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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 4/2012

Wildnis muss wild bleiben

Extrembergsteiger Reinhold Messner erklärt Wanderern in den Dolomiten seine Welt.

Foto: Uta Linnert„Das Können muss des Dürfens Maß sein“: Reinhold Messner spricht sich in Tiers gegen die weitere Erschließung der Berge aus.

Kein Bergbewohner ging jemals höher, als die Gemsen sich vorwagen – bis im 18. Jahrhundert die dekadenten Engländer kamen und mit ihrer Kletterei den Alpinismus begründeten.

Das sagt ausgerechnet einer, dem niemals eine Wand zu steil war und der alle höchsten Gipfel der Welt bestiegen hat. Reinhold Messner ist einen Tag lang mit einer Gruppe Wanderer an einem der schönsten Plätze der Dolomiten unterwegs: am Rosengarten, oberhalb des Dorfes Tiers. Die Gäste, mehr oder weniger trittsicher, aber allesamt Bewunderer der Südtiroler Bergsteiger­­ikone, hören einem Mann zu, der sich mit großer Leidenschaft gegen die weitere Erschließung der Berge ausspricht. 

Auf einer Almwiese vor den markanten Vajolet-Türmen und der Laurinswand plädiert Messner für einen nachhaltigen Tourismus, der den Menschen im Alpenraum ihre Existenz sichert und „auch in 30, 50 oder 100 Jahren noch funktioniert“. Der Mensch solle die über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft mit kleinteiliger Land-, Wald- und Almwirtschaft nutzen, oberhalb davon, in der Wildnis, aber nicht noch mehr eingreifen.

Nirgends auf der Welt sei das Spannungsfeld von Wald, Wiesen und Felsen mit so viel Schönheit ausgestattet wie in den Alpen. Das müsse erhalten werden. „Wir brauchen nicht noch mehr Straßen, Seilbahnen und nicht in jedem Dorf ein Event“, wettert Messner gegen den Ausbau der Alpen zum Rummelplatz. 

Dem Berg nicht gewachsen

Ganz besonders wendet sich der streitbare Südtiroler gegen „die Mode, in irrsinnigen Wänden präparierte, mit Seilen, Haken oder Trittleitern, scheinbar sichere Steige anzulegen“. Das locke Menschen an, die sich überschätzten und dem Berg nicht gewachsen seien. Trotz boomender Kletterszene und wachsender Mitgliederzahlen beim Deutschen Alpenverein dürfe die Natur nicht weiter geopfert werden.

Bergsteigen sei eine Kunst, anstrengend und gefährlich, sagt Messner. Wer sich in die Wildnis vorwage, müsse sich immer der Lebensgefahr bewusst sein, auf eigene Verantwortung gehen und akzeptieren, „dass man nicht alles kann, was man möchte“.

Insbesondere seien die senkrechten Felswände „no country for old men“, sagt der selbsternannte Grenzgänger mit der wilden Mähne und dem schelmischen Blick. Reinhold Messner, der stets unbeirrt seinen Weg gegangen ist, wird im nächsten Monat 68 Jahre alt. Das Klettern hat er an den Nagel gehängt.

 Uta Linnert

Wandern am Rosengarten

Anreise: Mit dem Zug über München, weiter bis Bozen, www.bahn.de. Von dort mit dem Bus nach Tiers, www.sii.bz.it/de oder mit dem Taxi: www.masunerhof.it/hermobil

Vor Ort: Autofrei in den Dolomiten mit der Guest Card Rosengarten Latemar: www.rosengarten-latemar.com

Basislager: Sehr schön eingerichtete ­Appartements, erbaut auf historischen Fundamenten oberhalb des Bergsteigerdorfes Tiers: Ansitz Velseck, http://velseck.it, 39050 Tiers, Italien, Tel.: +39 0471 640006

Hotel- und Wandertoureninfos: Tiers www.tiers.it, Tel.: +39 0471 642127

Besichtigen: Die fünf Häuser des Bergmuseums MMM von Reinhold Messner, www.messner-mountain-museum.it

fairkehr 5/2023