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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2013

Top für Österreichs Jugend

Die Verkehrsbetriebe Österreichs machen den Jugendlichen im Land ein unschlagbares Angebot.

Foto: Wiener Linien/Johannes ZimmerAuch die Wiener Linien laden mit preiswerten Tickets Jugendliche zum Mitfahren ein.

Zeichen und Wunder geschehen manchmal tatsächlich – auch im öffentlichen Verkehr, in Österreich. So gibt es nun im ganzen Land in jedem Verkehrsverbund sehr günstige Jahreskarten für Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge.

Mit seinem „Top-Jugendticket“ überraschte der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) im September 2012 in Österreich alle. Das ÖPNV-Unternehmen brachte diese Jahreskarte für Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge bis 24 Jahre für unglaublich günstige 60 Euro auf den Markt. Der VOR ist der größte Verkehrsverbund Österreichs und umfasst die drei Bundesländer Wien, Niederösterreich und das Burgenland, ein Gebiet von rund 23500 Quadratkilometern, das von rund 3,6 Millionen Menschen bewohnt wird. In Deutschland wäre das der Fläche nach das sechstgrößte, nach der Einwohnerzahl das siebtgrößte Bundesland. Mit dem „Top-­Jugendticket“ in der Tasche dürfen die jungen Leute ein Jahr lang mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Bahn, Bus und Stadtverkehren im gesamten Verbundgebiet unterwegs sein, ohne Einschränkungen, rund um die Uhr.

„Wichtig war, dass die Eigentümer der Verkehrsverbund Ost-Region GmbH, die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland, diese Vereinfachung im Bereich des Schülertickets wollten“, erklärt Wolfgang Schroll, einer der beiden Geschäftsführer des VOR. „Und dass das Wirtschaftsministerium, zuständig für den Familienlastenausgleichsfonds, aus dem die Schülertickets subventioniert werden, auch Interesse hatte.“

Sofort ein großer Erfolg

Der VOR, in dessen Gebiet 40 Verkehrsunternehmen tätig sind, darunter große wie die ÖBB und die Wiener Linien, landete damit einen großen Erfolg: Von rund 514000 berechtigten Schülerinnen, Schülern und Lehrlingen kauften im ersten Jahr 230000 das Ticket.

Thomas Bohrn, ebenfalls Geschäftsführer beim VOR, unterstreicht die enorme Vereinfachung der Bürokratie: „Beim ermäßigten Schülerticket für die Fahrt von zu Hause in die Schule musste jeder Schüler individuell die Strecke von zu Hause zur Schule beantragen und jeder Antrag musste überprüft werden. Das fällt beim neuen Ticket alles weg.“

Foto: Wiener Linien/Thomas JantzenWer als Schülerin viel und gern mit Bus und Bahn unterwegs ist, bleibt vielleicht auch als Erwachsene dabei – eine Idee hinter den Jugendtickets in Österreich.

Veränderte Lebensumstände

Das alte Schüler- und Lehrlingsticket, also die Fahrkarte für den Weg zur Schule oder den Arbeitsweg für 19,60 Euro, gibt es weiterhin, aber es schließt viele Jugendliche aus. Denn es setzt die Festlegung eines Wohnortes voraus, außerdem muss die Stecke zumindest viermal pro Woche befahren werden. Auch ist eine Mindestdistanz zur Schule erforderlich. Wenn etwa in Patchwork-Familien Kinder zwischen Vater, Mutter und Großeltern pendeln, von unterschiedlichen Wohnorten aus die Schule besuchen oder der Weg zur Musikschule oder zum Sport vom Schulweg abweicht, gilt das Schülerticket nicht. Mit der neuen Jahreskarte können die Jugendlichen überallhin fahren. „Die neuen Angebote reagieren auf veränderte Lebensumstände und Mobilitätsbedürfnisse“, unterstreicht Thomas Bohrn. Sie können damit neben dem Schulweg auch in der Freizeit selbstständig unterwegs sein. Ein weiterer Punkt: Es macht den öffentlichen Verkehr auch über das Führerschein­­alter, das oft eine Umbruchphase im Mobilitätsverhalten ist, hinaus attraktiv.

Verkehrsverbünde zogen nach

Das neue Jugendticket des VOR machte enormen Druck auf die fünf Verkehrsverbünde in den anderen Bundesländern Österreichs. Nur in Vorarlberg gab es schon seit fast zehn Jahren ein günstiges Ganzjahres-Jugendangebot. Und sie zo­gen alle binnen Jahresfrist nach: Seit dem Schuljahr 2013/2014 gibt es solche günstigen Jahresnetzkarten für Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge bis 24 Jahre in allen Bundesländern Österreichs. Voraussetzung sind Wohnsitz und Schule oder Lehrstelle im Bundesland sowie ein Bezug der Familienbeihilfe. Die Ticketpreise variieren zwischen 60 und 96 Euro. Bezugsberechtigt sind österreichweit rund 1,2 Millionen Jugendliche. Die Tickets gelten von September bis September, auch in den Ferien.

Einen Wermutstropfen gibt es trotzdem: Studierende sind auch unter 24 Jahren von der Benutzung dieser Tickets ausgeschlossen. Das zu ändern haben die Parteien vor der Nationalratswahl im September 2013 versprochen – man darf gespannt sein, ob sie sich nach der Regierungsbildung noch daran erinnern. Nicht gelungen ist es, ein einheitliches österreichweit gültiges Ticket einzuführen.

Christian Höller

Beim VCÖ-Mobilitätspreis 2013 wurde das Top-Jugendticket des VOR zum Gesamtsieger gekürt.

fairkehr 5/2023