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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 4/2015

Ohne Gehen läuft nichts

Eine aktuelle Mobilitätsstudie zeigt: Die Politik tut zu wenig für den zunehmenden Fußverkehr.

Foto: fotolia.com/artensJeder Mensch geht mindestens einen Weg am Tag zu Fuß.

Wir sind viele. Wir sind überall. Und wir sind unterschätzt. Wir Fußgänger. Jeder Mensch geht täglich mindestens einmal zu Fuß. Sei es zum Auto, zur S-Bahn, zum Supermarkt. Die aktuelle Studie „Mobilität in Städten“ der TU Dresden drückt in Zahlen aus, was seit Jahren bekannt und jedem bewusst ist: Wir alle sind Fußgänger.

Die Daten von 2013 zeigen: In großen Städten wie Berlin, Frankfurt am Main, Rostock oder Halle an der Saale sind die Füße, gemessen an der Anzahl der Wege, sogar das Hauptverkehrsmittel. So legten die Einwohnerinnen und Einwohner Berlins 2013 erstmals mehr Wege zu Fuß zurück als mit dem Auto – als Fahrer oder Beifahrer: Der Fußverkehr hatte einen Anteil von knapp einem Drittel an den gesamten Wegen innerhalb der Stadt. Pkw, Motorrad und Transporter kamen auf etwa 30 Prozent, Bus und Bahn auf 27, Radverkehr auf 13 Prozent. In kleineren Städten und Gemeinden wie Bautzen und Heidenau in Sachsen oder Wülfrath in NRW liegt der Fußwegeanteil sogar bei mehr als 50 Prozent.

Der tatsächliche Anteil dürfte noch größer sein. Denn die Haushaltsbefragung erfasst lediglich die Einwohner, nicht die Besucher. „Das verzerrt das Geschehen auf den Straßen der Innenstädte“, sagt Stefan Lieb vom Fachverband Fußverkehr in Deutschland, FUSS e.V. „Die meisten Touristen legen ihre Wege in einem Mix von zu Fuß und öffentlichem Nahverkehr zurück.“ Außerdem berücksichtigen Mobilitätserhebungen oft nur das Hauptverkehrsmittel eines Weges, sie unterscheiden nicht zwischen einzelnen Etappen. Wenn Bahnfahrer zu Fuß zur Bahnhaltestelle gehen, erfassen die Wissenschaftler in der Regel ausschließlich die Bahnfahrt.

Allerdings haben die Mobilitätsforscher aus Dresden die Erhebungstechnik  2013 nach eigenen Angaben so verbessert, dass sie viele „vorher nicht berichtete Wege“ mitzählen konnten. Das betreffe vor allem kurze Fußwege.

In keiner der untersuchten Städte lag der Fußverkehrsanteil an den Wegen innerhalb der Kommune bei weniger als einem Viertel. „Fußgänger sind gerade in den Innenstädten keine Minderheit, sondern bilden dort oft die relative Mehrheit“, betont Stefan Lieb von FUSS e.V. „Völlig anders sieht die Verteilung der Haushaltsmittel aus. Für den Fußverkehr gibt es oft keinen eigenen Haushaltstitel, und wenn doch, handelt es sich um Kleinstbeträge.“ Den Fußverkehr wolle man offensichtlich nicht fördern, weil er sowieso da sei, so Lieb.

Ohne Fußwege kein ÖV

Auch der VCD-Bundesvorsitzende Michael Ziesak fordert mehr Aufmerksamkeit für Fußgänger von Politikern und Planern.  „95 Prozent der Wege zu Bus- und Bahnhaltestellen legen die Fahrgäste zu Fuß zurück“, sagt Ziesak. „Deshalb müssen die vielen Zumutungen auf dem Weg zur Haltestelle beseitigt werden. Das fängt bei Übergängen, Beschilderung und Beleuchtung an und endet nicht zuletzt bei sauberen, sicheren und wettergeschützten Wartebereichen.“

„Bike & Ride“– das heißt gute Radwege und Parkmöglichkeiten für Fahrräder an ÖV-Stationen – hat sich in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt. Es ist Zeit für „Walk & Ride“: sichere Fußwege und schöne Plätze für uns alle an Bus- und Bahnhaltestellen.

Kirsten Lange

Ergebnisse der Studie „Mobilität in Städten 2013“: bit.ly/1e4t7Ni

fairkehr 5/2023