fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2013

Die Liebe – eine Täuschung

Auf das neue Autoportal „Car.A.Mia“ sollen Frauen voll abfahren. Unsere Autorin findet: Totalschaden.

Reinklicken und wundern: caramia.de

Klarer Auftrag. Ich halte das durch, fange gut gewillt an. Im Internet, im Online-Magazin „Car.A.Mia. Weil wir Autos lieben.“ machen sich Leute dafür stark, dass sich Frauen hinters Steuer setzen. Ich dachte zwar, das sei schon selbstverständlich hierzulande. Aber nun, interessant. Und irgendwie ja auch politisch. Im absolutistischen Königreich Saudi-Arabien gehen Frauen derzeit gegen ein Fahrverbot auf die Straße. Sie wollen mehr als den Beifahrersitz. Durchatmen. Ich soll die Seite nur beschreiben.

Start. Ein Psychotest. Ausgerechnet. Welcher Einpark-Typ bist du? Ich soll sagen, ob ich gelassen einparke, ob ich gern eine Garage hätte, ob mich Rückfahrkameras nerven. Du? Immer wieder dieses du! Schnell durch. Fertig. Aber dann, gute Güte, soll ich sofort den nächsten Test machen: „Welches Auto passt zu mir?“
Mal ganz nebenbei, liebe Macher dieser Blechseite: Ich bin Radfahrerin. Aus Überzeugung. Und nein, ich habe das Rad nicht nach Farbe, sondern nach Technik ausgesucht. Die „perfekte Autowäsche“? Die „Erotik des Überbrückungskabels“? Ob Jogi Löw nach zu viel Bier noch Auto fährt? Interessiert! Mich! Nicht! Halt. Das Gefühl, das mich beschleicht, kenne ich. Aus dem Jahr 2009 zum Beispiel. Damals siegte sich die FDP zu Tode. Oder aus dem Bundestagswahlkampf 2013. Der Aufstand gegen das bisschen Veggie Day. Ich bin nun mal nicht Mainstream.

Aber immerhin kommt die Seite hübsch unschuldig rüber, mit Herz und mit Liebe zur Familie. Und da darf sogar die Carline Mohr schreiben. Dabei hat sie, so lese ich, „eigentlich keine Ahnung von Autos. Sie kann sehr schlecht einparken und hat elf Punkte in Flensburg“. Sie darf trotzdem schreiben, auch „weil ihr Name das Wort Car enthält“. Nett, oder?

Suche nach den Verantwortlichen. Die Plattform wird bestückt von der „Autobild“-Redaktion aus dem Hause Springer, die sich das von der Autoindustrie bezahlen lassen. Also nicht direkt, aber über Anzeigen. Eine Masche der Lobbyisten: Sie klinken sich ins Netz ein und dominieren eine Plattform. Dabei geben sie vor, da teilten Menschen reinen Herzens einfach ihre gemeinsame Verzückung für einen Gegenstand: das Auto.

Jetzt verstehe ich endlich, was „Astroturfing“ ist. Die subtile Technik der PR-Leute, deren Name aus den USA kommt. „Astroturf“ ist eine Marke für Kunstrasen. Die Strategie: eine Graswurzelbewegung vortäuschen und die öffentliche Meinung beeinflussen. Mit viel Emotion. Car.A.Mia ist also keine putzige Unterhaltungsplattform, sondern bedenklich ernstzunehmen.

Also, noch ein Klick. „Mädels, er ist wieder da!“ Dann steht da: „Im neuen Autowäschekalender präsentieren sich blassbrüstige Normalo-Männer in lustigen Unterhosen vor hübschen Autos.“ Und ich, meine Liebe, bin schon lange nicht mehr gutgewillt.

Hanna Gersmann

fairkehr 5/2023