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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 5/2015

Regenschutz – zu welchem Preis?

Wer viel zu Fuß geht oder mit dem Rad fährt, braucht einen vernünftigen Schutz vor Wind und Wetter. Den gibt es auch ohne giftige Chemie und fair produziert.

Foto: Marcus GlogerDas fairkehr-Team hat ökofaire Regenjacken im Alltag getestet. Trocken geblieben sind alle und Spaß gemacht hat es auch.

Die Erwartungen an eine Regenjacke sind hoch: Sie soll absolut regendicht sein, aber kein Mensch will darin schwitzen. Dreck und Wasser sollen dauerhaft abperlen wie von einem Lotusblatt. Dabei soll sie leicht und klein verpackbar sein, sinnvolle Taschen haben, nicht laut rascheln, perfekt sitzen und toll aussehen. „High Performance“ verspricht die Ausrüstungsbranche fürs Draußensein – ganz gleich, ob die Kundinnen und Kunden mit dem Rad zur Arbeit fahren, Gipfel erklimmen oder durch die Fußgängerzone bummeln.

„Was brauche ich wirklich?“, heißt die erste Frage beim Kauf neuer Outdoorkleidung, findet Manfred Santen, Chemie-Experte bei Greenpeace: „Was als Standard in der Bekleidung für Feuerwehrleute gilt, ist für den Alltag maßlos übertrieben – selbst wenn man bei Wind und Wetter Fahrrad fährt und auch mal alpin Wandern geht.“ High-Performance-Regenjacken im Alltag sind so überdimensioniert wie SUV in der Stadt und bringen ebenso Probleme mit sich.

Besser ohne Gift

Ein großes Problem sind die Fluorcarbone, eine Gruppe poly- und perfluorierter Chemikalien (PFC): Sie stecken zum Beispiel in manchen atmungsaktiven Membranen. In Goretex sind sie drin, Sympatex ist frei von PFC. Und sie stecken in der Imprägnierung, die für den Abperleffekt sorgt.

Manche Vertreter der Fluorcarbone stehen in Verdacht, krebserregend zu sein, in den Hormonhaushalt einzugreifen und die Fruchtbarkeit zu stören. Sie gelangen im Herstellungsprozess, aber auch beim Tragen und nach dem Entsorgen von Kleidung in die Umwelt, teils über Abwasser, teils durch Ausdünsten. Die flüchtigen Moleküle hängen sich an Feinstaubpartikel, verwehen mit dem Wind und fallen mit dem nächsten Regen oder Schnee wieder auf die Erde. Sie sind menschengemacht, natürlich kommen sie nirgends vor. Kläranlagen können nicht alle PFC-Verbindungen herausfiltern und kein Organismus baut sie ab. Sie dringen in die globalen Wasserkreisläufe ein und reichern sich an – in der Natur und über die Nahrungskette auch in unseren Körpern.

Auf Vorschlag des Umweltbundesamtes (UBA) hat die EU sechs Verbindungen aus der Gruppe der Fluorcarbone als besonders besorniserregend eingestuft. Über ein Onlineformular des UBA können Verbraucher Anfragen an Hersteller stellen, ob das gekaufte Produkt einen dieser Stoffe enthält. Die Hersteller sind verpflichtet, darauf zu antworten. Außerdem hat das UBA die kostenlose App „PFC Planet – Versteckte Chemie im Alltag“ entwickelt, die ausführlich über Fluorcarbone informiert.

Für den aktuellen Report „Chemie in unberührter Natur“ schickte Greenpeace Expeditionsteams um die Welt, um Schnee und Wasserproben zu sammeln und auf Fluorcarbone zu prüfen. Leider mit Erfolg. „Wir haben PFC aus der Textilproduktion an den unberührtesten Orten der Welt nachgewiesen“, sagt Santen. Die Teams der Greenpeace-Expeditionen zogen selbst PFC-frei ausgerüstet los und blieben sogar in Extremwetterlagen trocken und warm. Es gibt also Alternativen.

Foto: Marcus GlogerWovor müssen wir uns dringender schützen, wenn wir draußen unterwegs sind: vor dem Regen oder vor den Giftstoffen in der Regenjacke? In Funktionskleidung stecken oft Chemikalien, die Mensch und Umwelt schaden.

