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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 5/2015

Es geht um Menschenleben

Foto: Marcus Glogerfairkehr-Chefredakteur Michael Adler

Der VW-Skandal ist leider todernst. Es geht um Betrug, um Menschenleben und um präpotente Männer, die sich so wichtig nehmen, dass sie glauben, über dem Gesetz zu stehen. Und das Ganze deckt ein Interessengeflecht mit der Politik, das streng riecht. Das erinnert sehr an den ADAC, an die FIFA oder die Formel eins.

„Wenn du auf dem VW-Gelände eine Wand weiß gestrichen hast, und Ferdinand Piëch sagt, die sollte doch blau werden, tust du gut daran, sie über Nacht blau zu streichen.“ Diese kleine Geschichte erzählte mir ein VW-Insider vor Jahren. Sie sagt alles über den Führungsstil und die willkürlichen Entscheidungen des alten Familienpatriarchen Piëch. Der jetzt zurückgetretene VWVorstandschef Martin Winterkorn verkörperte einen Perfektionsanspruch, der für seine Mitarbeiter schon an Tyrannei grenzte. Schwer zu glauben, dass er vom millionenfachen Betrug seines Weltkonzerns nichts wusste.

Herr Winterkorn war es gewohnt, dass die Politik stramm stand, wenn VW Hilfe brauchte. Die Machtdemonstration und die Nähe zur großen Politik gehören zum Konzerngehabe. Im engen Schulter-schluss haben Bundesregierung und Autolobby Grenzwert-verschärfungen für Abgase in Brüssel abgewehrt. Da wirft die Kanzlerin das ganze deutsche Gewicht in die Waagschale. Für die Autoindustrie, gegen den Gesundheitsund Klimaschutz. Als Begründung müssen die vielen Arbeitsplätze herhalten.

In der aktuellen Debatte um die Machenschaften der Automobil-industrie wiederholen die Medien das falsche Argument, dass jeder siebte Arbeitsplatz vom Auto abhinge. Nochmal hier in aller Deutlichkeit: Das ist nicht wahr. Es ist höchstens jeder 14. Arbeitsplatz, nachzulesen in Ausgabe 4/2010 unter typo3.p288704.typo3server.info.

Kein Zufall, dass der massenhafte Betrug in den USA auffiel und nicht in Deutschland. Hierzulande besteht kein staatliches Interesse an dieser Wahrheit. Der Verdacht der Manipulation war zuletzt in der VCD Auto-Umweltliste auf Seite 8 und 9 nachzulesen. Das Kraftfahrtbundesamt hätte die Aufgabe, mit eigenen Abgastests solch einem Verdacht nachzugehen. Doch die nachgeordnete Behörde des Bundesverkehrsministeriums ist seit Jahren nicht tätig geworden. Deshalb stützen sich jetzt alle Zahlen über Grenz-wertabweichungen auf Tests des ADAC. Es wacht also der eine Betrüger über den anderen.

Doch jetzt zu Euch, Ihr Weltwagenbauer in Wolfsburg: Ihr steht nicht über dem Gesetz. Ihr habt betrogen – und das vorsätzlich. Aber das ist es nicht allein: Ihr habt Euren Konzernerfolg über die Gesundheit von Millionen Menschen gestellt. Axel Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im Umweltbundesamt und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VCD, sprach im heute-Journal von „leisen Mördern“ bezogen auf Feinstaub und Stickoxide (NOx). Diese Schadstoffe aus Dieselauspuffen lösen Asthma, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Lungenkrebs aus und sind in der EU laut Weltgesundheitsorganisation die Hauptursache für etwa 400000 vorzeitige umweltbedingte Todesfälle.

Es geht zuerst um Menschenleben, nicht um Arbeitsplätze. Wann versteht das auch die deutsche Politik? Es geht um Menschenleben.

Michael Adler

fairkehr 5/2023