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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2015

Per Dienstrad unterwegs

Das Dienstwagenprivileg gilt jetzt auch für Fahrräder.

Jürgen Haffner arbeitet bei Härter, einem Werkzeughersteller in Baden-Württemberg mit etwa 850 Beschäftigten. Es ist etwa drei Jahre her, da hörte der leidenschaftliche Radler von einem Erlass, der seine Phantasie beflügelte.

Er recherchierte und fand heraus, dass die Finanzminister der Bundesländer am 23. November 2012 beschlossen hatten, das Dienstwagenprivileg auf Fahrräder und Pedelecs auszuweiten. Hintergrund war, dass sich die Beamten in den Finanzämtern immer mal wieder mit entsprechenden Anfragen konfrontiert sahen. Vor allem seit die Zahl der Elektrofahrräder deutlich zugenommen hatte häuften sich die Fälle: Schließlich kosten Pedelecs ca. 1500 bis 3000 Euro.

Jürgen Haffner wandte sich an seinen Betriebsrat – und der startete eine Umfrage unter den Beschäftigten. Schnell wurde klar, dass es großes Interesse an Elektrofahrrädern als Dienstfahrzeugen gibt, denn der Unternehmenssitz von Härter in Königsbach-Stein liegt zwar inmitten einer reizvollen, aber auch hügeligen Landschaft. So begann der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung zu verhandeln. Die hat inzwischen einen Vertrag mit Mercedes Smart abgeschlossen. Für eine Leasinggebühr von 25 Euro, die von ihrem Bruttomonatslohn einbehalten werden, können Mitarbeiter ein schickes Pedelec bekommen – Versicherung und Wartung inklusive. Auch ein Helm und ein Schloss gehören zum Paket. Für Azubis kostet das Ganze 15 Euro. Die Batterien dürfen die Härter-Angestellten an ihren Arbeitsplätzen aufladen; demnächst soll es auf dem Hof eine Solartankstelle geben.

Vorbild für andere Betriebe

Seit dem Erlass ist aber auch klar: Für die unbeschränkte Nutzung eines Dienstrades müssen Beschäftigte ein Prozent des Kaufpreises als geldwerten Vorteil beim Finanzamt angeben. Nur Betriebsangehörige können einen Vertrag schließen, doch Ehemänner, -frauen und Kinder dürfen das Gefährt ebenfalls nutzen und sind damit gleichfalls versichert. „Wir bekommen inzwischen viele Anfragen von Betriebsräten“, berichtet Joachim Gent, der in der Mitarbeitervertretung bei Härter für das Thema zuständig ist. Über 100 seiner Kollegen haben inzwischen ein Rad; jedes Quartal können Spätentschlossene dazukommen.

Wie viele Fahrräder es als Dienstfahrzeuge in Deutschland inzwischen gibt, ist nicht herauszufinden. „Die Daten werden nicht erhoben“, sagt Christin Rödiger vom nordrhein-westfälischen Finanzministerium. Mit Sicherheit ist der Anteil aber noch verschwindend gering.

Anders sieht das bei Autos aus. Fast 64 Prozent der neuen Wagen werden heute von Betrieben zugelassen, berichtet das Kraftfahrzeugbundesamt. Das ­Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Universität Köln hat ausgerechnet, dass dem Staat durch das Dienstwagenprivileg jährlich 4,6 Milliarden Euro verloren gehen. Vor allem Dienstwagennutzer mit dicken, spritfressenden Autos, die viel privat unterwegs sind, profitieren auf Kosten der Allgemeinheit. Sie müssen weniger Einkommen versteuern und zahlen geringere Sozialabgaben.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat ausgerechnet, was das Dienstwagenprivileg für den Nutzer eines 29450 Euro teuren VW Passat bedeutet: Er muss monatlich lediglich ei­nen geldwerten Vorteil von 294,50 Euro versteuern. Würde er das Auto privat anschaffen, würde das seine Haushaltskasse monatlich mit 687 Euro belasten.

Annette jensen

fairkehr 5/2023