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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 3/2012

Die Deutschen und das Glück

Foto: Marcus Glogerfairkehr-Chefredakteur Michael Adler

Die Deutschen gelten in der Welt etwas. Sie sind fleißig, zuverlässig, nicht zuletzt wirtschaftlich stark. Viele Deutsche haben vieles: ein großes Auto, ein großes Haus und jedes Jahr eine schöne Flugreise. Aber glücklich sind sie nicht. Rechtzeitig zum Rio+20- Gipfel in der brasilianischen Metropole ließ die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) einen Welt-Glücks-Report erstellen. Gewinner sind die relativ egalitären europäischen Länder Dänemark, Norwegen, Finnland und die Niederlande. Deutschland landet nur auf dem 30. Platz.

Es geht beim Glück eben doch um mehr als nur ums Geld. Aber was ist ­eigentlich Glück? Führende westliche Politiker setzen Wohlstand mit Wachstum gleich. Es mündet in die einfache Formel: Wachstum ist Wohlstand ist Glück.

Nur, immer weniger Menschen glauben daran, dass das stimmt. Viele halten diesen quasi-religiösen Wachstumsglauben gar für fatal mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit. Wie soll die Wirtschafts­­leistung auch ständig weiterwachsen, wenn die Erde, aus der wir dieses Wachs­tum speisen, gleich bleibt. Besonders gerne malen Politiker den Wohlstandsgewinn bei milliardenschweren Großprojekten an die Wand. Auch beim Großflughafen in Berlin war von Tausenden von Arbeitsplätzen die Rede. Bürger­­­willen und offenbar auch elementare ­Sicher­heitsfragen wurden dagegen ­bewusst ignoriert. Glücklich macht der Berliner Flughafen zurzeit nur wenige – trotz eines Milliarden-Beitrags zum Bruttosozialprodukt der Region.

Die drei amerikanischen Forscher Helliwell, Layard und Sachs, die für den UN-Glücks-Report alle Glücksumfragen bis 2011 ausgewertet haben, kommen zu folgenden Ergebnissen: Ein sicherer Job sei wichtig, aber ein gutes Arbeits­­klima sei wichtiger als die Höhe des ­Einkommens. Geistige und körperliche ­Gesundheit sind ebenso Glücksfaktoren wie eine intakte Umwelt und Altruismus. Stabile Partnerschaften schaffen Glück. Das gilt für Ehe und Familie, aber auch für das soziale Leben, für Freunde und ehrenamtliches Engagement für Schwächere. Überhaupt sind Menschen glücklicher in Gesellschaften, in denen die Schere zwischen Arm und Reich nicht weit auseinanderklafft. Deshalb liegen die Skandinavier auch vor den Deutschen und den Briten. Im Alltag hat das auch viel mit Mobilität zu tun: Dänen besitzen deutlich weniger Autos als Deutsche, und der Chefarzt heißt Ole und fährt genauso mit dem Rad zur ­Klinik wie die Krankenschwester.

Die drei Professoren des Earth-Instituts der New Yorker Columbia-Universität verdichten ihre Empfehlung an die Regierenden zu einem Paradigmenwechsel: Regierungen sollten sich nicht auf das Wirtschaftswachstum fixieren, sondern das Glück ihrer Bürger fördern und regelmäßig messen. Und, mit Blick auf den Erdgipfel: Nichts mache glücklicher, als gemeinsam für ein höheres Ziel zu arbeiten. Für die Umweltbalance der Erde, das Glück kommender Generationen, kurz: für die Nachhaltigkeit.

Deutschland fehlte im Übrigen auf dem UN-Glücksgipfel, der im April in Bhutan stattfand. Bundeskanzlerin Merkel hat überdies bereits ihre Teilnahme beim Weltgipfel in Rio abgesagt. Gut für ihre persönliche Klimabilanz, schlecht für unser Glück.

Einen glücklichen Sommer wünscht Ihnen

Michael Adler

fairkehr 5/2023