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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2014

Peters Paris

Als Gast kommen, als Freund gehen: Die „Paris Greeters“ zeigen Touristen kostenlos ihre persönlichen Stadtviertel.

Foto: Kirsten LangeMontmartre-Besucher genießen auf dem Weg zur Basilika Sacré-Coeur den Blick vom Hügel. „Paris Greeter“ Peter Olson kann nicht nur die Kirchen, Regierungsgebäude oder Türme am Horizont benennen, sondern kennt auch die Namen der lokalen Streetartisten.

Einer der persönlichen Paris-Führer ist schwedischer Rentner, Kettenraucher, Kaffeeliebhaber und Kunst- und Kultur-Junkie. Peter Olson weiß alles über die Maler, Bildhauer und Architekten, die im Künstler-Stadtteil Montmartre lebten, liebten, arbeiteten. Er kennt die versteckten, kleinen Cabarets und Programmkinos. Die Gräber der Prominenten auf dem Friedhof Montmartre hat er bereits viele Dutzend Male besucht, allein oder mit Gästen. Und er kann die meisten Streetart-Künstler benennen, die ihre Zeichnungen auf Montmartres Mauern und Häuserwänden hinterlassen haben.

Der 70-jährige Schwede Peter, der fließend Französisch, Englisch und Deutsch spricht, zog vor 40 Jahren der Liebe wegen nach Paris. Seit drei Jahren ist der zweifache Vater und Großvater ehrenamtlicher Stadtführer für den Verein Parisien d’un Jour, zu Deutsch: Pariser für einen Tag. Der Verein gehört zum weltweiten Greeter-Netzwerk. Das Prinzip: Einheimische führen Gruppen von maximal sechs Personen durch ihre persönlichen Stadtviertel – in kleine Weinhandlungen, über Wochenmärkte, zu ihren Lieblingscafés. Oder zu versteckten Brunnen, in Hinterhof-Ateliers und kleine Parks. Dabei lassen sie sich auch auf spontane Vorschläge und die Wünsche ihrer Gäste ein. Damit Gast und Greeter zusammenpassen, müssen Besucher spätestens zwei Wochen vor ihrer Reise auf der Internetseite von Parisien d’un Jour ein Formular ausfüllen mit Angaben zum Stadtviertel ihrer Wahl, zur Wunschsprache und ihren Interessen. Anschließend meldet sich der Greeter per E-Mail für genaue Absprachen.

Foto: Kirsten LangeDer Laden des gemeinen Gemüsehändlers Collignon aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“ gehört zu Peters ­Standardstationen.

Peter wird mindestens zweimal im Monat als persönlicher Stadtführer gebucht, beispielsweise von Streetart-Fans – oder von Liebhabern der Amélie Poulain. Der Kinofilm „Die fabelhafte Welt der Amélie“ wurde größtenteils im Montmartre gedreht. Deshalb steuert Peter auf Touren regelmäßig Orte an wie den Eckladen mit der roten Markise des gemeinen Gemüsehändlers oder das Café, in dem Amélie kellnert.

Und zum Schluss einen Kaffee

Auch Touristen-Tummelplätze steuert der Kunst- und Kulturexperte an. Denn wer den Montmartre-Hügel schon einmal erklommen hat, sollte den grandiosen Blick vom Vorplatz der weißen Basilique Sacré-Coeur über die französische Hauptstadt genießen. Und den Rundgang durch eben diese „Basilika vom Heiligen Herz Jesu“ gleich mitnehmen.

Foto: privatDer 70-jährige Greeter Peter betreibt ein Blog (www.peter-pho2.com) über sein persönliches Paris, mit den Schwerpunkten Architektur, Kunst und Kultur.

Auch hügelabwärts wandert Wahlpariser Peter mit seinen Gästen in der Regel, ins Vergnügungsviertel Pigalle, wo die berühmte rote Windmühle steht. Das weltbekannte Varieté Moulin Rouge geht in der Häuserzeile am vielbefahrenen Boulevard de Clichy fast unter.

Peter hat viel Zeit, fragt immer wieder, was seine Besucherinnen und Besucher denn noch gern sehen würden. Am Ende der Tour setzt er sich mit seinen Gästen in ein Bis­tro gegenüber vom Moulin Rouge und trinkt einen einstündigen Abschluss-Kaffee mit ihnen. In der Zeit erfahren sie viel über Peters Vergangenheit als vielreisender Mitarbeiter eines großen, weltweiten Papierherstellers – und über die neusten Bausünden im Viertel. In Zeiten von Facebook ist klar: Das war nicht der letzte Kontakt, den Peter Olson mit seinen Gästen aus Deutschland hatte.

Kirsten Lange

Die Greeter-Bewegung

Parisien d’un Jour – Paris-Greeter ist Teil des Greeter-Netzwerks aus vielen Städten weltweit. Es entstand in New York, wo sich 1992 die Big Apple Greeter gründeten. Das Paris-Greeter-Programm gibt es seit mehr als fünf Jahren. Sein Ziel: den Ruf der Einwohner zu retten, die in der Welt als arrogant gelten. Die Greeter arbeiten ehrenamtlich und nehmen kein Trinkgeld an. Die Organisationen freuen sich allerdings über Spenden. Und der Greeter selbst freut sich, wenn man ihn auf einen Kaffee einlädt.

fairkehr 5/2023