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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 2/2013

In der Warteschleife

Die EU hat den Emissionshandel für den internationalen Flugverkehr gestoppt.

Foto: exm company/H. GousséFast zwei Drittel der CO2-Emissionen im Flugverkehr stammen von Maschinen, die auf internationalen Routen unterwegs sind.

Der 30. April 2013 sollte der Tag der Wahrheit für das europäische Emissionshandelssystem werden. Geplant war, dass alle Fluggesellschaften, die nach Europa fliegen, zu diesem Zeitpunkt ihre CO2-Zertifikate für die 2012 geflogenen Strecken bei den Behörden eingereicht haben müssen. Ende November jedoch beschloss die europäische Kommission, das System für internationale Flüge noch für ein Jahr auszusetzen. Am 12. März dieses Jahres haben Europaparlament und die Regierungen der EU-Länder diese zeitlich befristete Aussetzung unterstützt. Die Begründung: Die UN-Organisation ICAO versuche zurzeit, ein international tragfähiges Abkommen zum Flugverkehr auf den Weg zu bringen. Diesen Bemühungen wolle man den erforderlichen Freiraum geben.

Riesenproblem fürs Klima

Dass der Flugverkehr dem Klima schadet, ist allgemein bekannt. Vor allem der rasante Anstieg der Emissionen ist ein Riesenproblem. Eine neue Studie von David Lee, Direktor am Institut für Luftverkehr, Transport und Umwelt der Manchester Metropolitan University, schlüsselt ge­nau auf, wie sich die weltweiten Emissionen des Flugverkehrs bis 2050 entwickeln werden. Seinen Berechnungen nach ist das geplante europäische Emissionshandelssystem von allen untersuchten Maßnahmen das Instrument der Wahl, weil es am meisten CO2 einspart. Lee geht davon aus, dass die Emissionen von 2006 bis 2050 um das 1,5-fache bis 5-fache zunehmen.

Will man die Klimaerwärmung noch anhalten, wäre ein Abbremsen der weltweiten CO2-Emissionen bis 2020 und ab dann bis 2050 eine starke Reduktion des Ausstoßes unabdingbar. Denn sollten sich die Wachstumsprognosen des Flugverkehrs so entwickeln wie vorhergesagt, könnten dessen CO2-Emissionen im Jahr 2050 schon allein so viel ausmachen, wie insgesamt auf der Erde ausgestoßen werden darf, wenn die Menschheit unter dem  angestrebten 2-Grad-Erwärmungslimit bleiben will.

Der Löwenanteil der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr – knapp zwei Drittel – stammt von Flugzeugen, die auf internationalen Routen unterwegs sind. Deshalb ist es richtig, dass auf der ganzen Welt etwas gegen Flugzeugemissionen getan wird. Auch die  Luftfahrtindustrie selbst befürwortet neuerdings ein weltweites System mit dem Argument, dass ein auf Europa beschränktes Gesetz dem Problem nicht gerecht werde. Anscheinend spekuliert man darauf, dass aus den Wirren der internationalen Klimadiplomatie sowieso nichts Rechtsverbindliches herauskommt.

Das entscheidende Element des EU-Systems: Es bezieht internationale Flüge ein und legt die Emissionen der gesamten geflogenen Strecke zugrunde. Das ist der Grund, weshalb internationale Fluggesellschaften das Gesetz attackieren. Drei amerikanische Airlines haben 2009 dagegen geklagt – aber verloren. Der europäische Gerichtshof bestätigte im Dezember 2011, dass die Einbeziehung der internationalen Flüge im Einklang mit internationalem Recht stehe.

Schädliche Subventionen

Die Luftfahrtindustrie wettert vor allem gegen die Mehrbelastungen durch den Emissionshandel. 2012 wurde geschätzt, dass das europäische System die Airlines etwa 1,1 Milliarden Euro kosten würde. Umgerechnet auf einen Liter Kerosin sind das etwa 1,2 Cent pro Liter. Das ist immer noch etwa vierzig Mal billiger als die Steuern, die Autofahrer für Benzin und Diesel zahlen. Und besonders der Vergleich mit der Bahn zeigt, dass das klimaschädlichste Verkehrsmittel immer noch massiv subventioniert wird. Neben der Steuerbefreiung für Kerosin ist der Treibstoff in der gewerblichen Luftfahrt weiterhin vollständig von der Energiesteuer befreit.

Außerdem haben die Gesetzgeber in Deutschland ausgerechnet den grenzüberschreitenden Flug­verkehr auch noch von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Die umweltschädlichen Subventionen des Flugverkehrs liegen bei insgesamt mindestens zehn Milliarden Euro. Nachhaltige Verkehrspolitik sieht anders aus. Es ist daher unabdingbar, dass das EU-System unverzüglich für alle Flüge wieder eingesetzt wird.

Kerstin Meyer

Die Autorin ist VCD-Referentin für ­Verkehrspolitik.

fairkehr 5/2023