fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2014

Traumstadt Lissabon

In Lissabon rumpeln Trams die Hügel hinauf und herab, die bei uns im Museum stehen würden. Auf den Rundfahrten in den „amarelos“ erlebt man die Stadt und ihre Menschen.

Foto: fotolia/mlehmann78Freundlich und heiter präsentieren sich die engen Gassen, durch die historische Staßen- und Standseilbahnen rattern.

Im Film „Nachtzug nach Lissabon“ nach dem Roman von Pascal Mercier, der in den Kinos lief, steigt ein Berner Gymnasiallehrer unvermittelt in den Zug und fängt in der portugiesischen Hauptstadt ein neues Leben an. Wir wollen zwar gerade kein neues Leben beginnen, aber doch zehn Tage in der Stadt verweilen, die wegen ihrer historischen Trams, des gesalzenen Stockfischs und ihrer Lage am Atlantik weltberühmt ist. Doch so einfach wie im Roman kommt man mit dem Zug nicht nach Lissabon. Man muss via Paris und Irun viel Durchhaltewillen beweisen. Doch wie sagte ein Freund von mir: „Easyjet nach Lissabon ist halt nicht so ein guter Buchtitel.“

Lissabon empfängt uns mit offenen Armen. Die Stadt ist sanft, freundlich, hat ein angenehmes Tempo, glanzvolle Gebäude, und von ihren sieben Hügeln sieht man das Meer. Touren mit den berühmten Trams stehen auf unserem Reiseprogramm.
Die Linie 28 fährt von der Haltestelle Martim Moniz quer durch die Stadt, durch derart enge Gassen, dass im Weg stehende Autos manchmal von Passanten weggeschoben werden müssen. Erstaunlich, wie rüstig sich die alten Leute die steilen Stufen in die offene Tram
hinaufschwingen, als wären sie noch keine vierzig. In den Trams mit ihren blank gesessenen Holzbänken herrscht eine familiäre Atmosphäre. Ein Schaffner reißt Papierfahrkarten ab und gibt Wechselgeld. Auf den kürzeren Strecken, den verkabelten „Ascensores“ oder „Elevadores“, den Standseilbahnen, die steil den Berg hinauf- oder hinabführen, hat man kaum Zeit zu bezahlen, so schnell ist die Fahrt wieder vorbei.

Die schönste Tramstrecke ist die Eléctrico 28. Sie führt durch die Altstadtviertel Graça und Alfama zur Feira da Ladra, Lissabons größtem Flohmarkt, gleich hinter der weißen Barockfassade des Klosters São Vicente de Fora. Die Endhaltestelle liegt gegenüber dem Cemi-tério dos Prazeres, dem Friedhof, über den wir wie der Held aus Antonio Tabucchis „Lissabonner Requiem“ flanieren. Im Roman des italienischen Autors lässt sich der Erzähler an einem siedend heißen Sommersonntag durch Lissabon treiben. Er besucht alte Freunde und Weggefährten, manche leben noch, andere sind längst tot – so wie der geheimnisvolle Gast, den er nachts um zwölf zum Essen einlädt und der niemand anderer ist als Fernando Pessoa. Der berühmte Volksdichter begegnet einem sehr oft in der Stadt am Rio Tejo, dem längsten Fluss Portugals und Spaniens.

Foto: lushik/istockphoto.comBlick über die Altstadt auf das Kloster São Vicente de Fora.

Mit dem Schnellbus zum Strand

Die Stadt, die sich uns bei strahlender Oktobersonne präsentiert, macht einen heiteren Eindruck. Und einen edlen. In der Belle Époque wollte Lissabon das Paris des Südens sein. Man sieht die Bemühungen von damals an jeder Ecke. Viele Jugendstilbauten und -elemente schmücken die weiße Stadt. Die Fußgängerzone in der Baixa, der unteren Altstadt, ist mit weiß-schwarzen Mosaiken belegt – très chic. Vielleicht sind es die vielen Parks mit ihren uralten Bäumen, die ihre Äste wie knorrige Finger zum Himmel strecken, die einen Hauch der Lissabon nachgesagten Melancholie verbreiten, vor allem bei Einbruch der Dämmerung.

Wird es in der Stadt zu heiß, fährt die Bevölkerung zum Baden an den Strand Caparica auf der anderen Seite des Tejos. Der Schnellbus ist in 30 Minuten dort. Ein weiterer kühler Ort, wenn die Stadt zu flirren beginnt, ist Sintra, das man mit dem Zug ebenfalls in einer halben Stunde erreicht. Hoch oben auf einem Hügel hat sich ein unterbeschäftigter Königsgemahl ein portugiesisches Schloss Neuschwanstein gebaut. Der Palácio da Pena liegt in einem riesigen Waldgebiet und ist mit einem Touristenbus erschlossen.

Die Küche Lissabons macht, man möge mir den Snobismus verzeihen, einen etwas ungeschliffenen Eindruck. In den meisten Restaurants kriegt man fettiges Spanferkel oder das Nationalgericht Bacalhau serviert, gesalzenen Stock­fisch, den man schon sehr gern haben muss, damit man den Gestank aushält. Umso glücklicher sind wir, als wir das Restaurant Rosa da Rua im Bairro Alto (obere Altstadt) entdecken, das ein wunderbares Büfett auch mit vegetarischen Speisen anbietet – eine seltene Freude in Lissabon, wo Fleisch und Meerestiere auf jeden Teller gehören. Auch im Szenelokal Bica do Sapato im Hafen, das dem US-Schauspieler John Malkovich gehört, kriegt man Penne mit Vegisauce, und im edlen Restaurant Via Graça hat man nebst köstlichem Essen einen wunderbaren Ausblick über das nächtliche Lissabon. Endgültig versöhnen wir uns mit der portugiesischen Küche beim Dessert: Der Galao, ein Michkaffee im Glas, hat genau die richtige Mischung aus Kaffee und Milch, und die Pastéis de Nata, karamellisierte Törtchen mit Vanillecreme, machen süchtig. Süchtig nach mehr Lissabon.

Stefanie Stäuble

Reiseinformationen

Zugverbindung: Mit Umsteigen über Paris und Irun nach Lissabon. Dauer von Köln: 27 Stunden. Mehr Infos: www.vertraeglich-reisen.de/anreise-zug

Übernachten: Estrela de Ouro, Largo Trindade Coelho 6–3 im Bairro Alto, Tel. (00351) 213465110 (einfache Pension, Dusche/WC auf dem Flur, aber im Zentrum, U-Bahn-Station Baixa-Chiado).

Essen: Rosa da Rua, Rua da Rosa 265; Bica do Sapato, Av. Infante D. Henrique; Restaurante Via Graça, Rua Damasceno Monteiro 9;

Cafés im Art-déco-Stil: A Brasileira, Rua Garrett 120; Nicola, Rossio 24

Parks: Lissabon hat über 60 Gärten und Parks, darunter den Jardim Botânico da Universidade de Lisboa, Rua da Escola Politécnica 56–58; Jardim à Estrela, ­Calçada da Estrela; Jardim Botânico da Ajuda, Calçada da Ajuda; Jardim-Museu Agrícola Tropical, Largo dos Jerónimos.

ÖV und Tourismus: Am Knotenpunkt Cais do Sodré (Bahnhof, Metro, Fährterminal) legen die Fähren nach Montijo, Cacilhas und Seixal ab, ; alle ÖV-Linien bei Transportes de Lisboa

Weitere Infos: Visit Lisboa

fairkehr 5/2023