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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 6/2013

Barrierefreie Orte finden

Wheelmap ist eine Onlinekarte, auf der Freiwillige rollstuhlgerechte Cafés, Kinos, Arztpraxen oder Bahnhaltestellen verzeichnen und bewerten – gute Idee mit kleinen Schwächen.

Oft entscheiden die letzen Meter: über das Treffen mit Freunden im Café, ein Rendezvous im Restaurant, den Kinoabend oder auch über das Einkaufen im Supermarkt. Schon eine einzelne Stufe am Eingang kann für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Wie praktisch wäre es, vorher zu wissen, ob diese Ziele barrierefrei zugänglich sind. Genau hier setzt die Wheel­map an. Diese Karte im Internet bewertet Orte nach ihrer Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer.

Mit ein paar Klicks können Nutzer nicht nur rollstuhlgerechte Bars, Cafés und Läden finden, sondern auch selbst ergänzen und markieren – und das weltweit. Die Wheelmap ist ein sogenanntes Community-Projekt. Alle können mitmachen und auf der Karte darüber Auskunft geben, wie zugänglich ein Ort für Rollstuhlfahrer ist.

Aktiver Lebensstil für alle

Raul Krauthausen, vermutlich Berlins bekanntester Rollstuhlfahrer, hat die Wheel­map erfunden. Als sich ein Freund beschwerte, dass sie sich immer im selben Café treffen müssten, beide aber keine Ahnung hatten, wo sonst ein nahes Lokal ohne Eingangsstufen zu finden sei, wurde die Idee geboren. Mit seinem Verein Sozialhelden e.V. setzte der studierte Kommunikationswirt die Wheelmap vor gut vier Jahren um und erhielt dafür viele Auszeichnungen.

„Genau genommen sind wir alle behindert – irgendwann“, sagt Krauthausen gern. In Deutschland gibt es 1,6 Millionen Menschen im Rollstuhl. 4,8 Millionen Deutsche nutzen einen Rollator – Tendenz wegen des demografischen Wandels steigend. Sie können eine Treppe genauso wenig überwinden wie Rollstuhlfahrer. Egal aus welchen Gründen die Mobilität eingeschränkt ist – der 33-jährige Berliner will, dass alle Menschen ein aktives und abwechslungsreiches Leben führen können.

Barrierefreiheit bedeutet für ihn, den öffentlichen Raum und die öffentlichen Verkehrsmittel so selbstverständlich nutzen zu können wie ein Nichtbehinderter. Seit 2010 trägt die Wheelmap – auch als App für Smartphones – dazu bei und bietet Informationen zu mehr als 380000 Orten weltweit. Täglich kommen 300 neue Tipps dazu.

Drei Fragen sind entscheidend, um einen Ort auf der Wheelmap bewerten zu können: Kommen Rollstuhlfahrer über­haupt rein? Sind alle Räume zu erreichen? Gibt es ein rollstuhlgeeignetes WC? Wenn alle drei Antworten Ja lauten, gilt der Ort als voll rollstuhlgerecht und kann in der Wheelmap mit einem grünen Wimpel versehen werden. Gelb werden Lokalitäten markiert, die nur teilweise rollstuhlgerecht sind. Rote Wimpel kennzeichnen nicht rollstuhlgerechte Lokalitäten. Es gibt auch graue Orte, die noch nicht bewertet sind. In der Wheelmap kann jeder suchen und finden. Anmelden muss man sich nur, um neue Orte zuzufügen oder zu bewerten. Kostenfrei ist die Wheelmap in allen Fällen.

Die Wheelmap ist gratis und auch als App fürs Smartphone erhältlich.

Besser geht immer

Wie bei anderen Community-Projekten, zum Beipiel Wikipedia‚ sind Qualität und Aktualität der Einträge abhängig von denen, die mitmachen. Das führt manchmal zu Enttäuschungen: „Niemand verifiziert die Angaben der Orte auf Aktualität oder Zuverlässigkeit. Leider haben wir schlechte ­Erfahrungen gemacht“, sagt Alexander Ahrens aus Berlin. Der Rollstuhlfahrer berichtet von einem mexikanischen Restaurant, das er mit seiner Freundin – ebenfalls Rollstuhlfahrerin – besuchen wollte. Bei Wheelmap stand, es habe keine Eingangsstufe, stufenlose Räume und eine barrierefreie Toilette. Fakt war aber: Der stufenlose Eingang war nur im Sommer möglich, da es sich um die ebenerdige Terrassentür handelte, die im Winter von innen mit zahlreichen Tischen und Stühlen zugestellt war. Im Restaurant gab es auf dem Weg zur Rollstuhltoilette eine sehr hohe Stufe von mehr als sieben Zentimetern. Außerdem nutzte die Belegschaft das Rolli-WC als Sozialraum und Abstellkammer.

Grundsätzlich findet Ahrens die Idee der Wheelmap gut. Der Begriff „rollstuhlgerecht“ werde aber hier zu pauschal definiert. „Jeder Rollstuhlfahrer hat einen individuellen Bedarf, zum Beispiel die Türbreite. Ich brauche nur 65 Zentimeter, meine Freundin 75. Oft scheitert die Erreichbarkeit an der Türbreite und nicht an der Stufenhöhe“, sagt Ahrens.

Es gibt also Nachbesserungsbedarf bei der Wheelmap. Je mehr Menschen sich an dem Projekt beteiligen, Orte markieren, Bilder hochladen und Kommentare verfassen, desto genauer und zuverlässiger wird die Karte – nicht nur für Rollstuhlfahrer und Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind. Auch Eltern mit Kinderwagen können nachschauen, ob eine Bushaltestelle, der Eingang zu einem Geschäft, einer Bank oder einer Arztpraxis zu bewältigen ist.

Alle Besitzer von Einrichtungen, die rot oder gelb markiert sind, möchten die Wheelmap-Erfinder vom Verein Sozialhelden e.V. anregen, über die Barrierefreiheit in ihren Räumen nachzudenken und sie zu verbessern. Auf der Internetseite von Wheelmap findet man deshalb auch Informationen zu barrierefreier Architektur und zu mobilen Rampen.

Valeska Zepp

VCD-Informationen zu barrierefreiem Tourismus.

fairkehr 5/2023