fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 3/2013

Lastenrad: gute Beispiele

Wo Lastenräder bereits erfolgreich eingesetzt werden.

Foto: Peter Barzel

Nicht ohne mein Lastenrad

„Seit meiner Betriebsgründung vor zehn Jahren nutzen wir fast ausschließlich ­Lastenfahrräder.“ Wir, das sind der Düsseldorfer Schornsteinfegermeister Lutz Drewanz, sein Geselle und der Auszubildende. „Vorn in die Box kommen die sauberen Sachen rein wie Messgeräte, Laptop, Akten. Hintendrauf kommt das Kehrgerät, alles das, was schmutzig werden kann“, sagt Drewanz. In der Altstadt mit ihren eingeschränkten Zufahrtszeiten und Parkmöglichkeiten sei das gar nicht anders möglich. Und bei den kurzen Wegen sei man mit dem Rad eh schneller. Regnet es stark oder sind die Wege weiter, kommt das Lastenrad in den erdgasbetriebenen Lieferwagen. Der dient dann als Basislager für mehrere Einsatzorte, die vom Auto aus mit dem Lastenrad angefahren werden. Lutz Drewanz ist nicht der einzige Schornsteinfeger, der nicht mehr auf das Lastenrad verzichten möchte. In 15 der 34 Düsseldorfer Kehrbezirken sind die Kollegen ebenfalls mit dem Lastenrad im Einsatz.

VCD-Projekt „Ich fahr’ Lastenrad“

„Das Potenzial des Lastenrades im städtischen Wirtschaftsverkehr ist groß – wir wollen helfen, es auszuschöpfen“, sagt Wasilis von Rauch. Er leitet beim VCD das neue Projekt „Ich fahr’ Lastenrad“. Es will Lastenradhersteller und Unternehmen vernetzen. „Oft fehlt es Unternehmen an konkretem Wissen über Anwendungsmöglichkeiten.“ Außerdem wird der VCD die Vorteile von Lastenfahrrädern auf politischer Ebene bekannter machen und für ihre Förderung eintreten. Kontakt: Wasilis.vonRauch@vcd.org

Foto:Deutsche Post

100 Jahre Lastenrad bei der Post

Schon seit 1896 setzt die Deutsche Post Fahrräder im „Postdienst“ ein. Heute umfasst der Fahrradfuhrpark 23600 Lastenräder, darunter 6400 Pedelecs mit elektromotorischer Unterstützung, bis Ende 2013 sollen es 7300 sein. Ab diesem Sommer kommen die ersten Lastendreiräder zum Einsatz. Sie lassen sich beim Stop- and-go der Briefzusteller einfacher parken. Außerdem bieten sie 60 Prozent mehr Zuladung als Zweiräder: maximal 80 Kilogramm statt maximal 50. In den knapp 52000 Zustellbezirken sind täglich 17000 Postboten mit dem Lastenrad unterwegs, das sind ein Drittel aller Briefzusteller. 31200 fahren mit dem Auto und 3700 gehen zu Fuß.

Foto: Gobax

Joey’s Pizza kommt per Fahrrad

25 Jahre ist der deutsche Lieferdienst Joey’s Pizza dieses Jahr geworden. Seit zehn Jahren liefern die Filialen auf Empfehlung des Franchisegebers vorzugsweise mit dem Fahrrad statt mit dem Auto oder Motorroller aus. 200 Franchise-Filialen gibt es inzwischen in Deutschland mit insgesamt über 700 Joey’s Zulieferfahrzeugen, darunter auch Elektroautos und Elektroroller, vor allem aber 400 Fahrräder und Pedelecs. Die Elektro-Lastenräder liefert Gobax, mit denen Joey’s Pizza eng zusammenarbeitet.

