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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 6/2012

Vorsprung durch Technik

Durch die Einführung effizienter Technik und Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen sollen Skigebiete klimafreundlicher werden. Ein Besuch in Carezza Ski in Südtirol.

Foto: Roland SchopperTypisch Dolomiten: Blauer Himmel, buckelfreie Pisten – und wenns nicht schneit, kommt der Schnee aus der Kanone. Riesentorlaufspezialist und Weltcupfahrer Florian Eisath trainiert auf den Pisten im Skigebiet seines Vaters.

Georg Eisath ist ein Mann der Tat, der an sich und seine Technik glaubt. Ausgerechnet er, Gründer und langjähriger Geschäftsführer des Schneekanonenimperiums TechnoAlpin, will in seinem Heimatort Carezza in Südtirol ein klimafreundliches und nachhaltiges Skigebiet aufbauen. Warum tut man sich schwer, ihm den Klimaschützer abzunehmen?

Als Ende der 80er Jahre nach einigen schneearmen Wintern die ersten Skigebiete in den Alpen wirtschaftlich ins Schlingern gerieten, kaufte Georg Eisath in den USA eine Anlage zur künstlichen Herstellung von Schnee. Danach konstruierte der Bozener Maschinenbauingenieur zusammen mit einem Kollegen den ersten Prototypen der heutigen Schneekanone. Bald begannen sie, diese Maschinen in großer Zahl herzustellen und verkauften sie über Südtirol hinaus den Liftbetreibern im gesamten Alpenraum.

Heute verzichtet kaum noch ein Gebiet auf künstliche Beschneiungsanlagen. TechnoAlpin ist Weltmarktführer und liefert aus seinem Bozener Werk in 42 Länder der Erde, bis nach Amerika, in den Iran, nach Dubai, Australien oder Neuseeland, überall dort, wo Ski gefahren wird. Aktuelles Zielgebiet für den technischen Schnee aus Eisaths Lanzen- und Propellermaschinen ist die Olympiaregion Sotschi 2014 am Schwarzen Meer, die ebenfalls die Versicherung für beschneite Pisten und Loipen braucht.

Sotschi betreut Eisath nur noch als Berater. Bei TechnoAlpin ist er ausgestiegen. Er hat jetzt Zeit und scheinbar auch genügend Geld, sich seinem neuen Projekt zu widmen, dem Wiederaufbau des vor sich hin dümpelnden Skigebietes seiner Heimatgemeinde. Carezza Ski liegt malerisch am Bergmassiv Rosengarten im UNESCO-Weltnaturerbe Dolomiten.




Fotos: Carezza Ski
Georg Eisath (55) hat viel vor: Er möchte das Skigebiet Carezza Ski zwischen Rosengarten und Latemar in Südtirol wiederbeleben und zum alpinen Klimasschutzgebiet ausbauen.

Eisath übernahm die 15 Skilifte und ist heute Chef des Betreiberkonsortiums und treibende Kraft bei der Modernisierung des Skigebiets mit zurzeit 40 Pistenkilometern. „Wir wollen ein alpines Klimaskigebiet errichten“, verkündet Georg Eisath. Was das sein soll, verrät er auch. Beim Liftbetrieb, bei der Pistenpräparierung und der künstlichen Beschneiung sollen energieeffiziente Maßnahmen zum Einsatz kommen. Damit will Eisath den CO2-Ausstoß in seinem Skigebiet stark reduzieren. Um diese Energiesparmaßnahmen zu entwickeln, zu erproben und marktreif zu machen, hat er bei der EU das Projekt „Alpines Klimaskigebiet“ beantragt – und bewilligt bekommen. Projektpartner ist der Schweizer Traditionsort Arosa, der schon seit ein paar Jahren mit klimafreundichen Angeboten experimentiert.

Hundertprozentig schneesicher

Im Gegensatz zu den Graubündenern, die Wert auf Alternativen zum Skifahren legen, eine umweltfreundliche Anreise propagieren und ihren Gästen klimaneutrale Ferien durch CO2-Kompensation anbieten, setzt man in Südtirol vor allem auf Technik. „Für uns steht die hundertprozentige Schneesicherheit an erster Stelle“, sagt der resolute 55-jährige Geschäftsmann, „wir brauchen den besten Schnee für perfekte Pisten.“ Und das erfordert eine Armada von 175 Schneekanonen, die hier am Karersee ab den ersten Frösten im Herbst laufen und erst nach Ende der auf Mitte April festgelegten Skisaison zur Ruhe kommen.

Nun sind es gerade diese wasser- und energiefressenden Monster, die bei jedem Umweltschützer die Alarmglocken angehen lassen. Wie passt das zum Klimaschutz? „Mit durchschnittlich acht Sonnenstunden pro Wintertag zählt Craezza Ski zu den sonnigsten Gebieten Südtirols“, erklärt Georg Eisath die Lage. Da sei es naheliegend, die Solar- und Photovoltaik zu nutzen. Eisath möchte in seinem Familienskigebiet die gesamte Elektronik über Solarpaneele steuern und einen Babylift bauen, der ausschließlich mit Sonnenenergie läuft, „damit auch die Gäste mitbekommen, was wir hier tun“.

