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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 5/2012

Rechtzeitig Weichen stellen

Die Arbeitsgruppe MOVE des VCD Aachen-Düren feiert mit Kindern am Kölner Hauptbahnhof Geburtstag. Sie lernen spielerisch mehr über den Bahnhof, das Bahnfahren und über Sicherheit.

Foto: Kirsten LangeAusgestattet mit Warnwesten, Lokführermütze und Bahnerkrawatte erfüllen die Freunde von Geburtstagskind Julian (rechts) ihre Mission als Bahnhofsdetektive. Simone Heidemann und Andreas Rothe vom VCD Aachen-Düren begleiten die Jungs.

Die silberne, mehr als einen Meter hohe Box schießt auf die Kinder in neonorangefarbigen Warnwesten zu. Sie stoppt abrupt in ihrer Schiene, fährt nach unten und verschwindet in einer freien Lücke zwischen anderen rechteckigen Boxen.

„Oh cool!“ „Alter, das Ding fährt voll schnell!“ „Voll die hohe Technologie, dass das hier so funktioniert.“ Die sieben Jungs sind beeindruckt von der unterirdischen Schließfachanlage im Kölner Hauptbahnhof. Nur zwei dieser Art gibt es in Europa, die zweite, kleinere, steht in Freiburg. „In etwa 1000 Boxen lagert hier unten das Gepäck, das ihr oben in eine der drei Gepäckaufbewahrungsstationen einstellt“, erklärt Andreas Rothe von der VCD-Arbeitsgruppe MOVE des Kreisverbands Aachen-Düren. Rothe, im Hauptberuf Lokführer im DB-Fernverkehr, und die Aachener Verkehrsplanerin Simone Heidemann haben die Kinder nach unten geführt: durchs Reisezentrum und durch zwei schwere Türen, zwei Treppen abwärts in einen etwa neun Quadratmeter großen Raum. Hier befindet sich die Steuerung der Schließfachanlage. Hinter einem Gitter schießen die Metallboxen mit dem Gepäck nach oben, nach unten und geradeaus.

Wie die drei ???

Das dreistündige Kindergeburtstagsabenteuer am Kölner Hauptbahnhof ist fast zu Ende. Zuvor haben das Geburtstagskind Julian Wedding, jetzt zehn , sein siebenjähriger Bruder Fabian, ihre Eltern und Julians Freunde die Räume der Bundespolizei besichtigt. Und davor einen Taschendieb gefangen. Jedenfalls in dem Detektivspiel, das Andreas Rothe zusammen mit MOVE-Gründer und Lokführer Georg Schmitz ausgearbeitet hat.

Als Hobbydetektive, inspiriert durch die Figuren der Jugendserie „Die drei ???“, sind die sieben Jungs in zwei Gruppen durch die Bahnhofspassagen gelaufen, haben auf den Bahnsteigen nach dem Wagenstandsanzeiger geforscht, nach den Überwachungskameras Ausschau gehalten und die Notrufsäule begutachtet. Sie haben Mitarbeiterinnen im Reisebüro befragt, Fahrpläne gelesen und Ticketautomaten studiert. Dabei haben sie Fragen zum Bahnfahren und zur Sicherheit am Bahnhof beantwortet.

Foto: Kirsten LangeWo ist der Taschendieb? Im Kölner Bahnhof suchen die Jungs auf den Bahnsteigen nach Hinweisen – mit mütterlicher Hilfe.

Etwa 50-mal im Jahr wird die VCD-Gruppe MOVE für Kindergeburtstage am Bahnhof gebucht. Ihr gehört neben Georg Schmitz, Andreas Rothe und Simone Heidemann auch der Zugbegleiter Michael Trübisch an. MOVE ist die Abkürzung für „Mobilitätsberatung und Verkehrserziehung“ – und das englische Wort für bewegen.
Die VCD-Arbeitsgruppe will Bewegung in die Mobilitätserziehung bringen und die Kinder nicht nur für den Straßenverkehr fit machen. Auch das Bus- und Bahnfahren müssen sie lernen – und das funktioniert spielerisch am besten. „Die Kinder sind die ÖV-Kunden von morgen“, stellt Verkehrsplanerin Simone Heidemann fest. „Wir wollen Interesse für die Bahn wecken und einen Eindruck davon vermitteln, wie viel Logistik im Hintergrund erforderlich ist, damit die Fahrgäste pünktlich, sicher und komfortabel ans Ziel kommen.“

