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VCD Aktiv 1/2015

Die Bahn ist wieder Testsieger

Auf der Suche nach dem besten Verkehrsmittel vergleicht der ökologische Verkehrsclub im „VCD Bahntest 2014/2015” den Fernlinienbus mit der Bahn und dem Auto.

Foto: Oli KeinathMit dem Zug kommen Reisende schnell und entspannt nach Berlin. Die Hauptstadt ist besonders gut angebunden.

Seit gut zwei Jahren fährt Deutschland Fernbus. Vor 2013 war der Linienverkehr für Fernbusse gesetzlich auf Fahrten nach Berlin, zu Flughäfen und Messen sowie auf Strecken, auf denen parallel keine Bahnen fuhren, begrenzt. Seither hat sich die Zahl der Fernbuslinien mehr als verdreifacht. Reisende konnten Ende 2012 lediglich auf 86 regelmäßigen Verbindungen durch die Republik fahren. 2014 waren es bereits 255 Strecken. Der VCD nahm die Entwicklung zum Anlass, um im „VCD Bahntest 2014/2015” den Fernlinienbus auf Herz und Nieren zu prüfen: Wie schlägt er sich im Vergleich zur Bahn und zum Auto?

Der Fahrpreis

Der Fernlinienbus ist eindeutig Preissieger: Auf 94 Prozent aller Strecken ist der Bus günstiger als die Bahn. Bahnfahren im Fernverkehr ist im Durchschnitt
139 Prozent teurer als Busfahren. Der VCD-Vorsitzende Michael Ziesak erklärt das so: „Die Bahn wird durch hohe Trassenpreise gegenüber dem Fernlinienbus benachteiligt.” Um auf der 190 Kilometer langen Strecke von Frankfurt nach Köln fahren zu dürfen, zahlt ein Bahnunternehmen beispielsweise rund 2400 Euro pro Fahrt an die DB Netz AG. Diese investiert das Geld in Bau und Wartung von Bahnhöfen und Gleisen. Im Gegensatz dazu zahlen Fernbusunternehmen und Autofahrerinnen und -fahrer bislang keine direkten Gebühren, die zum Erhalt der Straßen beitragen.

„Es muss eine Gleichbehandlung der Verkehrsträger geben. Es kann nicht sein, dass Fernbusse komplett von einer Maut befreit sind, während die Bahn und deren Kunden für immer höhere Trassenpreise aufkommen müssen”, so Michael ­Ziesak auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Bahntests. Der VCD fordert daher, dass der Bund eine fahrleistungsabhängige Maut für Busse und Pkw einführt.

Autofahrer sind auch ohne Maut am teuersten unterwegs: Im Durchschnitt zahlen sie 362 Prozent mehr als Reisende, die den Fernlinienbus wählen. Das liegt am Wertverlust der Autos sowie den Kosten für Kfz-Steuer und Versicherung.

Klimakosten und Fahrtzeit

Obwohl der Fahrpreis günstig ist, geht der Fernlinienbus nicht als Sieger aus dem Bahntest hervor. Denn auch Fahrtdauer und Klimaverträglichkeit haben die Verkehrsforscher des Hamburger Qualitätsforschungsinstituts Quotas, das der VCD mit der Studie beauftragt hat, in den Test einbezogen. Um die Verkehrsmittel optimal vergleichen zu können, haben die Gutachter Zeitwerte und CO2-Werte in Geldwerte umgerechnet und für das Endergebnis des Bahntests zum Fahrpreis addiert. Nach diesen Berechnungen ist die Bahn auf 60 Prozent der getesteten Strecken das optimale Verkehrsmittel. Der Bus liegt auf 40 Prozent der Strecken vorn, das Auto auf null Prozent. Unabhängig vom Verkehrsmittel verbanden die Teststrecken jeweils zwei Bahnhöfe.

Jede Fahrt, egal ob mit Bus, Bahn oder Auto, führt zum Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. Laut Umweltbundesamt sind die Emissionen beim Bus pro Fahrgast und Kilometer etwa ein Drittel geringer als bei der Bahn und dreieinhalbmal niedriger als beim Pkw. Auf der Internetseite der Stiftung myclimate können Reisende ausrechnen, wie viel Geld sie an Klimaschutzprojekte spenden müssten, wenn sie die Auswirkungen ihrer Fahrt auf das Klima ausgleichen wollten. Dieses Werkzeug haben auch die Forscher genutzt, um die CO2-Werte in Geldwerte umzuwandeln.

