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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 3/2014

Zukunft in die Hand nehmen

Umweltaktivist Rob Hopkins macht mit seinem neuen Buch Lust, Probleme vor Ort selbst anzugehen. Er erzählt, wie sich weltweit Städte und Viertel vom Erdöl unabhängig machen.

Foto: Jim WilemanRob Hopkins bei der Gartenarbeit: Von seiner britischen Heimatstadt Totnes aus expandiert seine Idee der Transition Towns, „Städte im Wandel“, in alle Welt.

Klimawandel, globale Wirtschaftskrise, Energieknappheit und steigende Arbeitslosigkeit – all diesen Problemen müssen sich Städte in Zukunft mehr denn je stellen. Aber wer findet die Lösungen und wer macht den Anfang? Politiker? Unternehmen? Technik? „Unwahrscheinlich“, sagt der Umweltaktivist und Gründer der „Transition- Town-Bewegung“ Rob Hopkins. Er ermutigt dazu, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und am besten sofort damit anzufangen. Transition Town, das heißt so viel wie „Stadt im Wandel“: Seit 2006 planen Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in vielen Kommunen weltweit den Übergang in eine postfossile Wirtschaft, getragen von den Menschen vor Ort.

Mit seiner Stupsnase und den Segelohren schaut der 45-jährige Brite stets ein wenig so aus, als führe er etwas im Schilde. Rhetorisch ist er brillant, man hört ihm gern zu. Egal, ob er auf einer Konferenz per Monitor zugeschaltet wird, er live auf der Bühne steht oder ob man sein neues Buch „Einfach. Jetzt. Machen!“ liest: Er erklärt komplizierte Dinge mit einfachen Worten und veranschaulicht sie anhand treffender Beispiele und Bilder. Er liefert die Fakten über unsere Abhängigkeit vom Erdöl, die drohenden Klimaveränderungen und die globale Wirtschaftslage. „Wir haben unsere gesamte Lebensweise auf der Annahme aufgebaut, dass wir immer genug Öl haben werden: Mobilität, Bauwerke, Wirtschaftswachstum, Energieversorgung“, sagt Hopkins. „Der Grad unserer Abhängigkeit vom Öl entspricht dabei dem Grad unserer Verletzbarkeit.“

Im Buch kommt Hopkins zügig zu seiner Herzensangelegenheit: den Transition Towns und dem Übergang in ein Leben nach dem Erdöl. Auch hier hält er sich nicht lange mit Theorie auf, sondern macht Mut und erzählt die Geschichten der Transition-Bewegungen dieser Welt. Mehr als 1000 Gruppen in 40 Ländern auf vier Kontinenten haben sich seit 2005 von dem Transition-Gedanken anstecken lassen, dass lokales Handeln die Welt verändern kann.

Rob Hopkins: Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir ­unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen, oekom verlag 2014, 12,95 Euro

Einfach jetzt machen

Viele haben bereits „The power of just doing stuff“ erlebt, wie sein Buch noch viel treffender im Original heißt. Die Menschen des Transition-Netzwerkes haben in ihrer Straße, ihrem Viertel oder ihrer Stadt Gemeinschaftsgärten angelegt, Energiegenossenschaften gegründet, regionale Wirtschaftspläne aufgestellt, Ausbildungsstätten geschaffen, Tausch- und Leihbörsen organisiert. Alle Projekte haben eines gemeinsam: Geld, Ideen und Arbeitskraft fließen nicht länger in einen anonymen globalen Kapitalmarkt, sondern bleiben in der Region.

Der Wandel vollzieht sich in jeder Stadt anders. Er hängt von den Menschen vor Ort ab, von ihren Ideen, ihrer Kraft und ihren Möglichkeiten. Deshalb ist das Buch von Hopkins auch keine Anleitung und kein Regelwerk. Es ist vielmehr Motivationshilfe und Handbuch. Es macht Lust, selbst aktiv zu werden und Probleme vor Ort anzugehen. „Sie können sich Transition wie Open-Source-Software vorstellen“, sagt Hopkins. „Jeder, der mitmacht, hat darauf Zugriff, wendet es bei sich vor Ort an und ist dadurch auch Teil der Weiterentwicklung.“

Die Beispiele im Buch zeigen, dass die oft belächelten Graswurzelbewegungen sehr wohl etwas verändern können. Vor allem erhöhen sie die sogenannte Resilienz der Gemeinschaften. Man könnte auch sagen, Transition Towns werden krisenfest. Der Begriff Resilienz stammt aus der Psychologie und der Ökosystem-Forschung und meint die Fähigkeit eines Systems, auf Veränderungen zu reagieren und Störungen auszugleichen.

Rob Hopkins ist niemand, der verklärt seine Ideale verkauft. Er verschweigt bei den Transition-Town-Geschichten nicht, mit welchen Startschwierigkeiten die Projekte zu kämpfen hatten. Er beschreibt auch klar und deutlich, wie viel Arbeit diejenigen erwartet, die einfach jetzt etwas machen wollen. Trotzdem klappt man das Buch am Ende voller Hoffnung und Tatendrang zu.

Valeska Zepp

fairkehr 5/2023