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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 3/2014

Smart und energieautonom

Smart City steht nicht für eine bestimmte Stadt. Es ist ein Sammelbegriff für Projekte, die neue Technologie und Energiesparen verknüpfen. Nachbarland Österreich fördert das im großen Stil.

Foto: bebeSchon ganz schön „smart“: Solaranlagen, Dachbegrünung und das Gewächshaus in der Glaskuppel gehören zum Ökopark der steirischen Kleinstadt Hartberg. Der Ökopark verbindet Gewerbe, Forschung und Erlebnis an einem Standort: www.oekopark.at

In internationalen Smart-City- und Lebensqualität-Rankings belegt Wien regelmäßig Spitzenplätze. Das Strategiepapier für Wiens Zukunft bis 2050 gibt ambitionierte Ziele vor – zu Energie, Mobilität und Gebäuden. So soll der Anteil des Autoverkehrs von heute 28 Prozent bis 2030 beinahe halbiert werden. Ab 2050 sollen innerhalb der Stadtgrenzen nur noch Autos mit alternativen Antrieben unterwegs sein. „Wien entwickelt mit dem Konzept Smart City und vielen Einzelprojekten das Bestehende weiter“, erklärt Ina Homeier, Smart-City-Wien-Projektleitern in der Abteilung für Stadtentwicklung und Stadtplanung. Die Smart-City-Projekte werden mit Geld aus dem Klima- und Energiefonds angestoßen. „Sie schaffen einen hohen Mehrwert, weil sie dazu beitragen, dass viele sehr unterschiedliche Partner aus Forschung, Industrie, Stadtverwaltung und Planungsbüros sich austauschen und zusammenarbeiten“, sagt Homeier.

Ein Großprojekt und Experimentierfeld von Smart City Vienna ist der im Nordosten Wiens entstehende neue Stadteil Aspern Seestadt ­– auf einem ehemaligen 240 Hektar großen Flugfeld mit Wohnungen für 20000 Menschen und ebenso vielen Arbeitsplätzen. Ziel der Stadt Wien ist es, Aspern Seestadt in Koopertion mit Siemens und weiteren Partnern zum internationalen Kompetenzzentrum zu machen. Außerdem soll es Vorzeigeprojekt sein für den Einsatz intelligenter Energiesysteme im urbanen Raum. Neue Technologien werden in realen Anwendungen an einem großen Stadtentwicklungsprojekt erprobt und mit Echtdaten werden nachhaltige und innovative Produkte aus dem Energiebereich im Alltagsgebrauch erforscht und weiterentwickelt. Bis 2018 werden rund 40 Millionen Euro in diese Forschungsprojekte investiert. Mit dem Technologiezentrum Aspern IQ wurde bereits eine energieschonende Gewerbeimmobilie verwirklicht, die mehr Energie produzieren soll, als sie verbraucht.

Langsamer ist schlauer

Aspern Seestadt ist auch Wiener Modellregion für umweltfreundliche Mobilität: Im Jahr 2013 wurde der Anschluss ans Wiener-U-Bahn-Netz eröffnet. Pro Wohnung wird es zwei Fahrradabstellplätze und nur 0,7 Kfz-Stellplätze geben. Gut ausgebaute Radwege, sichere Abstellplätze, Bus- und Straßenbahnlinien ergänzen das Angebot.
Die vielen Smart-City-Projekte in Österreich haben ein gemeinsames Ziel: die Energieeffizienz zu erhöhen, den Einsatz erneuerbarer Energieträger voranzutreiben und die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das Ziel soll mit unterschiedlichen Teilprojekten erreicht werden, die vor allem auf technische Lösungen setzen. Fernziel ist die Energie-autonomie, die „Zero Emission City“.

