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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2012

25 Jahre Niedersachsen

Zu seinem Jubiläum spricht der VCD-Landesverband Niedersachsen über Erfolge und Herausforderungen im VW-Land.

Foto: Alberto BrosowskyMit einem Sonderzug werben Aktive des VCD Niedersachsen im August 2009 für den Erhalt der Strecke Rinteln–Stadthagen. Vorn im Bild: der VCD-Landesvorsitzende Michael Frömming (rechts).

Ein Anlass für die Gründung des Landesverbandes 1987 – der VCD-Bundesverband war gerade ein Jahr alt – waren die vielen Verkehrstoten. „Lieber schleichen statt Leichen“: Diese Kampagne fuhr der VCD Niedersachsen – und protestierte außerdem gegen den Ausbau des Mittellandkanals und des Flughafens Hannover-Langenhagen.

Heute sieht der VCD-Landesvorsitzende Michael Frömming es als elementar an, ländliche Mobilität neu zu organisieren. Der gebürtige Rotenburger trat 1988 in den VCD ein und wurde drei Jahre später Mitglied im Landesvorstand. Seit 15 Jahren ist der langjährige Mitarbeiter des Bremer Umweltsenators VCD-Landesvorsitzender.
Auf dem flachen Land stehe der VCD vor anderen Herausforderungen als in Städten, so Frömming. Die Zukunft liege in einem modernen Mobilitätsmix aus Bus und Bahn, E-Fahrrad, privatem Autoteilen, Mitfahrzentralen und flexiblen Formen des ÖPNV wie Anruf- oder Bürgerbusse. Und wenn ein eigenes Auto gebraucht werde, dann wenigstens ein möglichst klimafreundliches.

Für diese Mission sucht der VCD Niedersachsen punktuell auch die Zusammenarbeit mit dem größten Autolobbyisten im Land: dem Volkswagen-Konzern mit Sitz in Wolfsburg. Frömming kritisiert VWs Einfluss auf die niedersächsische Verkehrspolitik. Doch er sieht sie auch als Herausforderung an. „Wir können sie uns zunutze machen, indem wir mit den Leuten bei VW kooperieren, die sich ebenfalls für umweltfreundlichere Antriebe engagieren.“ Beispielsweise auf dem jährlichen Aktionstag „Hannover autofrei“ im Mai. Dort präsentiert der VCD-Landesverband, unterstützt von der Stadt, den Autohändlern und VW, regelmäßig die besten zehn Modelle der VCD Auto-Umweltliste.

Einfluss auf die niedersächsische Bahnpolitik übt der VCD mit seinem Bahnkongress aus, der 2012 zum sechsten Mal mehr als 100 Fachleute und Interessierte aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden versammelte. Der Landesverband rief die Plattform zum Meinungsaustausch und zur Bürgerbeteiligung 2002 ins Leben, um die gegensätzlichen Positionen von Landesregierung und Verkehrs- und Umweltverbänden zusammenzubringen.

„Wir machen Medien und Öffentlichkeit durch Vergleiche zu erfolgreicheren Ländern auf die Defizite in der niedersächsischen Politik aufmerksam“, sagt Michael Frömming. „So entsteht ein zunehmender Handlungsdruck auf die Regierung, beispielsweise bei der Reaktivierung von Bahnstrecken.“ Durch sein Engagement hat der VCD zusammen mit vielen anderen Akteuren regionale Strecken gerettet, beispielsweise zwischen Stade und Osterholz-Scharmbeck oder von Rinteln nach Stadthagen.

Erfolgreich gegen die Y-Trasse

Auch die umstrittene Y-Trasse scheint dank VCD-Alternativkonzepten in weite Ferne zu rücken. Die milliardenteure Bahnschnellstrecke soll Hamburg und Bremen mit Hannover verbinden und angeblich auch bestehende Strecken vom Güterverkehr entlasten. Der VCD kämpft seit fast 20 Jahren dafür, dass stattdessen für erheblich weniger Geld das vorhandene Bahnnetz ausgebaut wird – mit Erfolg. Mittlerweile deutet sogar DB-Chef Rainer Grube an, dass diese Lösung effizienter sei.

Dennoch: Niedersachsen sei weit entfernt von einer vernünftigen Verkehrspolitik, so Frömming. 40.000-Einwohner-Kreisstädte wie Aurich haben immer noch keinen Bahnanschluss. Stattdessen will das Land Geld vom Bund für mehr als 210 neue Fernstraßenprojekte. „Wer heute noch neue Straßen baut, ignoriert, dass in einigen Jahren viele Menschen gar nicht mehr auf diesen Straßen unterwegs sein können“, sagt der VCD-Landesvorsitzende. Denn Benzin wird teuer und die Menschen werden immer älter. „Mobilität – gerade auf dem Land – ist auch eine soziale Frage“, betont Frömming. „Der VCD Niedersachsen wird sich deshalb nicht nur für mehr Bus und Bahn einsetzen, sondern auch alternative Konzepte der Autonutzung vorantreiben. Der Mobilitätsmix machts.“

Kirsten Lange

fairkehr 5/2023