fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 6/2014

Kulisse für perfekte Winterferien

Auf der Alp Fops scheint die Zeit stehengeblieben zu sein.

Foto: Stefan SchwenkeMotive aus dem Schweizer Bilderbuch „Schellenursli“ hat Gian Malär gerahmt und aufgehängt. Er erzählt die Geschichte seinen Gästern. Es könnte seine eigene sein.

Ich hatte immer die größte Glocke“, sagt Gian Malär und lächelt verschmitzt, „denn wir Bauernkinder hatten bei den Umzügen natürlich einen Vorteil.“ Gian, der junge Wirt der Alp Fops – Stoffhose, Strickpulli, modischer Haarschnitt, Dreitagebart – erzählt seinen Gästen die Geschichte vom Schellen-ursli, die seine eigene sein könnte. Sie handelt vom Bauernjungen Urs, der wagemutig durch tiefen Schnee zur Almhütte seiner Eltern stapft, um die große Glocke für den Um­zug zu holen. Der Tradition folgend, treiben die Kinder der Engadiner Dörfer im Frühling mit lautem Kuhglockengeläut den Winter aus. Die gezeichneten Motive des bekannten Schweizer Bilderbuches hat Malär unter Glas gerahmt an die Fichtenwände seiner Hütte genagelt. Hier, auf 1800 Metern Höhe, oberhalb von Lenzerheide im Kanton Graubünden, passt die Geschichte perfekt.

Gians Alp Fops liegt gleich neben der Piste, mit dicken Schneepaketen auf dem Schindeldach. Wer zum Einkehren durch die knarrende Tür tritt, muss den Kopf einziehen und über eine dicke Holzschwelle steigen. Ein winziger Flur öffnet sich zur Küche. Dampfend stehen Töpfe auf dem Herd. Nebenan empfängt die Gäste eine sonnige Kammer mit großem Tisch, rundum laufender Holzbank und etlichen Stühlen auf dem Dielenboden. Eine kleinere Stube schließt sich an. Platz für vielleicht 30 Gäste. Der Holzofen bollert.

 Der 34-Jährige bewirtschaftet die Alp Fops, die traditionelle Almhütte seiner Familie, in Eigenregie. Nicht mehr ausschließlich als Alp- und Sennereibetrieb während der Sommermonate, so wie seine Vorfahren es jahrhundertelang taten, sondern als Einkehrhütte für Wanderer und Skifahrer in der Wintersaison.

Es gibt Gerstensuppe, eine klare Brühe mit Graupen und Gemüse. Dazu dicke Scheiben kräftiges Brot mit Bündner Fleisch und Bergkäse. „Das ist mein Mittagstisch“, sagt der junge Wirt, „das kann ich gut alleine vorbereiten.“ Abends serviert er für Gruppen auf Vorbestellung Raclette, Fondue oder Bündner Kapuns, eine Art Mangold-Schinken-Wickel. Die Produkte stammen aus dem Ort, der Käse, solange der Vorrat reicht, aus eigener Produktion. „Im Sommer haben wir immer noch Kühe hier oben, rund 20 Milchkühe und 40 Stück Jungvieh.“

Getränke und Lebensmittel, die nicht verderben, bringt Malär im Herbst über die Straße hoch, die lagern im alten Stall. „Brot, Käse und alles, was frisch ist, bringe ich morgens im Rucksack hoch, die Kanne Milch in der Hand”, berichtet Gian Malär von seinem Tagesablauf. Den Großteil der Zeit ist er allein auf der Hütte. Manchmal am Wochenende ist die Freundin da. Oder der alte Vater kommt, wenn Not am Mann ist, und hilft mit. Von ihm hat Gian die Hütte vor drei Jahren übernommen.

Foto: Alp FopsKlein, urig, gemütlich und dick verschneit: So stellen sich Gäste aus der ganzen Welt eine typische Schweizer Berghütte vor.

Zum Schlafen fährt Malär auf Skiern runter ins Dorf. „Es wird zu kalt hier oben am Berg“, sagt der junge Schweizer, „hier ist nichts isoliert. Nachts wird es drinnen gleich kalt wie draußen unterm Sternenhimmel. Im letzten Winter habe ich einmal minus 21 Grad gemessen“, erzählt er. Fenster und Türen sind nicht dicht, die Wände der Hütte aus einfachem Holz. Jeden Morgen muss er Feuer machen. Als Zusatz dient ein kleiner Gasofen. Auch im Untergeschoss bei den neu gebauten Toiletten flackert ein hübsches kleines Gasfeuer.

Jetzt am Mittag ist die Hütte mollig warm. Dick eingepackte Skifahrer kommen in die Stube, werfen Helme, Handschuhe, Jacken ab und setzen sich mit an den Tisch. „Die Tür lasse ich extra so knarzen“, erklärt Gian mit seinem Lächeln. „So höre ich an Schlechtwettertagen, wenn ich mich auf dem Dachboden aufs Ohr gelegt habe, wann die ersten Gäste eintreten.“

Vor ein paar Jahren diente die Alp Fops als Kulisse für den Werbespot von Schweiz Tourismus. Wahrscheinlich, weil dieses Kleinod noch so herrlich authentisch aussieht. So, wie sich Touristen in aller Welt eine typische Schweizer Berghütte vorstellen. Denn Gian Malär hat an der Originalstruktur des Maiensäss so wenig wie möglich verändert. An Expansion denkt er nicht.

