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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 3/2013

VCD Bahntest 2013

Verspätungen, verpasste Anschlusszüge, mangelhafte Ausstattung und Sauberkeit der Züge – die Probleme der Deutschen Bahn bleiben.

Foto: Danny König/pixelio.deTrotz Qualitätsoffensive: Verspätungen im Fernverkehr sind bei der Deutschen Bahn leider immer noch an der Tagesordnung.

Wer zweimal auf der eigentlich durchgehenden ICE-Fahrt von Berlin nach Bonn den Zug wechseln muss, einmal direkt in Wolfsburg, weil ein technisches Problem am Triebkopf die Weiterfahrt unmöglich macht, dann in Hamm wieder in einem defekten Zug sitzt, schließlich in Köln strandet und mit dem Nahverkehr weiterbummeln muss, verliert die Lust am Bahnfahren. Das ist kein Einzelschicksal und auch kein Pech – sondern fast schon die Regel. Wie der „VCD Bahntest 2013“ ergeben hat, kommen 29 Prozent der Züge im Fernverkehr verspätet an. In den Hauptverkehrszeiten verpasst deswegen fast die Hälfte der Reisenden ihren Anschluss und erreicht ihr Ziel mit großer Verzögerung.

In Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Hamburger Forschungsinstitut Quotas überprüfte der VCD auch dieses Jahr wieder Qualität und Service im Bahnverkehr. „Wir sehen klaren Handlungsbedarf bei den Kernpunkten Pünktlichkeit, Sauberkeit und Kundeninformation“, bringt Heidi Tischmann, verantwortliche VCD-Verkehrsreferentin für den Bahntest, das Ergebnis auf den Punkt.

Weil auch die Deutsche Bahn die­se Probleme schon länger kennt, hatte das Unternehmen 2010 eine Kunden- und Qualitätsinitiative gestartet und versprochen, bis 2015 etwa 330 Millionen Euro dafür zu investieren. Ob diese Qualitätsoffensive Erfolge zeigt, hatte der VCD bereits einmal im Sommer 2011 getestet. Jetzt wurde der Fernverkehr auf Grundlage einer Online-Panel-Befragung erneut einem kritischen Test unterzogen – diesmal im Winter. In dem viermonatigen Untersuchungszeitraum protokollierten ausgewählte Zugreisende insgesamt 1035 gültige Fahrten, davon 668 Fahrten mit ICE und 367 Fahrten mit IC/EC.

Wie schon im Jahr 2011 beurteilen die Testpersonen den Fernverkehr der DB auch im Winterhalbjahr 2012/2013 insgesamt positiv. Optimierungsbedarf se­hen sie aber, wie schon 2011, bei der Sauberkeit und der Ausstattung der IC-Züge, speziell der Toiletten, bei den Informationen zu Fahrplanabweichungen während der Fahrt, bei der Akustik der Lautsprecherdurchsagen in den Bahnhöfen – und vor allen Dingen bei Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit.

Jeder dritte Fernverkehrszug kommt verspätet

„Dass fast jeder dritte Fernverkehrszug verspätet ankommt und Reisende dadurch ihre Anschlusszüge nicht erreichen, können wir nicht akzeptieren. Reisen mit der Bahn ist nur dann attraktiv und eine Alternative zum Auto, wenn die
Reisekette von Tür zu Tür zuverlässig klappt“, sagt Michael Ziesak. Der Bundesvorsitzende des VCD fordert als wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Bahnverkehr gut ausgebaute Bahnhöfe mit genügend Gleiskapazitäten, die kontinuierliche Instandhaltung der Infrastruktur sowie die Anschaffung robuster und wetterunabhängiger Züge in ausreichender Zahl.

Foto: Claudia Hautumm/pixelio.deReisende müssen über die Gründe von Verspätungen und Zugausfällen besser

Doch gerade daran fehlt es. Die Deutsche Bahn ist mit einer völlig veralteten Fahrzeugflotte unterwegs. Und daran wird sich, wie es aussieht, bis Ende 2014 nichts ändern. „Die Bahn hat viel zu spät neue Züge bestellt“, kritisiert VCD-Referentin Tischmann den Missstand. Verantwortlich sei allerdings nicht die DB allein, sondern auch die Bahnindustrie, wie etwa die Firma Siemens, die bestellte Züge nicht fristgerecht liefere. Außerdem komme das Eisenbahn-Bundesamt mit der Zulassung nicht nach.

