fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 6/2014

Porträts

Rolf Dreckmann: „Das Fahrrad verschafft Freiheit“

Foto: Marcus GlogerRolf Dreckmann (67) hat sein Fahrrad in der Stadt überall dabei.

Früher hat Rolf Dreckmann gerne große Radtouren gemacht: Mit einem Freund in zehn Tagen von Bonn nach Kiel, auf dem Rennrad und mit kleinem Gepäck. „Wir sind insgesamt 1200 Kilometer gefahren, mit einem Schlenker über die gerade geöffnete Grenze durch Ostdeutschland“, erzählt er. Das war 1991. Im Sommer darauf ging es nach Süden zum Bodensee. Es ist nicht das Alter, das dem heute 67-jährigen Bauingenieurs einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Eine Erkrankung an der Halswirbelsäule schwächt seine Muskulatur in den Beinen und macht ihm Probleme beim Gehen. „Bedingt durch die Krankheit hat die Fitness mehr und mehr nachgelassen“, sagt er. Vor vier Jahren hat Rolf Dreckmann das Rennrad seinem Neffen geschenkt, der jetzt in Zürich Runden damit dreht.

Den Spaß am Radfahren wollte sich Dreckmann trotzdem nicht nehmen lassen. Er hat ein Pedelec gekauft. Nachdem die erste Aufregung um die neue Technik vorbei war, hat er sich für ein solides Tourenrad mit Mittelmotor entschieden, das ihn locker 80 Kilometer weit beim Treten unterstützt. „Im letzten Jahr war ich mit Freunden in Berchtesgaden. Das Elektrorad hat mich auf Tagesetappen sehr gut durch die Voralpen gebracht, auch steile Rampen haben wir geschafft.“ Allerdings hat Dreckmann dort zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn der Akku an seine Grenzen kommt. Seitdem nimmt er das Aufladegerät in der Radtasche mit und lädt den Akku während der Mittagspause nach. Mit seinem alten Rennradkollegen war er neulich für zehn Tage in der Provence am Mont Ventoux, einem der legendären Gipfel der Tour de France. „Das ist auch nicht Holland und trotz Elektromotor ganz schön anstrengend“, erzählt Dreckmann.

Auf Städtereisen mit seiner Frau kommt das neue Faltfahrrad zum Einsatz. Während sie durch die Innen­­­städte bummelt, rollt er auf dem Rad nebenher. „Zusammengefaltet passt es in den Kofferraum unseres Autos, fährt aber auch leicht im Bus mit und bringt mich auf Besichtigungstouren von der Haltestelle zum Ziel“, sagt Dreckmann, für den mittlerweile schon kurze Fußwege ein Hindernis sind. „Die Fahrräder verschaffen mir Freiheit und vergrößern meinen Bewegungsradius“, sagt er.

Uta Linnert

 

Helene Belke und Rita Bauhardt: „Wir sind keine Drückeberger“

Foto: Anna SchöllFür die Schwestern Rita (79) und Helene (90) gehören Zugreisen ganz selbstverständlich zum Alltag.

Für Helene Belke (90) und ihre jüngere Schwester Rita Bauhardt (79) zählt ihr Alter nicht als Ausrede, um Zuhause zu bleiben. „Wir sind keine Drückeberger“, sagen sie. Die beiden möchten ihr Leben selbst bestimmen und aktiv gestalten. Dazu gehört für die Rentnerinnen nicht nur, den Haushalt zu schmeißen, sondern auch zu reisen, wann, wohin und womit sie wollen.

„Seit kurzer Zeit gönnen wir uns einmal die Woche eine ­Taxifahrt runter in die Stadt“, sagt Helene. „Aus reiner Bequemlichkeit“, fügt Rita hinzu. Sie könnten auch den Stadtbus nehmen, aber mit den Einkäufen sei die Taxifahrt einfach so viel komfortabler. Ein bisschen Luxus könnte man sich ja gönnen. Für das Schwesternpaar ist es selbstverständlich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen – auch für Fernreisen. Mehrmals im Jahr steigen sie in die Bahn, dann geht es von der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Idar-Oberstein ins fünf Stunden entfernte Bückeburg bei Hannover, die ehemalige Heimatstadt von Rita. Zweimal müssen sie den Zug wechseln, in Frankfurt am Main und in Hannover. Die Tickets kaufen sie am Schalter, ihre Koffer schicken sie per Versandservice Hermes voraus. Das schone die alten Knochen, lacht Rita. „Zugfahren ist prima. Wenn man einmal drinsitzt, muss man sich um nichts mehr kümmern. Und die Schaffner sind so hilfsbereit“, sagt die ­ältere Schwester Helene mit einem verschmitzten Lächeln. Nur das Einsteigen bereite ab und zu Probleme – aber das ginge den jungen Leuten ja genauso.

Anna Schöll

 

Ulla Mäueler: „Am Ball bleiben“

Foto: Marcus GlogerUlla Mäueler (66) hält sich mit täglichem Fahrradfahren fit.

Für Ulla Mäueler hat sich an ihrem Mobiliätsverhalten nach der Pensionierung wenig geändert. Als Sportlehrerin hat sie ihren sieben Kilometer langen Arbeitsweg zur Schule immer mit dem Fahrrad zurückgelegt, Sommer wie Winter. „Das Wetter ist mit entsprechender Kleidung ja gar kein Problem“, sagt die 66-jährige Bonnerin, „heute bekomme ich nur die regelmäßigen Kilometer nicht mehr so voll wie zu früheren Zeiten.“ Weiterhin fährt sie alle Alltagswege mit dem Fahrrad, und wenns bergauf geht, freut sie sich über das kostenlose Fitnesstraining. „Solange ich gesund bin, muss ich an meiner Mobilität nichts ändern“, sagt sie. „Ich will am Ball bleiben und weiter mobil sein.“ Das ist auch der Grund, weshalb sich Ulla Mäueler kein Pedelec kauft, wie es einige Gleichaltrige in ihrem Bekanntenkreis getan haben. Es sei für sie ein Schlüsselerlebnis gewesen, zu sehen, wie sich die Freundinnen erst für Bergfahrten in der Eifel ein Elektrofahrrad kauften und dann bequem wurden. „Das will ich nicht“, sagt sie. ­Gerade kommt sie von einer dreiwöchigen „China-by-Bike“-Reise zurück. Da habe sie auf den manchmal anstrengenden Radetappen sehr gut mit den jüngeren Mitreisenden mithalten können, freut sie sich.

Demnächst bricht sie für zwei Monate nach Burkina Faso auf, um ihre afrikanischen Freunde zu besuchen. „Das ist die große Freiheit des Pensionsalters“, sagt sie, „lange wegbleiben zu können, auch außerhalb der Ferienzeiten.”

Uta Linnert

fairkehr 5/2023