Politik 2/2014
Grips statt Beton
Wie kann Europa endlich auf der Schiene zusammenwachsen?
Wer heute versucht, mit der umweltfreundlichen Bahn in Europa mobil zu sein, wird oft enttäuscht. Viele grenzüberschreitende Verbindungen haben die Bahnen eingestellt, die Züge fahren oft langsamer als vor dem Krieg. Das europäische Eisenbahnnetz ist ein Flickenteppich, dessen Lücken ausgerechnet an den Grenzen klaffen.
Das ist keinem Geldmangel, sondern einer falschen Prioritätensetzung geschuldet. Extrem teure Großprojekte – Brenner-Basistunnel, Stuttgart 21 oder die Feste Fehmarnbeltquerung – verschlingen auf Jahrzehnte die verfügbaren Mittel. Dadurch fehlen die Gelder für kleine, aber wirksame Projekte, wie die Wiederherstellung oder Ertüchtigung grenzüberschreitender Strecken.
Darunter leiden nicht nur die Fahrgäste, sondern auch das Klima. Während Autos, Lkw und Flugzeuge heute problemlos über Grenzen hinweg fahren oder fliegen, wird die umweltfreundliche Schiene an der Grenze ausgebremst. Folge: Der Verkehr ist nicht nur für ein Viertel aller Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich, sondern hat seinen Ausstoß seit 1990 auch um 27 Prozent gesteigert. In der Industrie hingegen konnten sie im selben Zeitraum um 34 Prozent gesenkt werden.
Diese Erfahrungen sollten den europäischen Regierungen eine Lehre sein, wenn sie in diesem Jahr erstmals Mittel aus dem neuen Haushalt für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) beantragen. Insgesamt 26 Milliarden Euro stellt die EU im Zeitraum 2014–2020 zur Verfügung. Dabei sollte gelten: Grips statt Beton. Die EU muss die Gelder für echten europäischen Mehrwert einsetzen und besonders die durch Kriegs- und Nachkriegszeit entstandenen Lücken im Bahnnetz schließen.
Wie das gehen kann, zeigt ein Forschungsprojekt der Grünen im Europäischen Parlament. Alle grenzüberschreitenden Lücken wurden erfasst und untersucht. Statt eines einzigen der Großprojekte ließen sich problemlos 15 vielversprechende kleinere und mittlere Vorhaben – wie zwischen Freiburg und Colmar, Kleve und Nijmegen oder von Berlin nach Breslau, Swinemünde und Stettin – realisieren.
Auch auf der Schiene muss in Europa zusammenwachsen, was zusammengehört!
Michael Cramer,
verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament