Reise 4/2013
Gütesiegel im Ökotourismus
Sinnvolle Orientierung oder Verbraucherverwirrung?

Das Verrückte ist ja, dass die meisten Menschen keines dieser Labels kennen, wie unter anderem das Tourismusbarometer 2010 zeigte. Das ist ein Teufelskreis: Reiseanbieter lassen sich nicht zertifizieren, weil der Kunde damit nichts anfangen kann. Der Kunde kennt die Zertifikate nicht, weil es nur wenige Anbieter benutzen. Es muss also etwas passieren, dass man im Alltag auch öfter darauf stößt. Es bringt nichts, das soundsovielte Zertifizierungsmodell zu entwickeln, sondern die, die wir haben, bekannt zu machen. Was als Nächstes kommen muss, ist, dass mehr Geld in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit gesteckt wird.
Dennoch kann man dem Verbraucher leider nicht ersparen, sich auch ein bisschen mit der Materie auseinanderzusetzen. Nachhaltigkeit ist an sich ein komplexes und teilweise widersprüchliches Thema. Und in Bezug auf Reisen erst recht. Es beinhaltet viele Aspekte. Zum Beispiel Klimaschutz, Umweltmanagement, Regionalentwicklung oder Entwicklungshilfe. Je nachdem worauf man blickt, kann das eine oder andere auf der Strecke bleiben. Negative Klimaeffekte und positive Wirtschaftseffekte stehen sich da oft im Weg.
Ich ärgere mich oft darüber, dass die Tourismusbranche so opportunistisch ist. Man schielt immer darauf, ob ökologisches oder soziales Engagement dem Image dient. Große Reiseveranstalter wollen am liebsten mit wenig Geld ein kleines, aber unbedeutendes Umweltprojekt, das sie sich groß auf die Fahne schreiben können. Da ist man dann schnell beim Greenwashing. Die Großen machen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit nur mit, wenn für sie unmittelbar etwas dabei herausspringt. Die kleinen Reiseveranstalter stehen ideell eher dahinter – erreichen aber weniger Urlauber.
Wolfgang Strasdas