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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 5/2015

Deutschland retourniert

Interview mit dem Retourenforscher Björn Asdecker

Foto: Uni BambergDr. Björn Asdecker ist Retourenforscher am Lehrstuhl für BWL, Produktion und Logistik der Universität Bamberg. www.retourenforschung.de

fairkehr: Online bestellen, kostenlos zurückschicken – aus Kundensicht ist das ein guter Service. Was ist das Problem?
Björn Asdecker: Die kostenlose Rücksendung ist nicht kostenfrei. Die Retoure ist bereits im Preis einkalkuliert. Das zeigen Studien aus den USA. Dort entscheidet der Händler, ob er Rücksendegebühren erhebt oder nicht. Das gleiche Produkt ist bei einem Händler, der Rücksendegebühren erhebt, etwa sieben bis zehn Prozent günstiger, als beim Versender, der keine Gebühren erhebt.

Verursachen Retouren mehr Verkehr?
Ja, definitiv. Vor allem im außerstädtischen Verkehr. In der Stadt geht es noch. Wir haben in Deutschland zwar einen Lieferservice bis zur Haustür. Aber die Retouren bringen wir größtenteils noch zu einer Sammelstelle wie der Post. Die Lieferanten fahren sie dann zum Retourenzentrum des Versenders. Dort öffnen Mitarbeiterinnen das Paket und überprüfen die Ware. Diese verpacken sie dann neu und schicken die Ware entweder zurück ins Lager, oder in die Aufbereitung beziehungsweise zu einem Händler, der sie als B-Ware auf den osteuropäischen oder asiatischen Markt bringt.

Wie viele Bestellungen gehen zurück?
Nach unseren Untersuchungen haben die Deutschen 2013 etwa 250 Millionen Pakete zurückgeschickt und damit etwa 125000 Tonnen CO2 verursacht. Das ist so viel, als würden ein Jahr lang täglich 1200 Autos von Hamburg nach Moskau fahren.

Welche Waren werden am häufigsten zurückgeschickt?
Mit Abstand Schuhe und Klamotten. Ein Schuhpaket geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zurück an den Händler. Das hat sehr viel damit zu tun, dass die Kunden bei Mode mehrere Größen oder unterschiedliche Farben bestellen.

Wer schickt zurück?
Am häufigsten die 29- bis 38-Jährigen, insbesondere die Käuferinnen. Bundesländer mit einer geringen Bevölkerungsdichte haben eine höhere Retourenquote als Stadtstaaten wie Hamburg oder Bremen.

Bestellen konnte man ja schon vor Internetzeiten – was hat sich mit dem Onlinehandel verändert?
Der Anteil des Versandhandels am Gesamthandel hat sich vergrößert. Früher waren das stabile vier bis fünf Prozent. Der Onlinehandel hat vollkommen neue Kundengruppen erschlossen und heute liegt der Anteil des Versandhandels am Gesamthandel bei etwa zwölf Prozent.

Was tun, um Retouren zu vermeiden?
Aufklären und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Retouren nicht kostenfrei sind. Außerdem hilft auch emotionale Bindung: Werden der Bestellung etwa Gummibärchen oder ein Foto des Packers beilegt, verringert das die Retouren um ein bis zwei Prozent. Manche Hersteller weisen auch bei der Bestellung von mehreren Größen darauf hin, dass eine Rücksendung CO2 verursacht und das Klima belastet.

Interview: Valeska Zepp

sturti/istockphotoVon wegen umsonst: Die Kosten für Rücknahme, Transport und Prüfung der Ware stecken im Preis. Retouren verursachen Verkehr und damit Lärm, Abgase und Stau.

fairkehr 5/2023