Diesen Lerneffekt hatte Julians und Fabians Mutter Doris Wedding im Kopf, als sie das MOVE-Team engagierte. Die Familie wohnt in Leichlingen, 20 Kilometer von Köln entfernt. „Die Jungs werden künftig auch allein mit dem Zug nach Köln fahren“, sagt Doris Wedding. „Da sollen sie lernen, worauf zu achten ist.“
Für das MOVE-Team spielt auch der Sicherheitsaspekt eine große Rolle. „Leider erleben wir täglich, dass Kinder am Gleis spielen und sich damit, ohne es zu wissen, in große Gefahr bringen“, sagt das Aachener VCD-Vorstandsmitglied Georg Schmitz. „Der Gedanke, dass wir mit unserem Angebot eventuell einen einzigen Unfall verhindern, ist eine wichtige Motivation für uns.“

Gleise sind kein Spielplatz

Dass Unfug an den Schienen tödlich enden kann, davon erzählt Nadine Peter von der Bundespolizei, als die Geburtstagstruppe die Wache am Hauptbahnhof besichtigt. Die knapp 1,90 große, schlanke Kommissarin ist zuständig für Öffentlichkeitsarbeit – und eine Autorität. Ihr Wort hat Gewicht. Mit ernsten Gesichtern, großen Augen und offenem Mund hören die Jungs zu, als Nadine Peter sagt: „Es gibt Kinder, die denken, die Gleise seien ein Spielplatz.“ Sie berichtet von Kindern, die auf abgestellte Güterwaggons geklettert waren und durch Stromschläge von der Oberleitung getötet wurden. Und sie warnt davor, Steine auf die Schienen zu legen, die zu Geschossen werden können, wenn ein Zug drüberrast. Die Jungs erfahren außerdem, dass ein 300 km/h schneller ICE nach dem Bremsen noch mehr als vier Kilometer weit fährt, bevor er stehen bleibt. Sie verlassen die Räume der Bundespolizei nach­denklicher, als sie sie betreten haben.
Die Führungen für Kinder bietet der VCD Aachen-Düren seit über zwölf Jahren an.

Die Arbeitsgruppe MOVE entstand aus dem VCD-Projekt Mobilitätserziehung 1999. „Die neue private DB hat­te sich aus dem Thema Prävention weitestgehend zurückgezogen, und ich sah den großen Bedarf“, erklärt Georg Schmitz. Also initiierte der Vater zweier damals kleiner Kinder das Projekt für Schulen und Kindergärten. Der Lokführer hielt ehrenamtlich Vorträge, unterstützte Erzieherinnen und Lehrer bei Aktionen und entwickelte das Konzept des Bahnhofsgeburtstags. Als immer mehr Anfragen kamen, beschloss MOVE, Honorar zu verlangen.

Die Arbeit ist pure Freude

Mit dem Bahnhofsmanagement in Köln arbeitet MOVE gut zusammen. Auch bei DB Regio hat das Team viele wohlgesonnene Ansprechpartner. So stellt die DB-Nahverkehrstochter Tickets für die Anfahrt der Geburtstagsgäste zum Bahnhof. Von einigen Konzernbereichen wünscht sich die VCD-Arbeitsgruppe allerdings mehr Unterstützung.

Persönlich bringt den MOVE-Aktiven die Arbeit mit den Kindern großen Spaß. „Die meisten sind sehr interessiert und offen, machen mit, stellen Fragen, manch­mal muss man sie eher in ihrer Begeisterung zügeln“, sagt Simone Heidemann. „Wenn man am Ende darüber hinaus das Gefühl hat, sie haben etwas von dem gelernt, was einem selbst wichtig ist, dann ist das die pure Freude.“

Kirsten Lange

Die Bahnhofsaktionen von MOVE

Für Kindergarten- und Grundschulkinder bietet MOVE Bahnhofsführungen in Köln, Düren und Aachen an, mit ICE-Besich­­tigung, Spielen und Übungen, beispielsweise aus dem Zug ein- und aussteigen. Das Detektivspiel ist für Kinder ab zehn. Das VCD-Team MOVE führt außerdem Erwachsene durch den Kölner Hauptbahnhof. Auch für Blinde gibt es auf Nachfrage spezielle Führungen.

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fairkehr 5/2023