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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 5/2012

Wenig zu hören vom E-Roller

Die akkubetriebenen Zweiräder sind alltagstauglich, führen in Deutschland aber noch ein Nischendasein.

Foto: Barbara Hofffairkehr-Autor Sebastian Hoff (45) fühlte sich auf der Testfahrt an die Vespa-Zeiten seiner Jugend erinnert.

Der Roller war mein erstes motorisiertes Fahrzeug. Ich hatte ihn mit 16 Jahren gekauft, gleich nach dem Erwerb des damals gültigen Führerscheins Klasse 1 B. Natürlich musste es eine Vespa sein. Vespa war Kult und versprühte ein wenig italienische Dolce Vita im Ostwestfälischen. Als 16-Jähriger eroberte ich mir damit die Welt, die seinerzeit, nun ja, immerhin bis Amsterdam reichte.

Das war vor rund 30 Jahren. Inzwischen weiß ich, dass diese knatternden Zweitakter große Umweltsünder waren – und leider weiterhin sind. Denn noch immer gilt für sie die Abgasnorm Euro 2, die teilweise höhere Schadstoffemissionen zulässt als bei Pkw. Da die kleinen Stinker ungefähr ebenso viel Benzin verbrauchen wie spritsparende Autos, ist auch der CO2-Ausstoß relativ hoch. Eine Verschärfung der Emissionsgrenzen sei innerhalb der Europäischen Union zwar in der Diskussion, sagt Helge Jahn, Experte für Schadstoffminderung und Energieeinsparung beim Umweltbundesamt. „Wann das kommt, ist aber noch völlig unklar.“

Geräuschlose Alternative

Seit einigen Jahren nun ist mit dem E-Roller eine umweltfreundlichere Alternative auf dem Markt. Während diese akkubetriebenen Fahrzeuge auf den asiatischen Straßen millionenfach unterwegs sind, fristen sie in Deutschland derzeit noch ein Nischendasein.

Wie bewähren sie sich im Alltag? Wie ist ihr Fahrverhalten? Und wie umweltfreundlich sind sie? Um das im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren, lieh ich mir von den Stadtwerken Hannover für zwei Tage einen ­Govecs SR 1.2 aus, den die Stadtwerke für einen großangelegten Test angeschafft hatten. Die Leistung des Zweisitzers beträgt drei Kilowatt (kW), das entspricht ungefähr vier PS. Das Gewicht beläuft sich – inklusive des schweren Blei-Akkus – auf 143 Kilogramm, die Reichweite wird mit bis zu 60 Kilometer angegeben. Die Betriebskosten sollen pro 100 Kilometer bei rund einem Euro liegen.

Ein solcher Roller, auch Scooter genannt, entspricht Zweitaktern der 50-Kubikmeter-Klasse. Er darf eine Geschwindigkeit von bis zu 45 km/h erreichen und mit einem Autoführerschein oder einem Führerschein mindestens der Klasse M gefahren werden. Für den Betrieb braucht man lediglich ein Versicherungskennzeichen.

Der Govecs besitzt wie alle E-Roller ein Automatikgetriebe. Wegen seines Gewichts ist er schwer auf- und abzubocken. Dafür ist die Handhabung umso einfacher. Ich stelle auf den Fahrmodus, gebe Gas und bin zum ersten Mal überrascht: Der Motor des E-Rollers surrt leise und beschleunigt selbst im Stromsparmodus erstaunlich flott, zumindest bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h.

Wenn ich nicht zusätzlich Gas gebe, gleitet der Roller fast geräuschlos dahin. Sobald ich zum Stehen komme, muss ich mich vergewissern, dass der Motor nicht aus ist, denn von dem Roller ist nichts mehr zu hören. Meine Befürchtung, dass ich im Verkehr überhört und folglich übersehen werden könnte, bestätigt sich zum Glück nicht.

Darüber hinaus verursacht der E-Roller keinerlei Gestank. Das Fahrverhalten erinnert mich an vergangene Vespa-Zeiten: eher gemütlich als sportlich, bequeme Sitzposition, sichere Straßenlage. In Tempo-30-Zonen halte ich spielend im fließenden Verkehr mit. Auf größeren Straßen empfinden mich jedoch Autofahrer offensichtlich als Hindernis und überholen an allen möglichen und unmöglichen Stellen.

Foto: Barbara Hoff

Die ersten rund 30 Kilometer fährt der Roller tadellos. Ich lade ihn bewusst noch nicht auf, um zu sehen, wie er bei Spannungsabfall reagiert. Und tatsächlich: Der Roller wird zusehends langsamer, obwohl der Akku noch mehr als die Hälfte Ladung anzeigt. Immer weniger Leistung bringt der Scooter, auf dem letzten Kilometer zur rettenden Ladestation geht es fast im Schritttempo, schließlich muss ich sogar schieben. Dabei ist laut Anzeige noch immer reichlich Saft auf dem Akku.

„Den Anzeigen kann man leider bei den meisten Modellen nicht trauen“, bestätigt mir Marius Frischmann, der in München E-Roller verkauft. „Während ein Zweitakter bis zum letzten Tropfen volle Power fährt, lässt die Leistung beim E-Roller bei Spannungsabfall im Akku deutlich nach.“ Ratsam sei es daher, den Akku bei jeder Gelegenheit aufzuladen. Beim Govecs SR 1.2 geschieht dies mittels eines Ladekabels, das an eine normale Steckdose angeschlossen werden kann. Das ist kein Problem, wenn man eine Garage mit Stromanschluss oder eine Außensteckdose besitzt. Ist das nicht der Fall, ist eine Aufladung zumindest über Nacht schwierig, weil dann eine Tür oder ein Fenster offen stehen muss.

