fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2012

Ein Plan, der begeistert

Der VCD und die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL vergeben den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2012 an die Region Hannover.

Foto: uestra-ArchivDer ausgezeichnete Verkehrsentwicklungsplan proKlima der Region Hannover sieht unter anderem vor, dass für das Verkehrsunternehmen üstra künftig ausschließlich Hybridbusse angeschafft werden.

Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2020 will die Region Hannover den CO2-Ausstoß im Verkehr im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken. Dafür hat die Region, ein politischer Zusammenschluss mehrerer Kommunen, den Verkehrsentwicklungsplan proKlima entwickelt. Der soll die Emissionen auf vier Ebenen bekämpfen: angefangen von der Gestaltung von Wohnsiedlungen über einen noch besseren ÖPNV bis hin zu Tempo-40-Zonen. Der VCD und die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL haben das Konzept Mitte November in Offenburg mit dem Deutschen Verkehrsentwicklungspreis 2012 ausgezeichnet.

„Der Plan hat uns einfach begeistert, und diese Begeisterung wollen wir zurückgeben“, sagt der VCD-Bundesvorsitzende Michael Ziesak, der Mitglied der Jury war. Ihm gefalle vor allem, dass die Region Hannover keine Luftschlösser baue, sondern konkrete Schritte beschlossen und sogar bereits eingeleitet habe. Außerdem lasse sich das Konzept auf andere Städte übertragen.

„Die interkommunale Zusammenarbeit besitzt Vorbildcharakter“, ergänzt Rainer Bohne, SRL-Geschäftsführer und Jury-Beisitzer. Er nennt die intensive Bürgerbeteiligung als weiteres Qualitätsmerkmal. In ihrer Begründung lobt die Jury zudem, dass in der Region Hannover bereits eine Veränderung des Modal Splits, also der Verkehrsmittelwahl, stattfinde: zugunsten von Fahrrad, Bus und Bahn. Dies belegen aktuelle Studien.

Tempo 40 auf Hauptverkehrsstraßen

Der Verkehrsentwicklungsplan proKlima, 2010 erarbeitet und 2011 politisch beschlossen, sieht vier Handlungsfelder vor: Siedlungsentwicklung und Nahmobilität, ÖPNV, Verkehrsmanagement, Straßeninfrastruktur und Parken sowie Mobilitätsmanagement.

Als erste Maßnahmen hat die Region Hannover eine Radverkehrskoordinatorin und eine Mobilitätsmanagerin eingesetzt. Letztere soll die Kooperation der Verkehrsträger vorantreiben und neue Angebote wie billigere ÖPNV-Monatskarten für Mieter von Wohnungsbaugesellschaften entwickeln. Außerdem sollen künftig vorrangig verkehrsberuhigte Wohnsiedlungen gebaut und für das hannoversche Verkehrsunternehmen üstra ausschließlich Hybridbusse angeschafft werden. Busse und Bahnen sollen häufiger fahren, die Radwege in Umlandgemeinden ausgebaut und besser beschildert werden.

Ein regionales Verkehrsmanagement soll dafür sorgen, dass der Verkehr besser und – durch die Einführung von Tempo 40 auf Hauptverkehrsstraßen – langsamer fließt. Derzeit arbeiten die Planer an einer Lösung, Informationen der einzelnen Kommunen der Region Hannover, unter anderem über Busverspätungen, zentral zu bündeln und später allen Verkehrsteilnehmern, beispielsweise über eine Handy-App, aktuell zur Verfügung zu stellen.

Der VCD-Vorsitzende Michael Ziesak hofft, dass sich der Verkehrsplanungspreis positiv auf die Umsetzung zumindest eines großen Teils der geplanten Maßnahmen auswirkt: „Die Bürger in der Region Hannover erwarten das. Wir erhöhen über den Preis den Druck auf die Politik.“ Klaus Geschwinder, Teamleiter Verkehrsentwicklung und -management bei der Region Hannover, bewertet die Auszeichnung als großartige Anerkennung.

