raum nach geopolitischen Interessen ab. Das Ergebnis sind zahlreiche instabile Regierungen wie die von Baschar al-Assad in Syrien, funda-mentalistisch islamische Staaten wie das Ayatollah-Regime im Iran oder die autokratischen Herrscher in Saudi-Arabien. Und eben auch islamistische Kämpfer wie die Taliban oder jetzt der sogenannte Islamische Staat in Syrien und im Irak. Je nach politischer Gemengelage sind sie mal Freund, mal Feind des Westens. Ziel all dieser Nahostpolitik ist die Sicherung der Ölquellen für den fossilen Antrieb der Weltwirtschaft. Über 90 Prozent unserer Mobilität hängen vom Erdöl ab.

Mit dem Verbrennen des fossilen Stoffes fachen wir den zweiten Grund der Fluchtbewegung aus Nahost und Afrika an, den Klimawandel. Als bisher eher unbeachteten Katalysator des Bürgerkriegs in Syrien haben US-Forscher der Columbia-Universität in New York und der Universität von Kalifornien die Klimaerwärmung ins Spiel gebracht. Das Online-Magazin „klimaretter.info“ schrieb vom „Brandbeschleuniger Klimawandel“. Die Fakten: Der Nordosten Syriens war eine der fruchtbarsten Regionen des Nahen Ostens. Von 2006 bis 2010 herrschte eine Jahrhundertdürre in Syrien, die zu gravierenden Ernteausfällen und massenhafter Migration innerhalb des Landes führte. Rund 1,5 Millionen Kleinbauern und Viehzüchter verloren so ihre Lebensgrundlage. Sie verließen ihre Heimat und flohen zunächst in den Süden des Landes. Hier flammten auch aufgrund stark gestiegener Lebensmittelpreise die ersten Proteste gegen das Regime al-Assads auf. Assad schlug sie blutig nieder. Der Bürgerkrieg begann und die Flüchtlinge zogen weiter nach Jordanien, in den Libanon oder die Türkei. So wurden aus Klimaflüchtlingen Kriegsflüchtlinge. Insgesamt wurden im syrischen Bürgerkrieg seit 2011 rund 250000 Menschen getötet, drei Millionen flohen außer Landes und neun Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Laut Weltklimarat werden sich Dürren im Nahen Osten häufen und die Durchschnittstemperatur wird bis zum Ende des Jahrhunderts um vier Grad steigen. Die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern, wäre aktive Friedenspolitik. Wer viel herumfährt, drängt indirekt noch mehr Menschen zur Flucht. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks forderte kürzlich eine Anerkennung von Klimaflüchtlingen. Ein erster richtiger Schritt. Eine mutige Politik würde den Zusammenhang zwischen Flucht und Ölkonsum herstellen und die große Aufgabe der Flüchtlingsintegration mit einem Aufschlag auf die Mineralölsteuer finanzieren. Sachlich geboten wäre dies allemal. Herr Schäuble, Herr Gabriel, übernehmen Sie. Wir schaffen das! 

Michael Adler

fairkehr 5/2023