Grünflächenpflege auf drei Rädern

Vor 15 Jahren kaufte Gärtnermeister Michael Hornung für das Düsseldorfer Gartenamt das erste Lastendreirad, zwei weitere kurze Zeit später. „Im Sommer sind die Mitarbeiter damit täglich unterwegs auf innerstädtischen Grünflächen in der Nähe der Betriebshöfe, zentral im Düsseldorfer Hofgarten, im Nordpark und im Volksgarten im Süden der Stadt“, erzählt Hornung. Für ihn haben sich die Lastenräder sehr bewährt, vor allem bei Arbeiten, die weniger Gerätschaften erfordern. Freischneider oder Handbläser werden oben auf der abschließbaren Box befestigt, in der kleinere Werkzeuge, Eimer und der Benzinkanister für die Gartenwerkzeuge Platz finden. Damit sind die Mitarbeiter autark und müssen nicht mehr von Kollegen mit dem Auto zu ihren Arbeitsorten gebracht werden. In kleineren Parks werden die Lastenräder auch zum Müllaufsammeln und Leeren der Abfalleimer eingesetzt. Für größere Parks reicht das Ladevolumen der Lastenräder allerdings nicht aus. Mit den drei Lastenrädern sieht Initiator Michael Hornung den Bedarf als gedeckt an. „Für die anderen Arbeiten brauchen wir größere Geräte, zu groß für Lastenräder.“

Rotrunner ersetzt zwei Autos

„Aktenordner, Blumen, Gemüse, Kaffee, Kartons aus dem Dentallabor, normale Pakete – die Liste der Gegenstände ist lang. Aber noch mehr interessieren sich die Kunden für das Fahrrad“, sagt Kajo Schreiner. Er ist seit einem halben Jahr Versuchsfahrer auf einem der Elektro-Lastenräder des Modellversuchs „Ich ersetze ein Auto“ bei Rotrunner, einem Fahrradkurier der ersten Stunde. „Mit den vier Lastenrädern, mit denen wir am Modellversuch teilnehmen, wollen wir unseren fahrradaffinen Kunden auch bei größerem Transportgut eine Alternative zum Auto anbieten“, erklärt Geschäftsführer Holger Lorenz. „Damit sind wir nicht nur in der Innenstadt schneller, sondern durch den Elektrozusatzantrieb können wir auch Stadteile am Stadtrand in vertretbarer Zeit erreichen. Außerdem entfallen Parkplatzsuche und -kosten.“ Holger Lorenz ist vom Potenzial der E-Lastenräder überzeugt, zieht nach einem Jahr aber ein gemischtes Fazit. Die in der Anschaffung deutlich teureren Lastenräder müssten noch besser ausgelastet sein, damit die Rechnung für die Fahrer ökonomisch aufgehe und das Angebot bei den Kunden bekannter werde. Lorenz ist gespannt auf die Auswertungen der Verkehrsforscher, an die sehr detaillierte Daten weitergeleitet werden. Trotzdem ist für ihn heute schon klar: „Zwei der vier Testräder werden wir wohl am Ende des Modellversuchs übernehmen.“
www.rotrunner.de

Modellversuch „Ich ersetze ein Auto“

40 Elektro-Lastenräder sind seit Sommer 2012 in acht deutschen Großstädten von Berlin bis München als Kurierfahrzeuge im Einsatz. Eine regensichere und abschließbare Box bietet eine maximale Zuladung von 100 Kilogramm und bis zu 250 Liter Gepäckvolumen. Das entspricht dem Kofferraum eines Kleinwagens. Im Feldversuch wird bis zum Sommer 2014 getestet, inwieweit Lastenräder Autos im Zulieferbetrieb ersetzen können. Dazu wertet das Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Daten zur Nutzung und zu den Betriebskosten der Lastenräder aus. Gefördert wird das Projekt vom Bundesumweltministerium im Rahmen der Klimaschutzinitiative.
www.ich-ersetze-ein-auto.de

Foto: Peter Barzel

Kleinste gastronomische Einheit

Das Lastenrad ist schon fertig. Jetzt bauen die beiden Philipps, befreundete Architekturstudenten, noch die passende Kiste für „Resi lecker Baguette“ mit Kühlung und Fächern für Tüten und Visitenkarten. Diese Geschäftsausstattung hat die gelernte Fotografin und studierte Grafikdesignerin Teresa Siebein in ihrer Diplomarbeit entworfen. Vegetarisches Essen anzubieten, darauf war sie während des Studiums gekommen. „Als Existenzgründerin ist es allerdings kaum möglich, ein eigenes Restaurant zu finanzieren“, sagt Siebein. Deshalb hatte sie die Idee des fahrradmobilen Caterings. Die „kleinste gastronomische Einheit“ ist vergleichsweise schnell und günstig auf die Räder zu stellen. Ab dem Sommer will Siebein mit ihrem Lieferservice Firmenangestellten beim Mittagstisch, bei Geschäftsessen und privaten Feiern eine vegetarische Abwechslung bieten.   www.die-feinherben-toechter.de
www.facebook.com/resileckerbaguette

Peter Barzel

fairkehr 5/2023