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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 1/2013

Der Smog von Peking

Foto: Marcus Glogerfairkehr-Chefredakteur Michael Adler

Was hat der Smog von Peking mit der Stadtbahn in Karlsruhe zu tun? Kurz gesagt: Das eine ist das Problem und das andere die Lösung. Ende Januar lag der Feinstaubwert in ­Peking bei fast 900 Mikrogramm pro ­Kubikmeter Luft. Das ist das 45-fache des Wertes, den die Weltgesundheitsorganisation als unbedenklich einstuft. Den Löwenanteil dieses Drecks blasen zwar Kohlekraftwerke in die Luft, mit deren Energie die chinesischen Wachstums­­raten befeuert werden. Aber rund 20 Prozent stammen aus dem stark wachsenden Verkehr in Chinas Metropolen.

Dagegen stehen die Erfolgsmeldungen der deutschen Automobilindustrie. Rund eine Million Autos verkaufte allein das deutsche „Premium“-Quartett aus BMW, Audi, Mercedes und Porsche 2012 in China. Mehr als in Deutschland oder den USA. Viele reiche Chinesen bewegen sich gerade wegen des Smogs nur noch in ihren Limousinen mit Klima­­anlage durch den Verkehr. Fraglich, ob die Luft im Auto wirklich besser ist und welch perverser Logik dieses Verhalten folgt. Wir beobachten gerade im Zeitraffer, was passiert, wenn unser westliches Wohlstandsmodell nicht nur für einen kleinen Teil der Welt gilt, sondern von einem Milliardenvolk angewendet wird.

Von der ehemaligen britischen ­Premierministerin Maggie Thatcher stammt die Formulierung, sie baue „roads to prosperity“, Straßen zum Wohlstand. Genau dieses Wohlstandsbild stößt dieser Tage in den chinesischen Metropolen an globale Grenzen. Dennoch hält sich der Mythos hart­­­näckig: mehr Autos, mehr Wohlstand. Auch in Deutschland wird jeder Autobahnzubringer, jedes Straßenbauprojekt als Wirtschaftsfaktor, als Arbeitsplatzmaschine gefeiert.

Nur die Bahn- und ÖV-Unternehmen halten sich in dieser Disziplin bisher zurück. Meist wird gejammert, dass die ­Zukunft düster aussieht, wenn es nicht mehr Geld für den öffentlichen Verkehr gibt. Aber hat man je von „rails to prosperity“ gehört, von Schienen zum Wohlstand? Wer kennt die Arbeitsplatzeffekte eines Straßenbahnprojektes, wer die Bedeutung einer Regionalbahnlinie für die Ansiedelung von Gewerbebetrieben? Wer hat gemessen, wie sich die Luft- und Lebensqualität einer Metropole auf die Wohnortwahl von Menschen mit Gründermentalität auswirkt?

Dummerweise schweigen hier die amtlichen Statistiken. Die üblichen Verdächtigen wie IHKs und Wirtschaftförderer reden die Bedeutung solcher Faktoren eher klein. „Weiche Faktoren“ eben, wie die Schuleinrichtungen und die Landschaft.

Die fairkehr-Redaktion hat sich auf Spurensuche begeben, quer durchs Land. Von der Bahnstrecke „Haller Willem“ in Niedersachsen und Westfalen über die ICE-Anbindung der Kleinstadt Montabaur bis zum Karlsruher Verkehrs­verbund haben wir nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Schienenanbindung ­gesucht.

Fazit: Nur wenige verfügen über aktuelle Daten, kaum einer wirbt für sein Verkehrsmittel mit dieser wirtschaftlichen Argumentation und alle sehen die Zukunft wegen fehlender Gelder düster. Franz Lösch vom Verkehrsverbund aus Karlsruhe bringt es auf den Punkt: „Die große Zeit des ÖPNV kommt noch, vielleicht in 20 oder 30 Jahren, weil es mit dem fossilen Autoverkehr so nicht weitergeht. Die Frage ist, wie wir die Zwischenzeit überleben.“

Michael Adler

fairkehr 5/2023