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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 3/2014

Flotter Dreier

Liegedreiräder sind in der Szene seit Jahren im Trend. Mit Elektrounterstützung werden sie zum Renner. Doch taugen sie auch für das Fahren im Verkehr? Ein Selbstversuch.

Foto: Daniel KrausSie nennen sich Trikes: Mit Elektrounterstützung sind die neuen Liegedreiräder pfeilschnell, besonders als S-Pedelec. Man testet sie besser vorher auf einer freien Fläche – und nicht gleich im Verkehr.

Zwei Räder vorn, eins hinten, dazwischen der Sitz und vorn die Pedale. Vor uns steht die neueste Trike-Generation von HPVelotechnik, dem führenden deutschen Liegeradhersteller aus dem hessischen Kriftel bei Frankfurt. Das schnelle Elektro-Dreirad Scorpion fs 26 S-Pedelec darf mit Motor und Pedalantrieb zusammen bis zu 45 km/h schnell fahren.

Nach einer kurzen Einweisung neh­me ich Platz und fühle mich sofort wohl. Der anatomisch geformte Spannsitz bietet guten Halt. Der Lenker kann individuell eingestellt werden, so dass ich Bremsen, Schalthebel und Bedienkonsole für den Motor gut im Griff habe. Die Länge passt. Füße auf die Pedale. Die sind – ungewohnt – etwas höher als der Sitz. Auf längeren Strecken sind deshalb Fahrradschuhe und Klickpedale zu empfehlen. Dann den Motor einschalten, die Feststellbremse lösen, in die Pedale treten und los geht es – in die ersten Runden auf dem Hinterhof. Das klappt wunderbar. Draufsetzen und losfahren, so einfach geht es wirklich. Gokart-Feeling stellt sich ein. Das macht richtig Spaß.

Dann geht es hinaus in den rauen Großstadtverkehr. Düsseldorf ist zwar auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt, aber noch ziemlich weit vom Ziel entfernt. Die vierspurige Straße ist ohne Radweg. Egal, denn mit einem schnellen Pedelec wie diesem darf man eh nur auf der Straße fahren, weil es rechtlich als Kraftfahrzeug gilt.

Äußerlich ist das am kleinen Nummernschild zu erkennen, denn eine Haftpflichtversicherung ist vorgeschrieben. Die Vierspurigkeit kommt deshalb gerade gelegen. Ich fahre mitten auf der rechten Spur und werde überraschenderweise akzeptiert. Kein Hupen, kein enges Überholen, kein Drängeln. Liegt das an der Auffälligkeit des ungewöhnlichen Fahrzeugs, an der breiteren und besser erkennbaren Silhouette des Dreirades oder daran, dass ich dank der Motorunterstützung locker im Verkehr mitschwimme? Wahrscheinlich spielt alles zusammen. Ich fühle mich jedenfalls trotz der niedrigen Sitzhöhe von 32 cm über dem Asphalt sicher. Nur einmal flüchte ich verbotenerweise auf den Radweg, auf einer sechsspurigen Straße mit erlaubten 60 km/h. Da traue ich mich zur Hauptverkehrszeit nicht von der rechten Spur auf die linke, um weiter geradeaus fahren zu können.

Über Schotter locker hinweg

Ansonsten geht es munter geradeaus. Mal eben die acht Kilometer in die Innenstadt zu einem Termin geht es schweißfrei und so schnell wie mit dem Auto – wenn wenig Verkehr ist. Bei dichtem Verkehr steht man mit dem schnellen Elektro-Dreirad wie mit dem Auto im Stau – auch eine neue Erfahrung. Da lockt dann zwar der Radweg am Straßenrand – breit genug wäre er – aber der ist genauso tabu wie das schöne Stück Wegstrecke durch den Stadtpark. Richtig Freude macht dagegen der letzte Kilometer der Heimfahrt: mit 35 km/h den Berg hinauf. Das ist einfach nur schön.

Auch schnell bergab oder über schlechte Wegstrecken mit Schlaglöchern und Schotter rollt das Scorpion sicher und souverän. Möglich macht dies die hervorragende Straßenlage durch automobile Fahrwerktechnik mit Einzelradaufhängung, McPherson-Federbeinen und Querlenker zur Stabilisation. Und wenn es mal regnet, hält der durchsichtige Wetterschutz, genannt Streamer, zumindest den Unterkörper zuverlässig trocken. So könnte die Zukunft des „automobilen“ Nahverkehrs aussehen.

Peter Barzel

Technische Informationen

Das Scorpion fs 26 S-Pedelec ist ein schnelles Elektrotrike. Es gilt als Kraftfahrzeug und braucht deshalb eine Haftpflichtversicherung – sichtbar an dem kleinen Nummernschild. Wer damit unterwegs ist, muss im Besitz einer Fahrerlaubnis sein: eine Mofa-Prüfbescheinigung oder ein Führerschein. Das Dreirad ist voll gefedert. Gefaltet passt es in den Kofferraum eines VW-Golf. Das Scorpion gibt es auch als normales Pedelec bis 25 km/h oder ganz ohne Motor. Diese Modelle gelten dann rechtlich als Fahrrad.

Preis: 6990 Euro, Streamer (Wetterschutz als Zubehör): 449 Euro, www.hpvelotechnik.com

fairkehr 5/2023