Großer Schwachpunkt der Fernbusse ist die Fahrtzeit: Für die Strecke von Göttingen nach Frankfurt beispielsweise benötigen Bahnreisende gut zwei Stunden, Autofahrerinnen und -fahrer sind 20 Minuten länger unterwegs und Busreisende kommen über eine Stunde später an ihr Ziel. Um die Verkehrsmittel optimal vergleichen zu können, haben die Gutachter auch die Zeitwerte in Geld umgerechnet und für das Endergebnis des Bahntests zum Fahrpreis addiert. Bei der Fahrtzeit berechneten sie für jede zusätzliche Minute gegenüber dem schnellsten Verkehrsmittel 0,23 Cent. Das entspricht 14 Euro pro Stunde. Auch diesen Wert haben sie zum Endergebnis addiert.

Wie hat der VCD getestet?

Die Fahrpreise und -zeiten für Bus und Bahn ermittelten die Gutachter über Buchungsportale im Internet. Bei Autos ist der Fahrpreis je nach Modell unterschiedlich. Die Gutachter wählten den VW Golf – Deutschlands meistgekauftes Auto. Dieser kostet laut ADAC als Neuwagen 42 Cent pro gefahrenem Kilometer ­– inklusive Wertverlust, Steuern und Versicherung.

Um realistische Durchschnittspreise für Reisen mit Bus, Bahn und Auto zu errechnen, legten die Gutachter verschiedene Konstellationen von Reisenden und Terminen zugrunde: Tages- und Wochenendfahrten von Einzelpersonen, Paaren und Familien mit zwei Kindern im Alter von acht und zehn Jahren.
Für den Test wählte der VCD die beliebtesten innerdeutschen Strecken bei Fernbusfahrten aus. Diese verbinden Großstädte wie Berlin mit Hamburg oder München mit Stuttgart. Aus den gesammelten Daten haben sie für Fernlinienbus und Fernbahn den Durchschnittspreis für jede Verbindung errechnet.

Erfahrungen mit dem Fernbus?

Quotas ließ Reisende in einer nicht repräsentativen Umfrage ihre zuletzt durchgeführte Reise mit dem Fernlinienbus ­beurteilen: Personal und Ausstattung erhielten gute Noten. Doch die Pünktlichkeit lässt zu wünschen übrig. Auf über der Hälfte der bewerteten Fahrten verspätete sich der Fernbus. Gründe dafür sind Staus und die verspätete Abreise.

Doch Fernlinienbusreisende haben in solchen Fällen kaum Anspruch auf Entschädigung. „Die Fahrgastrechte für Busse und Bahnen müssen angeglichen werden. Insbesondere bei Verspätungen. Die Ungleichbehandlung ist auf zwei Ebenen ungerecht: Einerseits haben Bahnreisende bislang mehr Rechte als Fernbusreisende. Andererseits beschert das den Bahnunternehmen höhere Kosten. Unabhängig davon muss aber bei Bus wie Bahn oberstes Ziel sein, Verspätungen zu vermeiden”, sagte Heidi Tischmann, VCD-Referentin für Verkehrspolitik und Verantwortliche für den Bahntest.

Eine Frage des Geschmacks

„Die Umfrageergebnisse unterstreichen die bereits bekannten Stärken der Bahn, die sie aber weiter ausbauen muss. Um für alle Fahrgäste attraktiv zu bleiben, muss es neben schnellen ICE-Verbindungen auch günstige IC, EC und IRE-Verbindungen geben”, resümiert Heidi Tischmann.

„Auch WLAN in allen Fernverkehrs­zügen sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein”, so Tischmann weiter. Konzernchef Rüdiger Grube kündigte kurz nach der Veröffentlichung des VCD Bahntests an, dass die Deutsche Bahn bis 2016 alle ICEs mit kostenlosem WLAN ausstatten will.

Welches Verkehrsmittel Reisende wählen, ist Geschmacksache: Sparfüchse fahren Fernlinienbus, wer auf den besten Mix aus Preis, Bequemlichkeit und Reisezeit setzt, fährt Bahn. Mit dem Auto sind diejenigen am besten unterwegs, die Ziele abseits der Bahn- und Fernbuslinien erreichen wollen. Wegen seiner hohen Flexibilität und der guten Erreichbarkeit der Ziele wählen 80 Prozent der Reisenden auf Langstrecken innerhalb Deutschlands das Auto. Trotz der Stärken der Konkurrenz.    

Benjamin Kühne

Infografik: fairkehr/Marc Venner

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fairkehr 5/2023