Die Behörde entscheidet darüber, welcher Zug in Deutschland fahren darf – und das offenbar viel zu langsam. Angeblich warten 140 fabrikneue Züge auf ihren Einsatz. „Die Zulassungspraxis für Züge in Deutschland ist ein Desaster“, stellt der VCD-Vorsitzende Ziesak fest. „Wenn fertige Züge auf Abstellgleisen stehen und nicht fahren dürfen, leiden der Wirtschaftsstandort Deutschland, der Verkehrsträger Bahn und nicht zuletzt die Reisenden.“ Der VCD fordert ein einheitliches, transparentes Zulassungsverfahren in ganz Europa, das die Zeitspanne zwischen Auftragsvergabe und Inbetriebnahme von Zügen verkürzt. „Hier muss die Bundesregierung endlich handeln“, fordert Ziesak.

Alte Züge hinterlassen einen schlechten Eindruck

Das Problem der veralteten Fahrzeugflotte spiegelt sich auch in der Beurteilung des Zustands der IC/EC-Züge wider. Dieser wird, wie schon im Bahntest 2011, nur mit einem „Befriedigend“ bewertet. „Mit ihren teilweise bis zu 40 Jahre alten Intercity-Zügen mutet die DB AG ihren Fahrgästen einiges zu. Umso wichtiger ist es, dass die Züge, speziell die Toiletten, häufiger gereinigt werden, auch während der Fahrt“, sagt Heidi Tischmann.

Als weitere Punkte hat der Bahntest die Zufriedenheit der Kunden mit Informationen zu Abfahrtszeiten und Störungen abgefragt. Bei Abweichungen vom Fahrplan während der Fahrt vergeben die Tester die Note 2,6, die Akustik der Durchsagen in den Bahnhöfen kam auf die Note 2,5 und fällt damit im „VCD Bahntest 2013“ besser aus als im Jahr 2011. Dennoch muss beides weiter optimiert werden.

Heidi Tischmann betont: „Reisende müssen über die Gründe einer Fahrplanabweichung einfach besser informiert werden. Das liegt auch im Interesse des Unternehmens. Denn Reisende haben mehr Verständnis für außerplanmäßige Stopps, Umleitungen oder Verspätungen, wenn sie den Grund dafür kennen.“

Damit das Zugpersonal seine Fahrgäste informieren kann, müsste es wiederum selbst über die Gründe einer Fahrplanabweichung Bescheid wissen. Wer erlebt hat, wie ahnungslose Zugbegleiterinnen oder Zugbegleiter überrascht sind, dass es nicht weitergeht, und wie sie hilflos der geballten Wut genervter Fahrgäste ausgesetzt sind, der weiß, dass die Kommunikation auch innerhalb des Unternehmens nicht stimmt. Oft finden geübte Bahnfahrer per Smartphone schneller den geeigneten Zug oder Bahnhof zum Umsteigen, als der Schaffner von der Leitstelle Ausweichzüge genannt bekommt. Wie sagt es VCD-Verkehrsreferentin Heidi Tischmann: „Der Informationsfluss innerhalb des integrierten Konzerns DB muss besser werden.“

Uta Linnert

Die Forderungen des VCD

Neue Züge – rechtzeitig ­bestellen, fristgerecht bauen und zügig zulassen

  • Die Deutsche Bahn AG muss rechtzeitig neue Züge bestellen.
  • Die Bahnindustrie muss fristgerecht ­liefern.
  • Für die Zulassung von Zügen muss es ausreichend Personal im Eisenbahn-Bundesamt geben.
  • Die Haftung für die Genehmigung neuer Züge darf nicht bei einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ­liegen.
  • Die Anforderungen der Zulassungsbehörde an die Hersteller der Züge müssen transparent und praktikabel sein.
  • Bahnindustrie, Deutsche Bahn, Eisenbahn-Bundesamt und Politik müssen sich auf einfachere, schnellere und zeitgemäße Zulassungsregeln einigen, ohne dass die Sicherheit im Zugverkehr leidet. Handlungsbedarf besteht hier in erster Linie beim Gesetzgeber.
  • Angestrebt werden muss ein einheit­­liches Zulassungsverfahren in ganz Europa. Die Bundesregierung muss die EU-Kommission bei diesem Vorhaben unterstützen.

fairkehr 5/2023