Einfacher hat man es mit einem Lithium-Ionen-Akku: Aufgrund des deutlich geringeren Gewichts kann er bequem ge­tragen und im Haus an ein Ladegerät angeschlossen werden. Während bei ei­nem Blei-Akku irgendwann die Reichweite sinke und er nach etwa 500 Ladezyklen ausgewechselt werden müsse, halte ein Lithium-Ionen-Akku quasi ein Rollerleben lang, erläutert E-Roller-Händler Frischmann. Der Blei-Akku des Govecs SR 1.2 ist nach circa fünf Stunden voll geladen, nach der Hälfte der Zeit hat er etwa 85 Prozent seiner Kapazität erreicht. Bei Lithium-Ionen-Akkus ist die Ladezeit in der Regel etwas kürzer.

Umweltfreundlich fahren mit Ökostrom

Da Blei-Akkus problematischer zu entsorgen sind, sind sie auch aus ökologischen Gesichtspunkten die schlechtere Wahl. Entscheidend für die Umweltbilanz der E-Roller sei vor allem, womit die Akkus aufgeladen werden, betont Michael Müller-Görnert, VCD-Referent für Verkehrspolitik: „Damit sie klimaneutral fahren, muss Ökostrom genutzt werden, und der sollte möglichst zusätzlich produziert sein.“ Gegenüber E-Autos sieht der Verkehrsexperte E-Roller im Vorteil, weil sie weniger Energie und Fläche brauchen und deutlich weniger kosten. Grundsätzlich hält der VCD jedoch Pedelecs für die bessere Alternative, da diese mit weniger Strom gefahren und auch aus eigener Kraft bewegt werden können. Sinnvoll seien E-Roller deshalb vor allem dann, wenn sie normale Zweitakter ersetzen, hebt Müller-Görnert hervor. Helge Jahn vom Umweltbundesamt erkennt in den E-Rollern „eine große Chance“ und plädiert deshalb dafür, die öffentliche Förderung umzustellen: „Die Bundesregierung sollte von den Kleinen zu den Großen fördern: erst die E-Bikes, dann die E-Roller und zuletzt die E-Autos. Was die Kosten anbelangt, sind Letztere ein Fass ohne Boden.“

Wo also liegt die Zukunft der E-Roller? Auf längeren Strecken können sie eine Alternative zu E-Bikes sein. Auch in Kombination mit dem öffentlichen Nahverkehr und mit Carsharing sind sie sinnvoll. Zu Autos können sie aber wohl kaum in Konkurrenz treten. Auf meinen Fahrten hatte ich zum Glück schönes Wetter. Aber was ist bei Regen, bei Kälte oder sogar bei Schnee und Eis? Mit der ganzen Familie könnten wir ohnehin nicht Roller fahren, und die verschließbare Box hinterm Rücksitz ist viel zu klein, um darin größere Einkäufe unterzubringen. Und schließlich bin ich mit dem Fahrrad in der Stadt ungefähr gleich schnell unterwegs. Mein Fazit lautet daher: Für mich ist ein E-Roller keine Option. Spaß gemacht hat es aber trotzdem, damit zu fahren. Und ein bisschen fühlte es sich an wie vor 30 Jahren.

Sebastian Hoff

Doppel-Akku ist Bestseller

Die Palette der angebotenen Modelle an E-Rollern ist noch übersichtlich. Bei E-Bike Frischmann in München etwa werden vor allem Modelle zweier Hersteller verkauft: Während das Münchner Unternehmen Govecs seine Roller in Polen produzieren lässt, kommen die Emco-Modelle aus China. Auch weitere Zweirad-Hersteller wie Kreidler oder Schwalbe haben E-Roller auf den Markt gebracht. Hinzu kommen auf E-Mobile spezialisierte Firmen wie ID-Bike oder SEV electric vehicles. Peugeot verkauft seit Mai 2012 mit dem e-vivacity das Nachfolgermodell eines E-Rollers, der bereits in den 90er Jahren vertrieben wurde. Der rund 4000 Euro teure Scooter wird in Europa montiert und bietet unter anderem einen Rückwärtsgang und viel Stauraum, weil der Lithium-Ionen-Akku unter dem Trittbrett montiert ist. BMW testet einen Großroller, der deutlich schneller fährt als die meis­ten E-Roller-Modelle, die in der Regel drei bis fünf kW Leistung bringen.

Die grundsätzliche Entscheidung beim E-Roller-Kauf betrifft die Akku-Technik. Die deutlich teureren Lithium-Ionen-Akkus sind den Blei-Akkus in jeder Hinsicht überlegen. Mit dem Emco Novi ist erstmals ein E-Roller im Angebot, der mit zwei Lithium-Ionen-Akkus gefahren werden kann. Zusammen haben sie eine Reichweite von über 100 Kilometer. Der Preis für den stark nachgefragten Roller liegt bei 3300 Euro, die güns­tigsten Modelle gibt es ab 1500 Euro. Da die Scooter quasi wartungsfrei sind, ist der Unterhalt günstig. Bezahlt werden muss vor allem der Strom. In einigen Städten gibt es öffentliche Ladestationen. In Hannover zum Beispiel wird ausschließlich Ökostrom angeboten – bis 2013 ist das „Tanken“ dort sogar kos­tenlos.

fairkehr 5/2023