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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 6/2013

Mehr Freiraum, mehr Leben

Die grüne Vizebürgermeisterin Wiens will einen menschen- und städtverträglichen Verkehr und Steuergelder dafür sinnvoll einsetzen: Das Beispiel Mariahilfer Straße zeigt, wie es geht.

Computerillustration: b+b orso.pitroSo sehen die Planer die Mariahilfer Straße in einigen Jahren. Beim dreitägigen Proberaum konnten die Bürger auf ganzer Breite ­testen, wie die traditionelle Einkaufsmeile zukünftig zu genießen ist (Bilder rechts).

Sie ist eine der bekanntesten Straßen Wiens: Die traditionelle Einkaufsmeile Mariahilfer Straße verbindet den Westbahnhof mit der Innenstadt. Auf ihren knapp zwei Kilometern sind sehr viele Fußgänger und Radfahrer zu den Läden, Cafés und Banken unterwegs. Bisher fuhren auch masssenhaft Autos über die Einfallstraße Richtung Museumsquartier in den ersten Bezirk der Stadt und wieder hin­aus.

Damit ist jetzt Schluss. Die Mariahilfer Straße wird verkehrsberuhigt. Die rot-grüne Ratsmehrheit schafft Platz für Fußgänger und Radfahrer. Die Pläne der beauftragten niederländischen Stadtplaner des Büros B+B aus Amsterdam sehen vor, dass im mittleren Teil der Straße eine Fußgängerzone mit Aufenthaltsflächen, konsumfreien Zonen, Sitzbänken und Spielmöbeln entsteht. Radfahrer dürfen hier trotzdem im Schritttempo fahren. Die daran anschließenden Abschnitte werden zu Begegnungszonen umgebaut. Das heißt, hier werden Autos zugelassen, sie dürfen aber nur Tempo 20 fahren und nicht parken. Fußgänger können die ganze Fahrbahn benutzen, Radfahrer ebenso.

Foto: stadtland/Dominik Mandl

„Mit der Neugestaltung der Mariahilfer Straße werten wir eine der beliebtesten Straßen massiv auf. Damit bekommt Wien einen zeitgemäßen FußgängerInnen-Boulevard mitten in der Stadt“, schreibt Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin der Stadt Wien, auf ihrer Homepage. Ihr Credo: „Kein Wiener und keine Wienerin sollte mehr auf das eigene Auto angewiesen sein.“ Die Verkehrsstadträtin der Grünen leitet das so bezeichnete Zukunftsressort, zu dem Verkehr und Stadtentwicklung gehören. Auch der Umbau der Mariahilfer Straße soll in die Zukunft weisen und vermitteln, wie es gelingen kann, den Menschen die Stadt zurückzugeben.

In die Planungsphase wurden die Bürgerinnen und Bürger einbezogen: mit runden Tischen, Anwohnerbefragungen und Dialogboxen im Internet. Als weitere Maßnahme, sie von den Vorteilen einer autofreien Mariahilfer Straße zu überzeugen, ließ die Verkehrsstadträtin im Frühjahr die Straße von Fahrzeugen räumen und richtete einen dreitägigen „Pro­beraum“ ein. So konnten Anwohner und Besucher ihre „Mahü“ schon einmal versuchsweise auf ganzer Breite genießen.

Fotos: Christian Fuerthner/PID
Fotos: Christian Fuerthner/PID

Seit Mitte August ist das neue Verkehrskonzept in Kraft. Die Straße ist zwar noch nicht so schön umgebaut wie auf den Zeichnungen der Planer, aber sie ist autofrei. Die querenden Straßen sind jetzt Sackgassen und auch der Bus fährt außen herum. Um Ausweichverkehr zu reduzieren, hat Vassilakou den angrenzenden Bezirken flächendeckend Tempo 30 verordnet. In den nächsten beiden Jahren soll die Oberflächengestaltung in der Fußgängerzone umgesetzt werden, von 2015 bis 2016 der Umbau der Begegnungszone. Erste Sitzinseln aus Granit und Eichenholz sind schon da – inklusive Baumbepflanzung.

„Für wachsende Städte wie Wien ist es besonders wichtig, im dicht verbauten Gebiet neue Freiräume und mehr Platz für Fußgänger zu schaffen. Mit der Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße haben die Wienerinnen und Wiener mitten in der Stadt einen neuen Ort zum Flanieren und zum Verweilen bekommen“. sagt Andreas Baur, Pressesprecher der Verkehrsstadträtin. Ob es gefällt und wie die Menschen den neuen Freiraum annehmen, soll eine Evaluierung zeigen. So lange können sie den Stadtplanern auf facebook ihre Meinung sagen und Verbesserungsvorschläge machen.

Uta Linnert

fairkehr 5/2023