Den Sommer im Blick

Obwohl ringsum in Lenzerheide kräftig gebaut und investiert wird. Erst in diesem Januar hat sich die Gemeinde mit dem Skiort Arosa zu einem der größten Wintersportgebiete der Schweiz zusammengeschlossen. Eine hochmoderne Pendelbahn verbindet die beiden Skigebiete und kann Pistensportler in drei Minuten in doppelter Reisebusstärke von Gipfel zu Gipfel über das bisher unverbaute Urdental hin und her befördern. Dessen direkte Erschließung konnten Umweltverbände bislang verhindern. Zwei neue Sessellifte, Berggasthäuser, Hotels und Ferienanlagen entstehen rundum oder sind schon fertig. Lenzerheides Tourismusdirektor Bruno Fläcklin spricht stolz über Investitionen in Höhe von 140 Millionen Schweizer Franken. Davon hat die Bergbahn allein 50 Millionen verschlungen. Lenzerheide soll für die Zukunft gut aufgestellt sein. „Wir brauchen diese Entwicklung“, sagt der Tourismuschef, „da­mit unsere Täler nicht leergefegt werden.“

All das ficht Malär nicht an. „Solange die Balance stimmt zwischen großen Hütten und kleinen, ist es okay“, sagt er. Neben den zufälligen Besuchern, die von der Piste hereinstolpern, hat er viele Stammgäste. Interessant sei, dass gerade den Deutschen die urige Hütte gut gefalle, sagt Malär. Musik lässt er bewusst nicht laufen. „Die Gäste mögen das so, haben das Gespür, genießen die Ruhe, verquatschen hier manchmal den ganzen Nachmittag.“

Foto Stefan SchwenkeGlocken für das Rindvieh: Die Alp Fops in Lenzerheide ist nicht nur Einkehrhütte, sondern den Sommer über eine echte Alm.

Bündner Spezialiäten

Und dann ist da noch der Sommer. „Im Frühjahr, wenn die Lifte stehen, wird es richtig ruhig. Dann müssen die Zäune gemacht werden, dann kommt das Vieh, das ist besonders schön.“ Auch im Sommer hält Malär den Betrieb offen. Wenn Wanderer vorbeilaufen, bekommen sie ein Glas Milch oder einen Käse auf der Terr­asse. Im Sommer ist insgesamt weniger los. „Aber das wäre noch ausbaufähig“, sagt Malär.

Auch die Marketingstrategen in Lenzerheide setzen verstärkt auf den Sommer. Seit einigen Jahren stellt die Destination den Mountainbike-Sport ins Zentrum ihrer stategischen Ausrichtung. Einige Radstrecken führen direkt an der Alp Fops vorbei. Da ist die Hütte der ideale Standpunkt für eine Einkehr, bevor sich die Biker die letzten 300 Höhenmeter hinunter ins Dorf stürzen.

Zum Abschied lässt Malär seine Gäste ein Stück Nusstorte probieren. Auch dieses Gebäck ist eine Bündner Spezialität. Der junge Hüttenwirt verkörpert den Typus des traditionsbewussten Schweizer Bergbewohners moderner Strickart perfekt. Sein Erscheinungsbild und Auftreten würde ebenso gut in eine Bar nach Zürich passen. Aber Malär hält an Lenzerheide fest, weiß, was er hier hat. „Um meine Hütte mache ich mir keine Sorgen“, sagt Mälar und zeigt die großen Kuhglocken, die im Eingang des Maiensäss hängen. Bis Ende der Skisaison Mitte April ist die Alp Fops abends immer ausgebucht.

Uta Linnert

 

Tipps für den Urlaub in Lenzerheide

Skifahren: Das neue Skigebiet Arosa Lenzerheide bietet nach dem Zusammenschluss 225 Pistenkilometer. Die Ski-Tageskarte kostet für Erwachsene 69 Franken, etwa 56 Euro. Das Ticket ist gleichzeitig Fahrkarte für den öffentlichen Verkehr auf den Verbindungen Arosa-Chur-Lenzerheide-Tiefencastel. Die Skipässe gibt es schon in Chur am Bahnhof.

Wintersport: Schneefreundinnen und -freunde, die Alpinskifahren für eine rücksichtslose, umweltzerstörende Materialschlacht halten, haben Alternativen. In Arosa können sie Berge und Schnee beim Wandern oder mit dem Schlitten genießen, ohne sich als Außenseiter zu fühlen. Der Traditionsort in Graubünden hat genausoviele Spazierwege wie Pistenkilometer und die Hütten erreicht man dort nicht nur auf Skiern sondern vor großarigem Panorama auch zu Fuß.

Anreise: Mit dem ICE oder per Nachtzug nach Zürich, umsteigen nach Chur (Halbstunden-Takt) und von dort mit dem Postbus nach Lenzerheide oder mit der Rhätischen Bahn über Viadukte und Haarnadelkurven die 1000 Höhenmeter hinauf nach Arosa. Mehr Informationen zur Fahrt ab Zürich gibt es hier.

Einkehrschwung: Alp Fops, Lenzerheide, abends auf
Bestellung: Tel.: +41 78 7970806

Unterkunft: Schweizerhof, am Dorfplatz gelegenes Traditionshotel, das ökozertifiziert ist und nach eigenem Leitbild Umweltverantwortung ernstnimmt.

Mehr Informationen zum Urlaub in Graubünden und in der Schweiz generell gbit es hier.

fairkehr 5/2023