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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 5/2013

Kurze Nachricht, lebenslanges Leid

Ein bewegender Film des Regisseurs Werner Herzog dokumentiert Verkehrsunfälle, die passierten, weil Autofahrer am Steuer eine SMS in ihr Mobiltelefon tippten.


Ich liebe dich“, tippt ein angehender Vater während der Autofahrt zur Arbeit in sein Mobiltelefon und ist in Gedanken noch ganz bei seiner Frau. Als die Antwort kommt, kann der junge Mann es nicht abwarten, sie zu lesen. Er rast in diesem unaufmerksamen Augenblick mit seinem Van in eine Pferdekutsche und tötet drei Kinder im Alter von 5, 7 und 17 Jahren.

Anhand von vier Schicksalen zeigt der deutsche Regisseur Werner Herzog in einem Dokumentarfilm, welche dramatischen Auswirkungen eine schnell getippte SMS oder auch nur der Blick auf das Display des Handys während einer Autofahrt haben kann. Der 35-minütige Film in englischer Sprache „From One Second to the Next“ ist Teil der amerikanischen Kampagne „Texting and Driving – It can wait“. Herzog, Regisseur großer Filme wie Fitzcarraldo oder Cobra Verde, hat den Film im Auftrag amerikanischer Telefonunternehmen gedreht. Sie soll Warnung sein, vor allem für die jugendliche Handygeneration. „Hier werden Familien von Katastrophen erschüttert“, sagte er der Nachrichtenagentur AP zur Tragweite, die das Thema für ihn hat.

Unglück auf beiden Seiten

Es ist eine Landstraße inmitten blühender Felder und kleiner Bauernhöfe, über die die Kamera den Zuschauer mit zur Unfallstelle nimmt, an der die drei Kinder starben. Der junge Autofahrer spricht über den verheerenden Aufprall, von seinen Schuldgefühlen, wie das Texten der SMS „von einer Sekunde zur andern“ sein Leben zerstört und das der Kinder ausgelöscht hat. Ein stämmiger Polizist stockt beim Bericht über die Kinderleichen, die er am Straßenrand liegend fand.

Erschütternd genau beschreibt der Film das Leid aller Beteiligten. Es sind unaufdringliche Einstellungen und ruhige, ergreifende Bilder, die Menschen zeigen, deren Leben die Unfälle für immer verändert haben. Die Schwester eines heute schwerbehinderten Jungen zeigt am Unfallort, wie sie ihren kleinen Bruder am Straßenrand an der Hand hielt, als ein Auto den Achtjährigen erfasste und mitriss. „Und plötzlich war meine Hand leer“, sagt sie. Auch die Verursacher zeigt der Film in ihrem Schicksal, das Geschehene niemals rückgängig machen zu können. „Ich erinnere mich nicht, was ich tippte, so unwichtig war es“, sagt ein Lastwagenfahrer völlig verzweifelt. Er rammte dabei ein entgegenkommendes Auto und riss zwei Väter in den Tod.

In der Dokumentation heißt es, dass in den USA jedes Jahr mehr als 100000 Verkehrsunfälle passieren, weil die Fahrer sich von ihren Handys ablenken lassen. Die Telefongesellschaften wollen den Film an 40000 Schulen zeigen. Im Internet wurde die Dokumentation bereits über 115000-mal angeklickt. Der Inhalt des Films ist aber kein auf Amerika beschränktes Problem. Auch keines, das nur Jugendliche etwas angehen würde. Wie viele derartige Unfälle es in Deutschland sind, weiß niemand. Doch eines ist sicher: Nahezu jeder hat heute ein Mobiltelefon bei sich, auch im Auto. Wie schwer es ist, ein klingelndes Handy zu ignorieren, ist ebenfalls bekannt.

Wer jemals in Versuchung war, beim Signalton einer eingehende Nachricht kurz aufs Display zu blicken, sollte sich die möglichen Folgen in Werner Herzogs Dokumentation anschauen. Alle Menschen, die der Filmemacher interviewt hat, wollten reden, um weiteres Leid zu vermeiden: „Don’t text and drive“ ist ihre Botschaft – schreibe niemals SMS beim Autofahren. Bis zum nächsten Parkplatz damit zu warten, rettet Leben.     

Uta Linnert

fairkehr 5/2023