Energiematten, über die Skifahrer zum Lift stapfen, sollen in Zukunft mit diesen Erschütterungen zusätzlichen Strom erzeugen. Im Übrigen komme bereits heute aller Strom aus regenerativen Quellen. Das deckt sich mit den Aussagen der Südtiroler Landesregierung. „Südtirol produziert heute bereits doppelt so viel Strom aus erneuerbarer Wasserkraft als im Land selbst gebraucht wird“, sagt Michl Laimer, Landesrat für Umwelt, Raumordnung und Energie. Selbstverständlich stehen an Eisaths Vorzeigepisten nur die allerneusten und stromsparendsten Schneemaschinen der Welt.

Energieverbrauch um ein Drittel senken

Dass die hundertprozentige Beschneiung mit einem gigantischen Wasserverbrauch einhergeht, sehen die Verantwortlichen des Skibetriebs naturgemäß anders. „Wir leihen uns das Wasser nur für eine Zeitlang aus. Im Frühjahr bei der Schneeschmelze wird es dem natürlichen Wasserkreislauf wieder zugeführt“, sagt Diego Clara, Pressesprecher von Dolomiti Superski, dem Liftverbund, zu dem Carezza Ski gehört.

Um das Wasser aus den Bergquellen und bei Regen aufzufangen, hat Eisath ein 130.000 Kubikmeter fassendes Speicherbecken anlegen lassen, „das umweltfreundlichste seiner Art“, wie der Unternehmer beteuert, „in einer natürlichen Senke, mit hartem, felsigen Untergrund. Ein nach hydrologischem Gutachten optimaler Standort“. Selbstverständlich unterliege die Entnahme den strengen Konzessionsvorgaben der Gemeinde. Dieses saubere, klare Wasser blasen die Kanonen mit Druck und hoher Geschwindigkeit in die kalte Luft und produzieren so echte Schneekristalle. „Natürlich ohne irgendwelche Zusatzstoffe“, wie Eisath versichert.

Liegt der Schnee erst mal auf dem Hang ­– von Himmel herabgeschneit oder aus der Kanone – experimentiert man mit weiteren Maßnahmen zur Energieeinsparung. Per GPS will Eisath die Schneehöhe auf der Piste bis auf drei Zentimeter genau messen lassen. Dann würde der Schnee nicht mehr nach Gefühl produziert, hin und her verschoben und planiert, sondern exakt nach Plan. „Die Pistenraupenfahrer sollen jeden Quadratmeter nur einmal walzen müssen. Außerdem sollen die Fahrzeuge im optimalen Drehmoment arbeiten.“ All das kann helfen, viel Energie zu sparen, denn die Pistenungetüme schlucken locker 40 Liter Diesel in der Stunde.

365.000 Euro wollen Arosa und Carezza Ski bis Ende 2013 in Pilotmaßnahmen zur Verbesserung der Energie­effizienz investieren. Gefördert werden sie zu 50 Prozent von der EU. Mit diesen Maßnahmen werden die Skigebiete tatsächlich CO2, vor allem aber viel Geld für teure Energie sparen. An sein Ziel, den Energieverbrauch um ein Drittel zu senken, glaubt Georg Eisath fest.

Wirtschaftsfaktor Skitourismus

Der Siegeszug der Schneekanonen hat im Wintersport viel verändert. „Wintersportler von heute warten nicht auf den Schnee, sie wollen Skifahren, wann sie wollen, und sie wollen den perfekten Schnee.“ Das ist der Originalton im Youtube-Werbefilm der Schneemacher von TechnoAlpin. Die Möglichkeit, dass es mal nicht geschneit haben könnte, wird nicht mehr akzeptiert. Kein Skigebiet, das ernst genommen werden möchte, kann sich diesem Druck entziehen. Schließlich hängt oft die gesamte Wirtschaft der Region vom Skitourismus ab. Die Skifahrer sollen kommen, weil im Kalender Dezember steht, und nicht, weil es gerade so schön geschneit hat.

Dieser Logik kann nur noch der Klimawandel selbst ein Ende setzen, – sollte er jemals in Südtirol ankommen, was in der dortigen Skiszene heftig bestritten wird. Die optimale Betriebstemperatur für die beste Leistung einer Schneekanone mit niedrigstem Energieaufwand liegt bei minus fünf Grad Celsius und dreißig Prozent Luftfeuchtigkeit. Grundsätzlich können die Techniker ab null Grad die Maschinen anwerfen. Aber dann wirds teuer und ineffizient. Bei langen Perioden über dem Gefrierpunkt werden auch die Schneemacher machtlos. Dann könnte es eng werden für kleine Skigebiete wie Carezza, trotz Georg Eisath.

Uta Linnert

Anreise

Mit dem Zug bis Bozen, von München aus mit fünf Direktverbindungen täglich in vier Stunden. Mit dem Europa-Spezial-Preis ab 29 oder 39 Euro. Von Bozen fahren Busse mehrmals täglich in die Ski-Region Carezza. Abholdienst durch die Gastgeber vereinbaren. Alle Infos zur Anreise: www.bahn.de/italien

fairkehr 5/2023