Der Greenpeace-Report nennt auch Namen: Wenig sensibel für die Umweltauswirkungen ihrer Produktion sind demnach führende Firmen wie The North Face, Columbia, Patagonia, Salewa und Mammut. Sie stellen derzeit fast ausschließlich Produkte mit hohem PFC-Anteil her. Jack Wolfskin und Vaude haben einen kleinen Teil PFC-freier Kollektionen im Programm. Keine der großen Outdoor-Marken hat sich bisher zum kompletten Verzicht aller gefährlichen Chemikalien bis 2020 verpflichtet, wie es die Detox-Campagne von Greenpeace seit Jahren fordert.

Zum Glück gibt es mittlerweile viele kleine Modemarken (zum Artikel "Die tun was"), die flexibler auf neue Erkenntnisse reagieren und ihre Produkte sauber halten. Sie haben zwar meist nur ein kleines Sortiment an Allwetterkleidung, dafür aber PFC-frei. Und sie gehen bei der Produktion noch einen Schritt weiter.

Zu einer sauberen Regenjacke gehört nämlich auch, dass sie fair produziert wird: ohne Ausbeutung, Kinderarbeit oder Tierquälerei. Die kleinen Hersteller zeigen, dass das möglich ist. Sie fertigen teils komplett in Europa, lassen ihre Produkte entlang der gesamten Herstellungskette ökologisch und sozial zertifizieren und machen sich oft selbst vor Ort ein Bild von den Arbeitsbedingungen. Sie nutzen alternative Materialien, zum Beispiel aus Plastikflaschen recyceltes Polyester oder Kokosfasern, und verwenden synthetische Alternativen zu Daunen. Dann muss keine Gans mehr lebendig gerupft werden. Oder sie kramen fast vergessene Verfahren zum Regenschutz wieder aus der Schublade und modernisieren sie – wie die gewachste Baumwolljacke.

Als große Outdoormarke hat sich Vaude in Sachen Nachhaltigkeit einen Namen gemacht. Die deutsche Firma ist Mitglied der „fair wear foundation“, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche einsetzt. Einen Teil seiner Kollektion lässt Vaude nach dem „bluesign“-Standard zertifizieren, dem bisher ehrgeizigsten unabhängigen ökosozialen Zertifikat für Kleidung, die nicht aus Naturfasern besteht. Den Kunden macht es Vaude leicht, die öko-fairen Sachen im großen Sortiment zu finden: Alle tragen das firmeneigene Etikett „green shape“. Im Online-Shop setzt man ein Häkchen und bekommt dann ausschließlich das „grüne“ Sortiment angezeigt. So einfach und transparent findet man das bei anderen Outdoor-Marken, die auch teils zertifizierte Ware anbieten, nicht.

Kampagne für saubere Kleidung

Wer sich über das Engagement einzelner Outdoorfirmen informiern möchte, schaut am besten regelmäßig im Internet bei der international aktiven „Clean Clothes Campaign“ vorbei – der deutsche Ableger heißt „Kampagne für saubere Kleidung“. 2012 nahmen sie zuletzt die Outdoorbranche aufs Korn und schrieben: „Eine positive Entwicklung zeichnet sich im Vergleich zu den Vorjahren ab. Trotzdem ist die Zahlung eines Existenzlohns weiterhin eine der zentralen Herausforderungen. Ausnahmslos müssen die Firmen konsequent darauf hinarbeiten, dass alle ArbeiterInnen in ihrer Lieferkette für eine reguläre Arbeitswoche von maximal 48 Stunden einen Lohn zum Leben ausbezahlt bekommen.“

Dabei können wir als Kunden helfen und die guten Ideen, alternativen Stoffe und zertifizierten Kleidungsstücke der engagierten Firmen kaufen. Wir müssen bei Regenjacken nur statt nach „High Performance“ nach „Ethik und Umweltschutz“ rufen und uns vor jedem Kauf die Frage stellen: Brauche ich das wirklich?

Valeska Zepp

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fairkehr 5/2023