VCD und SRL vergeben den Verkehrsplanungspreis alle zwei Jahre. Er hat in erster Linie ideellen Charakter. Der Preis soll zeigen, dass Stadtplanung und Verkehrsplanung immer zusammen gedacht werden sollten und dass Verkehr und Klimaschutz miteinander vereinbar sind. Die ausgezeichneten Vorzeigeprojekte sollen Kommunen und Planungsbüros ­inspirieren und zur Nachahmung anregen. Dieses Jahr wurden 18 Arbeiten eingereicht. Neben dem Verkehrsentwicklungsplan proKlima erhielten vier weitere Vorschläge eine Anerkennung.

Sebastian Hoff

Die weiteren Preisträger

Stadtpark statt Parkplatz
Die Rheinseilbahn ist das spektakulärste Verkehrsmittel in Koblenz: Sie führt fast stützenfrei vom Deutschen Eck zur Festung Ehrenbreitstein. Die Anlage fährt mit Ökostrom, Passagiere können ihre Fahrräder mitnehmen. Anlässlich der Bundesgartenschau 2011 wurden im Rahmen des Projekts „Autofreie Promenaden und Plätze“ neben der Seilbahn weitere Bausteine realisiert: 450 Parkplätze wichen einem Park, die Rheinuferstraße wurde für den allgemeinen Autoverkehr gesperrt, Fußgänger erhielten an vielen Kreuzungen Vorrang und der Hauptbahnhof wurde durch die neue Haltestelle Koblenz-Stadtmitte besser angebunden. Die Projekte begünstigten eine Mobilität ohne Auto, die Innenstadt werde aufgewertet, befand die Jury.

Schöner Tramfahren in München
Die Stadtteile Bogenhausen und Oberföhring sind seit einem Jahr besser mit der Bahn erreichbar: Tagsüber fährt die neue Tram St. Emmeran im Zehn-Minuten-Takt in den Münchner Osten. Die 4,3 Kilometer lange Linie verläuft auf einem Mittelstreifen der Straße und erhält an Kreuzungen Vorrang. Die Jury lobt zum einen die Öffentlichkeitsarbeit und die kontinuierliche Information der Bürger vor und während der Bauphase, zum anderen die Gestaltung. So wachsen Blumen neben dem Rasengleis, Bäume an den Haltestellen binden diese ins Stadtbild ein. Die Tram kommt außerdem mit schlanken Masten aus.

Stationen fürs Teilen und Leihen
Die Stadt Offenburg will den CO2-Ausstoß im Verkehr um ein Fünftel im Vergleich zu 1994 senken. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Stadt die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer verbessern, beispielsweise durch Radstreifen und Abstellanlagen. Busse und Bahnen sollen öfter fahren. Die Kommune will außerdem Fahrgemeinschaften und Carsharing bewerben. Realisiert wurden bereits ein Pedelec-Verleih und kostenlose Ladestationen. Als städtische Dienstfahrzeuge kommen Elektro-Smarts zum Einsatz. Vorbildlich findet die Jury das geplante Netz von Mobilitätsstationen: Dort sollen Autos und (Lasten-)Fahrräder, zum Teil mit E-Antrieb, zum Teilen und Leihen bereitstehen.

Ein StEP Richtung Klimaschutz
Einen konzeptionellen Beitrag hat die Stadt Berlin eingereicht: Der im vergangenen Jahr verabschiedete Verkehrsentwicklungsplan (StEP Verkehr) soll von 2008 bis 2025 zu einem Viertel weniger Treibhausgasemissionen führen. Der Klimaschutz wird als Querschnittsthema betrachtet, konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduktion nennt die Stadt nach eigenen Angaben bewusst nicht. Als bemerkenswert betrachtet die Jury die Aussagen zum Thema Klimawandel: StEP gehe auf dessen Folgen ein und biete einen Orientierungsrahmen für eine angepasste Planung.

Mehr Infos über die Projekte und den Preisträger gibt es auf den Internetseiten des VCD und der SRL.

fairkehr 5/2023