Motor ist das gut dotierte Förderprogramm des Klima- und Energiefonds. Die österreichischen Bundesministerien für Umwelt und für Infrastruktur riefen es 2007 ins Leben, um ihre Klimastrategie zu unterstützen. Von 2010 bis heute hat der Klima- und Energiefonds 33 Millionen Euro für seine Smart-City-Initiative zur Verfügung gestellt. Beworben haben sich neben der Millionenstadt Wien auch Regionen und Kleinstädte.

Beispielsweise die 11000-Einwohner-Stadt Hartberg in der Steiermark. Sie hat sich dem „Citta Slow“-Konzept verschrieben: Mehr Lebensqualität durch Entdeckung der Langsamkeit im Alltag, setzt einen Kontrapunkt zur Schnelllebigkeit und Vereinheitlichung von Städten. Darauf aufbauend möchte Hartberg nun auch Smart City werden – im Bewusstsein, dass eine kleine Stadt andere Lösungen und Ansätze braucht, um „smart“ zu werden. Hartberg erhält von 2012 bis 2014 aus dem Smart-City-Programm des Klima- und Energiefonds 530000 Euro.

Mit dem Fördergeld konnte die Stadt bereits einen Shared-Space-Bereich einrichten, in dem sich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger die Straße teilen. Zwei weitere sollen folgen. Kürzlich startete die Gemeinde ein Elektroauto-Carsharing, mit dem Ziel, durch dieses Vorbild privates Carsharing salonfähig zu machen.

Für den Citybus wurde eine Info-App mit Abfahrtszeiten und Verspätungen in Echtzeit entwickelt. Auch ein Stadt-Informationssystem mit eigener App und Bildschirmen in der Stadt ist geplant, das die Konzentrationen von Feinstaub, Stickoxiden und Ozon anzeigt und Handlungsempfehlungen gibt.

Die Vision: null Emission

In Vorarlberg ist das Rheintal der zentrale Lebensraum, ein fast geschlossenes Siedlungsband, bestehend aus 29 Gemein­den, in denen 240000 Menschen leben. Grundlegende Vision ist die Energieautonomie bis 2050, ein Ziel, das das Landesparlament beschlossen hat.

Konkret bedeutet das: den Einsatz erneuerbarer Energieträger bis 2050 um 50 Prozent zu steigern und den Energieverbrauch um 60 Prozent zu verringern. Insgesamt sollen die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2005 um 93 Prozent sinken.
Smart City Rheintal schafft dafür Referenzprojekte. Es umfasst vier größere Bauvorhaben: darunter die Wiederbelebung eines ehemaligen Textilindustrie-Komplexes, in dem Wohnungen, betreutes Wohnen sowie ein Gewerbegebiet entstehen. Bereits die Planungen sehen eine optimale Anbindung an den öffentlichen Verkehr vor – etwa durch den Bau einer Bushaltestelle direkt im Quartier.

In der Landeshauptstadt Bregenz ent­stehen zwei weitgehend emissionsfreie Stadtteile, das Seequartier und die Seestadt, „Die Projekte verknüpfen wohnen, leben, einkaufen und arbeiten möglichst intelligent und richten alles auf Energieeffizienz und Bedienerfreundlichkeit aus“, erklärt Projektleiter Christian Eugster von der Vorarlberger Kraftwerke AG. Der Einsatz neuer Technologien, etwa die Nutzung von See- bzw. Grundwasser sowie lokal verfügbarer Biomasse für Wärmeversorgung, soll die Emissionen auf ein absolutes Minimum reduzieren.

Fördermittel, wie sie der Klima- und Energiefonds vergibt, fasst vorhandene Ansätze unter dem Label „Smart City“ zusammen und setzt österreichweit systematisch Impulse für die Entwicklung „smarter“ Projekte für Energieversorgung, Wohnbau und Mobilität. Da viele der Projekte noch am Anfang stehen, bleibt abzuwarten, wie weit diese Pilotprojekte Vorbildwirkung und Breitenwirkung entfalten, hin zu einer energiebewussten Trendwende bei Wohnbau und Mobilität.

Christian Höller

fairkehr 5/2023